Quasi über Nacht musste sich Sascha Lewandowski entscheiden, ob er Bayer 04 Leverkusen übernimmt
Quasi über Nacht musste sich Sascha Lewandowski entscheiden, ob er Bayer 04 Leverkusen übernimmt

"Umbruch auf hohem Niveau"

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Leverkusen - Über Nacht kam die große Chance. Sascha Lewandowski und Sami Hyypiä nutzten sie. Sechs Spieltage vor Ende der vergangenen Saison installierte Bayer Leverkusen das Trainerduo, um doch noch das Minimalziel Europa League zu erreichen. Die Rechnung ging auf. Mit vier Siegen und zwei Unentschieden schloss die "Werkself" die vergangene Spielzeit doch noch auf Platz 5 ab. Zum Lohn gab es für das erfolgreiche Trainerteam eine langfristige Vertragsverlängerung. bundesliga.de sprach mit Sascha Lewandowski über die kommenden Aufgaben der Rheinländer.

bundesliga.de: Herr Lewandowski, wie zufrieden sind Sie mit dem Stand der Vorbereitung auf die neue Saison?

Sascha Lewandowski: Wir sind sehr zufrieden mit dem Stand der Vorbereitung. Fakt ist, dass wir alle Trainingseinheiten mit allen zur Verfügung stehenden Spielern durchziehen konnte. Es gab noch keine Ausfälle, keine Verletzten. Positiv ist weiterhin, dass die Mannschaft sich viele Dinge erarbeitet und deutlich Fortschritte erkennbar sind.

bundesliga.de: Was für Fortschritte meine Sie?

Lewandowski: Wir arbeiten intensiv am neuen Spielstil, an den Strukturen, da wir uns in dieser Saison fußballerisch in eine etwas andere Richtung bewegen wollen. Wir wollen weg vom reagierenden Fußball und selbst agieren. Wir wollen schnell und zielstrebig nach vorne spielen, ein verkürztes Umschaltverhalten einstudieren. Das geht sicher nicht alles von heute auf morgen. Es wird sicher auch Rückschläge geben, aber wir sind auf einem guten Weg.

bundesliga.de: Sie sind zusammen mit Sami Hyypiä im vergangenen April nach der Beurlaubung von Robin Dutt sehr kurzfristig und unverhofft Bundesliga-Trainer geworden und mussten über Nacht eine verunsicherte Mannschaft wieder in die Spur bringen. Seitdem stehen Sie fast ohne Unterbrechung unter Strom. Mussten Sie da nach der Devise "Augen zu und durch" arbeiten?

Lewandowski: Nein, die Devise war eher "Augen auf und durch". Ich bin ein sehr rationaler Mensch. Es kam damals ja alles sehr schnell. Am Samstagabend nach dem Freiburg-Spiel (das 0:2 verloren wurde, die Red.) kam die Anfrage, am Sonntag waren wir im Amt. Wir mussten dann möglichst schnell ein Konzept erarbeiten und der Mannschaft eine Struktur geben. Für meine Befindlichkeiten war da nicht viel Zeit. Wir wollten die neue Aufgabe so gut wie möglich angehen und effektiv arbeiten.

bundesliga.de: Haben Sie denn überhaupt in der Sommerpause einmal durchatmen können?

Lewandowski: Ja, durch die lange Pause hatte ich auch die Gelegenheit ein paar Tage abzuschalten. Danach ging schon wieder mit dem Trainerteam die Planung der Saisonvorbereitung los.

bundesliga.de: Sie bilden mit Sami Hyypiä ein gleichberechtigtes Trainerduo, was in der Bundesliga einzigartig ist. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Lewandowski: Wir harmonieren sehr gut und sind in den grundlegenden Fragen sehr nahe beieinander. Wir pflegen eine vernünftige Streitkultur, wir diskutieren viel und bauen auf die besseren Argumente. Wir ergänzen uns gut. Ich habe schon viele Erfahrungen als Trainer sammeln können, allerdings im Nachwuchsbereich. Die Erfahrung mit den Profis fehlte mir noch. Sami bringt das ein, was mir fehlt. Der Mann hat in seiner großartigen Profikarriere alles erreicht, was man erreichen kann. Wir sind eine hervorragende Konstellation, die gut funktioniert, und setzen auf Teamarbeit. Nicht umsonst haben wir einen Drei-Jahres-Vertrag unterschrieben, um hier neue Strukturen zu entwickeln.

bundesliga.de: Bei diesen neuen Strukturen werden eine Reihe von Stars nicht mehr dabei sein. Michael Ballack, Rene Adler, Eren Derdiyok oder Tranquillo Barnetta haben den Verein verlassen. Wie schwer ist es, diesen massiven Umbruch im Kader zu bewältigen?

Lewandowski: Wir vollziehen den Umbruch auf hohem Niveau. Und er ist auch nicht langfristig angelegt, wir wollen sofort erfolgreich sein. Wir haben immer noch eine junge Mannschaft. Aber viele Spieler, die jetzt 22, 23 oder 24 Jahre alt sind, verfügen bereits über eine große Bundesliga-Erfahrung und über viel Qualität.

bundesliga.de: Kommen wir zu den Neuzugängen. Die Qualitäten von Spielern wie Innenverteidiger Philipp Wollscheid, der wie der ausgeliehene Jens Hegeler aus Nürnberg kam, sind bekannt. Im Gegensatz zu Daniel Carvajal, Carlinhos und Junior Fernandez. Was versprechen Sie sich von Letztgenannten?

Lewandowski: Daniel Carvajal ist ein Rechtsverteidiger und kommt von der 2. Mannschaft von Real Madrid aus der 3. Liga in Spanien. Er ist ein hochtalentierter junger Bursche mit Offensivdrang nach vorne und bringt alles mit. Er ist beweglich, dynamisch, technisch stark. Er ist eine Investition in die Zukunft, der uns aber auch sicher schon in der Gegenwart Freude machen wird. Junior Fernandes hat in Chile eine sehr gute Saison auf Topniveau gespielt. Er ist auch noch relativ jung, ein Stürmer, der Tempo gehen kann und über einen guten Schuss und Kopfball verfügt. Carlinhos ist Brasilianer, auch ein Rechtsverteidiger und ein ähnlicher Typ wie Carvajal. Aber er ist gerade einmal 18 Jahre alt und hat die Zukunft noch vor sich.

bundesliga.de: Inwieweit sind Ihre Kaderplanungen damit abgeschlossen?

Lewandowski: Unser Kader ist komplett. Natürlich hält auch ein Verein wie Bayer Leverkusen immer Augen und Ohren offen. Aber wir sind nicht Bayern München, das auf jeder Position im Kader doppelt abgesichert ist. Wir sind als Trainer dazu da, Lösungen zu finden. Wenn uns zum Beispiel einmal Stefan Kießling, unser einziger "Neuner" im Kader, ausfallen sollte, müssen wir einen Plan B in der Tasche haben. Wir dürfen das dann nicht als Problem ansehen, sondern müssen es als Chance begreifen.

bundesliga.de: Wo geht die Reise von Bayer Leverkusen in dieser Saison hin?

Lewandowski: Wir haben wie gesagt richtig Qualität im Kader und dementsprechend hohe Ziele. Wir wollen wieder einen internationalen Wettbewerb erreichen. Das ist der Anspruch von Bayer 04.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski