Die Neuzgänge Henrikh Mkhitaryan (v.) und Pierre-Emerich Aubameyang (h.) schlagen voll ein (©Imago)
Die Neuzgänge Henrikh Mkhitaryan (v.) und Pierre-Emerich Aubameyang (h.) schlagen voll ein (©Imago)

Tempo und Tore als Trumpf

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Dortmund - Jürgen Klopp war sichtlich beeindruckt: "Das kommt wirklich nicht alltäglich vor - nicht einmal hier!" Das Lob des BVB-Trainers galt in diesem Moment allerdings gar nicht seiner Mannschaft, die gerade den HSV mit nach Hause geschickt hatte.

Klopp lobte vielmehr die "außergewöhnliche Atmosphäre" im Stadion, in dem sogar die Fans auf der Haupttribüne anhaltend mit Standing Ovations feierten. Und nicht nur diese Euphorie erinnerte in diesem Moment irgendwie schwer an die Meisterjahre 2011 und 2012.

Vollgas-Fußball erinnert an die Meisterjahre

Keine Frage: Nach fünf Spieltagen der neuen Saison könnte die Stimmung rund um Borussia Dortmund kaum besser sein. In die neue Champions League startet der letztjährige Finalist am Mittwoch als Tabellenführer der Bundesliga - und das mit schneeweißer Weste. Fünf Siege in fünf Spielen bedeuten einen neuen Startrekord für Schwarz-Gelb.

Das allein aber würde nicht solche Begeisterung hervorrufen, wie sie Dortmund zurzeit erlebt. Es ist vielmehr das Offensivspektakel, das der BVB wie jetzt gegen den HSV immer wieder entfacht und das staunen lässt. Die Mannschaft zelebriert besten Vollgas-Fußball wie in den Meisterjahren 2010/11 und 2011/12, als man in diesem Stil gleich zweimal hintereinander die Liga zerlegte und sich so am Ende die Meisterkrone aufsetzen durfte.

Fast jeder Angriff gegen bedauernswerte Hamburger hatte Zug zum Tor, Hochgeschwindigkeitsfußball war Trumpf. Lust und Leidenschaft sprachen aus jeder Aktion. Nach der 6:2-Gala waren sich Anhänger und Verantwortliche in der Bewertung entsprechend einig. Sportdirektor Michael Zorc hatte "eine klasse Leistung von A bis Z" gesehen; Jürgen Klopp fand es schlicht "geil" und lobte vor allem das schnelle Umschaltspiel seiner Mannschaft als "verrückt gut".

Die Neuzugänge schlagen eindrucksvoll ein

Die mangelnde Chancenverwertung blieb zwar nicht unerwähnt, aber angesichts von immerhin sechs eigenen Treffern ließ sich das altbekannte Dortmunder Problem dieses Mal verschmerzen. Vier Tore innerhalb von 16 Minuten und insgesamt 32 Torschüsse gaben allerdings ein eindrucksvolles Zeugnis darüber ab, was an diesem Abend möglich gewesen wäre.

Denn unübersehbar war auch gegen den HSV die neue Qualität im Angriffsspiel, die der BVB in dieser Spielzeit auf den Platz bringt. Wenn Michael Zorc von einem "unglaublichen Offensivpotenzial" spricht, dann darf er sich dafür auch selbst loben. Der Sportdirektor hat das Kunststück fertig gebracht, den Abgang von Mario Götze nicht nur zu kompensieren. Mit den Transfers von Henrikh Mkhitaryan und Pierre-Emerick Aubameyang hat die Borussia ihr Offensivspiel vielmehr auf eine neue Stufe gehoben.

Über die Hälfte der Dortmunder Treffer geht auf das Konto der beiden Neuzugänge, doch nicht allein die Torgefahr macht sie so wertvoll. Aubameyang setzte gegen Hamburg mit 51 Sprints einen neuen Liga-Bestwert. Und Mkhitaryan beeindruckt auch seine Mitspieler immer wieder neu mit seinem Können: "Er bringt in diese schnelle Mannschaft noch mal mehr Tempo rein. Und das muss man erst mal schaffen", sparte Nuri Sahin nicht mit Lob.

Das magische Viereck ist geboren

Tatsächlich hatte der BVB gegen den HSV ein Offensivquartett auf dem Rasen, das so wohl zum Besten gehrt, was Europa zu bieten hat. Ob Mkhitaryan und Aubameyang oder Lewandowski ("Wir können noch besser spielen") und Reus - alle vier harmonieren fast schon beängstigend gut miteinander und sind zudem jeder für sich technisch überragend, pfeilschnell, trickreich und eben auch jederzeit torgefährlich.

Zugleich zeigte die Vorstellung gegen Hamburg, dass der BVB mit seinen offensiven Neuzugängen in dieser Saison deutlich breiter aufgestellt ist, mehr Variationsmöglichkeiten hat und vor allem Verletzungen deutlich besser auffangen kann als noch in der vergangenen Spielzeit.

"Man hat gesehen, dass wir den Ausfall von Kuba oder jetzt auch schon seit Wochen den Ausfall von Gündogan gut kompensieren können", stellte Roman Weidenfeller zufrieden fest. "Wir haben uns punktuell verstärkt und zugleich breiter aufgestellt. Das hat die Vereinsführung super umgesetzt."

Mit ordentlich Selbstvertrauen nach Neapel

Auch aus diesem Grund geht Borussia Dortmund mit breiter Brust in die englischen Wochen, wenn jetzt im Drei-Tages-Rhythmus Bundesliga, Champions League und DFB-Pokal auf dem Spielplan stehen. Musste man im letzten Jahr dem Kräfteverschleiß nach und nach Tribut zollen, so scheint die Mannschaft dieses Mal gerüstet zu sein für den "Tanz auf drei Hochzeiten".

Rechtzeitig vor dem internationalen Gipfeltreffen mit dem Tabellenführer der italienischen Liga beim SSC Neapel am Mittwoch hat die Sechs-Tore-Gala gegen Hamburg dem Team zudem noch einmal den entscheidenden Kick gegeben, ist Nuri Sahin überzeugt: "Jeder, der noch Selbstvertrauen brauchte, hat sich das jetzt abgeholt!"

Aus Dortmund berichtet Dietmar Nolte