Sebastian Kehl kassierte mit Dortmund die dritte Heimpleite in Folge
Sebastian Kehl kassierte mit Dortmund die dritte Heimpleite in Folge

Kehl: "Keine zündenden Ideen"

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Dortmund - Die Weihnachtsstimmung ist nach der 1:2-Niederlage gegen Hertha BSC beim BVB erst einmal dahin. Nach der dritten Heimpleite in Serie wollten die meisten Spieler einfach nur schnell weg. Kapitän Sebastian Kehl stellte sich trotz der Enttäuschung den Fragen und redete Klartext.

Frage: Sebastian Kehl, war die Niederlage gegen Hertha BSC ein Problem nachlassender Kräfte in Folge der vielen Ausfälle und der Dreifachbelastung? Oder was sind die Gründe für den erneuten Rückschlag?

Sebastian Kehl: Ausreden, dass nicht genug Körner im Tank waren, lassen wir nicht gelten. So hat sich auch keiner gefühlt. Natürlich ist es unangenehm, wenn man in Rückstand gerät und Hertha dann eine Abwehrschlacht abliefert, die es uns sehr schwer gemacht hat. Wir haben es zwar versucht in der zweiten Halbzeit, aber uns ist auch nicht wirklich etwas eingefallen. Die zündenden Ideen haben uns dieses Mal gefehlt. Uns sind keine Lösungen eingefallen.

Frage: Dabei hatte die Partie mit dem frühen Tor von Marco Reus für den BVB nahezu optimal begonnen, bis das Spiel dann gekippt ist.

Kehl: Wir haben Hertha in der ersten Halbzeit zu sehr selbst aufgebaut. Wir sind in Führung gegangen und hatten das Spiel eigentlich unter Kontrolle. Dann haben wir insgesamt nachgelassen, und das hat Hertha eiskalt ausgenutzt. Sie waren frech und haben sich am Ende auf das beschränkt, was sie vorhatten: Verteidigen und Zweikämpfe suchen. Sie haben die Bälle dann nur noch hinten raus gehauen. Damit sind sie relativ leicht zum Erfolg gekommen. Aber wir müssen uns an die eigene Nase fassen, dass wir jetzt schon die dritte Heimniederlage in Folge kassiert haben. 

Frage: Der BVB hat sich dieses Mal kaum Torchancen erarbeiten können. Woran hat es gelegen?

Kehl: Wir haben zu wenige Optionen im vorderen Bereich gehabt. Wir hatten zu wenige Anspielmöglichkeiten und waren zu statisch. Wie schon gesagt: Wir hatten einfach keine zündenden Ideen. Am Ende war das Zusammenspiel sowohl von Defensive in der ersten Halbzeit als auch von Offensive in der zweiten Halbzeit dieses Mal nicht gut genug, um Hertha wirklich in Verlegenheit zu bringen.

Frage: Der 18-jährige Marian Sarr war nach seinem Fehler vor dem zweiten Gegentor untröstlich. Hat die Mannschaft ihn wieder etwas aufgebaut?

Kehl: Natürlich haben wir ihn getröstet und ihn aufgebaut. Schuldzuweisungen gibt es von unserer Seite absolut nicht. Marian erfährt recht schnell, wie es in diesem Geschäft zugeht. In den letzten drei Wochen hatte er wahnsinnig gute Kritiken, jetzt gegen Hertha ging es nach hinten los. Aber so ist die Bundesliga, das wird er in seiner Karriere noch das eine oder andere Mal erfahren müssen. Am besten legt er sich schnell eine dicke Haut zu. 

Frage: Mit welchem Gefühl gehen Sie jetzt in die Winterpause?

Kehl: Der letzte Eindruck bleibt - und der ist nicht wirklich prickelnd! Drei Heimniederlagen in Folge gab es zuletzt im Jahr 2000, da war selbst ich noch nicht bei Borussia Dortmund. Das schmerzt natürlich. Wir haben in diesem Jahr tolle Momente gehabt. Aber in der Bundesliga haben wir das Gefühl, einfach viel zu wenig erreicht zu haben für den Anspruch, den wir haben, und auch für die Qualität, die unser Kader trotz der Personalsituation besitzt. 

Frage: Der BVB hat gegen die Top-Teams der Tabelle - Bayern, Leverkusen, Gladbach, Wolfsburg und Hertha - allesamt verloren.

Kehl: Das war mir nicht so bewusst, aber ich kann daraus auch nicht so viel ableiten. Ich glaube auf keinen Fall, dass wir unsere Ansprüche zu hoch gesetzt haben. Wir wollen uns direkt für die Champions League qualifizieren und daran werden wir in der Rückrunde sehr, sehr hart arbeiten müssen.

Frage: Die Konkurrenz jagt den BVB jedenfalls intensiver als zuvor und verlangt ihm jedes Mal alles ab.

Kehl: Es ist wirklich nicht so, dass Borussia Dortmund Artenschutz genießt. Nach unseren Erfolgen in den letzten Jahren sind alle Mannschaften sehr motiviert und heiß darauf, gegen uns etwas zu holen. Ähnlich, wie es über Jahre hinweg bei Bayern München der Fall war. Das ist eine neue Situation, der wir uns stellen müssen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass gegen uns alle 120 Prozent geben. Unsere Rolle in der Liga hat sich geändert, aber das nehmen wir auch an. Wir haben die Qualität, den Anspruch und den Kader, um in der Bundesliga wieder erfolgreich zu sein - und nicht nur in den anderen Wettbewerben.

Frage: Bleibt nach dem enttäuschenden Schlusspunkt gegen Berlin die Hoffnung auf das neue Jahr und vor allem auch die Hoffnung auf die Rückkehr der verletzten Leistungsträger?

Kehl: Wir haben einen breiten Kader und unsere Niederlage gegen Hertha ist sicher nicht der Personalsituation geschuldet. Im Offensivbereich war gegen Berlin alles dabei, was Rang und Namen hat. Wir hatten zwar defensiv Ausfälle und auf den Außenbahnen ein paar Probleme, aber in der Offensive hat eigentlich niemand gefehlt. Wir sollten nach dieser Niederlage auch nicht nur über unsere Personalprobleme sprechen. Wir haben diese Situation in den letzten Wochen immer wieder gut gelöst und wurden dafür gelobt. Wir haben mehr Qualität, die müssen wir zeigen und dann werden wir auch wieder ein Heimspiel gewinnen.

Aus Dortmund berichtet Dietmar Nolte