Hennes Weisweiler (r., neben Günter Netzer) holte als Trainer vier deutsche Meisterschaften
Hennes Weisweiler (r., neben Günter Netzer) holte als Trainer vier deutsche Meisterschaften

Totale Offensive

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Beim 1. FC Köln wurde er groß, mit Borussia Mönchengladbach sammelte er Titel wie Briefmarken und wiederum beim FC endete seine große Trainerkarriere in der Bundesliga. Hennes Weisweiler ist eine der ganz großen Trainerlegenden des deutschen Fußballs. Er brachte zudem das seltene Kunststück fertig, bei beiden rheinischen Rivalen gleichermaßen bis heute Kultstatus zu genießen und verehrt zu werden.

Gutes Auge für Talente

So trägt die Traditionsmannschaft von Borussia Mönchengladbach ("Weisweiler Elf") ebenso seinen Namen wie das Kölner Vereinsmaskottchen. Der bekannte Geißbock hört seit 1950 und nunmehr acht Generationen auf den Namen "Hennes".

Der 1. FC Köln ließ Hennes Weisweiler nie los. Dreimal coachte der 1919 in Lechenich vor den Toren der Domstadt geborene Fußballlehrer den erst 1948 aus einer Fusion der beiden Clubs Kölner BC von 1901 und Spielvereinigung Sülz 07 entstandenen Verein erfolgreich. Schon in seinen ersten beiden Amtszeiten (von 1948 bis 1952, damals teilweise noch als Spielertrainer, und 1955 bis 1958) feierte er große Erfolge.

Weisweiler war bekannt dafür, ein gutes Auge für Talente zu haben, sie zu fördern. Seine Mannschaften spielten attraktiven Offensivfußball. Das blieb auch dem damaligen Bundestrainer Sepp Herberger nicht verborgen, der ihn 1954 nach dem Gewinn des WM-Titels zu seinem Assistenztrainer machte. Doch Weisweiler merkte schnell, dass sich seine Auffassung vom Fußball nicht mit jener Herbergers deckte. Nach einem Jahr kehrte er zurück zum 1. FC Köln, von 1958 bis 1964 coachte er anschließend den Lokalrivalen Viktoria Köln.

1964 dann übernahm er auf Empfehlung Herbergers den vakanten Trainerposten bei Borussia Mönchengladbach. Schon in seiner ersten Saison 1964/65 gelang Weisweiler mit der Borussia mit Vollgasfußball (92 Saisontore) der Aufstieg in die Bundesliga. Dies war die Geburtsstunde der "Fohlenelf", einer Mannschaft in der vor allem blutjunge Toptalente glänzten. Die bekanntesten waren der erst 20-jähige Spielgestalter Günter Netzer und 19-jährige Stürmer Jupp Heynckes. Später kamen auch u.a. Spieler wie Berti Vogts, Rainer Bonhof, Herbert Wimmer oder Herbert Laumen hinzu.

"Simonsen und Bonhof waren anfänglich blind"


Nach einem Lehrjahr starteten die "Fohlen" auch in der Bundesliga, in der sie dann über ein Jahrzehnt lang für Furore sorgen sollten, durch. Nach zwei dritten Plätze in den Jahren 1968 und 1969 holte Borussia 1970 ihre erste Meisterschaft, der im Jahr darauf die zweite folgte. Erstmals in der Bundesliga-Geschichte konnte damals ein Meister seinen Titel verteidigen.

"Hennes Weisweiler war eine absolute Autorität", erinnerte sich später Gladbachs Torhüter Wolfgang Kleff. "Er verlangte von den Spielern Mut im Spiel eins gegen eins. Das Offensivspiel war seine Stärke. Spieler wie Simonsen und Bonhof waren anfänglich, als sie zu uns kamen, wirklich blind. Weisweiler hat sich die Zeit genommen und mit ihnen intensiv gearbeitet und sie zu dem geformt, was sie später wurden - internationale Topstars."

Bis 1975 hatte Weisweiler mit der "Elf vom Niederrhein" weitere Titel gewonnen. Am Ende waren es drei Meisterschaften, ein Pokalsieg und der UEFA-Cup. Mit ihrem kreativen Offensivspektakel war die Borussia in den siebziger Jahren der Gegenpart und härteste Konkurrent des FC Bayern, der mehr für effizienten und zweckmäßigen Ergebnisfußball stand.

Netzer wechselt sich selbst ein


Genauso wie Weisweiler junge Talente förderte, konnte er sich auch mit etablierten Stars fetzen. Günter Netzer war so ein Fall. Der Legende nach war Weisweiler so sauer über den Wechsel seines Stars zu Real Madrid, dass er ihn beim Pokalfinale 1973 - ausgerechnet gegen den 1. FC Köln - auf die Bank setzte. Als sich dann in der Verlängerung der Gladbacher Christian Kulik verletzte, wechselte sich Netzer mit den an Weisweiler gerichteten Worten "Ich geh dann mal rein" selbst ein. Mit einem ersten Ballkontakt schoss er das Siegtor.

Nach einem glücklosen Intermezzo beim FC Barcelona in der Saison 1975/76 kehrte Weisweiler 1976 in die Bundesliga zurück. Er übernahm den 1. FC Köln, zoffte sich dort erst einmal mit dem kölschen Idol Wolfgang Overath und fügte dann seiner Titelsammlung erst den Pokalsieg 1977 und anschließend den Doublegewinn 1978 hinzu. Weisweiler verhalf erneut Talenten wie Bernd Schuster, Pierre Littbarski oder Stephan Engels zum Durchbruch. Auf der anderen Seite musterte er neben Overath später auch Heinz Flohe aus.

Abstecher nach New York


Als die Kölner Vereinsführung zögerte, Weisweilers 1980 auslaufenden Vertrag zu verlängern, nahm der Startrainer zum Entsetzen der Kölner Fans, die "Hennes, Du darfst nicht gehen" skandierten, ein Angebot von Cosmos New York an. Im April 1980 wurde sein Vertrag aufgelöst. Weisweiler ging ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, feierte dort zusammen mit Altstar Franz Beckenbauer eine weitere Meisterschaft.

Nach zwei Jahren endete das US-Abenteuer, Weisweiler übernahm in der Saison 1982/83 den Schweizer Topverein Grasshopper Zürich, mit dem er sich auf Anhieb das Double sicherte. Drei Wochen nach dem Pokalfinalsieg starb Hennes Weisweiler überraschend im Alter von 63 Jahren an einem Herzinfarkt.

Mit vier deutschen Meisterschaften ist Weisweiler nach Udo Lattek (acht Titel) und Ottmar Hitzfeld (sieben) der dritterfolgreichste Bundesliga-Trainer aller Zeiten. Sein Grabstein in Lechenich trägt die Inschrift "Ein Leben dem Fußball".

Tobias Gonscherowski


Karriere in Zahlen:

Geburtsdatum: 5. Dezember 1919
Bundesliga-Spiele: 470
Deutscher Meister: 1970, 1971, 1975, 1978
DFB-Pokalsieger: 1973, 1977, 1978
UEFA-Cup-Sieger: 1975

Saison Verein Spiele/Platz
1965/66 Borussia Mönchengladbach 34/13
1966/67 Borussia Mönchengladbach 34/8
1967/68 Borussia Mönchengladbach 34/3
1968/69 Borussia Mönchengladbach 34/3
1969/70 Borussia Mönchengladbach 34/1
1970/71 Borussia Mönchengladbach 34/1
1971/72 Borussia Mönchengladbach 34/3
1972/73 Borussia Mönchengladbach 34/5
1973/74 Borussia Mönchengladbach 34/2
1974/75 Borussia Mönchengladbach 34/1
1976/77 1. FC Köln 34/5
1977/78 1. FC Köln 34/1
1978/79 1. FC Köln 34/6
1979/80 1. FC Köln 28/5