Olaf Thon spielte in seiner Zeit als Profi zwischen 1983 und 2002 für Schalke 04 und Bayern München
Olaf Thon spielte in seiner Zeit als Profi zwischen 1983 und 2002 für Schalke 04 und Bayern München

"Schalke muss Kredit zurückgewinnen"

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München - Am 9. Spieltag trennten den Tabellenführer Bayern München vom Zweiten Schalke 04 nur vier Punkte. Elf Spieltage später liegen Welten zwischen den beiden Clubs, genau genommen 22 Punkte. Während die Bayern kein Spiel mehr verloren, ist die Schalker Bilanz ziemlich fürchterlich. Ganze zwei Siege und neun Punkte holten die "Knappen" seitdem. Auch der Trainerwechsel von Huub Stevens zu Jens Keller brachte keine Besserung.

Jetzt treffen Bayern und Schalke im direkten Duell aufeinander. Weltmeister Olaf Thon, der mit beiden Vereinen Titel sammelte, analysiert im Gespräch mit bundesliga.de die aktuelle Sitaution.

bundesliga.de: Herr Thon, vor einem halben Jahr waren Sie im Interview mit bundesliga.de noch guter Dinge in Bezug auf Schalke. Dem besten Start der Vereinsgeschichte folgte fast nur noch Tristesse. Wie konnte es dazu kommen?

Thon: Viele Gründe haben dazu beigetragen, wie etwa das Torhüterproblem, obwohl Timo Hildebrand in den letzten Partien gut gehalten hat. Es gab das Transfer-Hin-und-Her mit Lewis Holtby, es gab die Probleme mit Huub Stevens, Probleme im zwischenmenschlichen Bereich. Schalke hatte Pech mit Verletzungen. Farfan war verletzt, Afellay ist es immer noch. Das sind die Köpfe im Sturm. Die Abwehr um Fuchs, Matip und Uchida hat nicht gut ausgesehen. Das alles hat dazu geführt, dass die Mannschaft verunsichert ist.

bundesliga.de: Und Huntelaar trifft auch nicht mehr wie im letzten Jahr.

Thon: Es fängt hinten an und hört vorne auf. Ein Stürmer ist abhängig von dem, was er bekommt. Deswegen sagen viele, dass Holtbys Abgang ein Verlust ist. Der Transfer war nicht falsch, aber er ging zu einem unglücklichen Zeitpunkt für relativ wenig Geld. Das gibt den Leuten Nahrung, die das kritisch betrachten.

bundesliga.de: Konnten Sie den Trainerwechsel nachvollziehen?

Thon: Ich war vor allem überrascht, dass es so schnell ging und hatte eher an einen anderen Zeitpunkt gedacht. Aber das müssen Horst Heldt und die Verantwortlichen entscheiden. Begründet wurde der Wechsel ja damit, dass der Trainer mit der Mannschaft nicht mehr klar kam und er nicht mehr an sie herankam. Deswegen kam der Cut sofort. Leider ging es eher nach hinten los.

bundesliga.de: Was macht Ihnen Hoffnung, dass Schalke die Kurve noch kriegt?

Thon: Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass es jetzt eigentlich nur besser werden kann, wenn man gegen den Vorletzten nur Unentschieden gespielt, gegen den Letzten daheim verloren hat und dann zum FC Bayern muss. Die Spieler haben am Anfang der Saison gezeigt, dass sie gegen gute Mannschaften auch in der Champions League auswärts gewinnen können. Auch in Dortmund hat Schalke gewonnen. Das macht mir Mut. Die Mannschaft ist besser, als sie im Moment dasteht.

bundesliga.de: Was ist für Schalke in dieser Saison noch drin?

Thon: Unterm Strich würde man Platz 5 am Ende im Moment sicher nehmen. Aber eigentlich müsste auch Platz 4 noch möglich sein. Die Konstellation ist jedoch gerade ungünstig. Alles ist etwas zerrüttet. Schalke muss jetzt versuchen, in den drei Auswärtsspielen Kredit zurückzugewinnen, indem sich die Mannschaft in München gut aus der Affäre zieht und vielleicht ein Unentschieden mitnimmt. Dabei sind auch die Äußerungen eines Jermaine Jones nicht förderlich, die kamen eher kontraproduktiv an. Ich hätte mir gewünscht, dass ihn die Verantwortlichen zur Seite genommen hätten, um ihn vor sich selber zu schützen. Obwohl er sicherlich irgendwo recht hat. Aber auf der anderen Seite muss man die Fans verstehen. Dann muss man als Spieler den Mund halten und versuchen, im nächsten Spiel Leistung zu bringen.

bundesliga.de: Das Kontrastprogramm liefert der kommende Gegner Bayern München. Die Bayern gewinnen alle Spiele und scheinen problemlos durchzumarschieren. Oder haben Sie noch Hoffnung auf ein bisschen Spannung?

Thon: Die aus Lüdenscheid sind die einzigen, die die Bayern noch stoppen könnten. Ich habe ja bei der Pokalauslosung für beide ein schlechtes Los gezogen. Für Dortmund noch etwas schlechter, weil der BVB in München antreten muss. Sie können die Bayern im Pokal noch ein bisschen ärgern. Was jedoch die Meisterschaft anbetrifft, bin ich Realist und sage: Nein, das lassen sich die Bayern nicht mehr nehmen.

bundesliga.de: Was macht die Stärke der Bayern in dieser Saison aus? Die bärenstarke Abwehr, die erst sieben Gegentore zuließ?

Thon: Obwohl die Bayern-Abwehr erst sieben Gegentore zuließ, halte ich den hinteren Bereich mit Dante, Daniel van Buyten, Holger Badstuber und David Alaba noch für verbesserungsbedürftig. Alaba braucht auch noch ein bisschen Zeit. Im Mittelfeld haben die Investitionen den Konkurrenzkampf geschürt. Im Sturm genauso, wie man an Spielern wie Robben oder Gomez sieht, die auf der Bank sitzen. Dieser Konkurrenzkampf wird die Mannschaft so beflügeln, dass die Bayern für die anderen Vereine unerreichbar sind. Jupp Heynckes macht das mit Matthias Sammer zusammen sehr gut. Ich glaube, die Einstellung Sammers hat dem Ganzen das i-Tüpfelchen gegeben. Er ist nie zufrieden, bohrt immer und verlangt, dass sich jeder noch verbessert. Die Verantwortlichen haben bei der Zusammenstellung des Teams Großes geleistet.

bundesliga.de: Könnten Probleme auftauchen, weil Spieler wie Robben und Gomez aktuell wenig Einsatzzeiten bekommen?

Thon: Ich glaube schon, dass die Spieler sauer sein werden. Sie müssen durch Leistung überzeugen. Ein Robben wird dann daran gemessen, was er bringt, wenn er zum Einsatz kommt. Der Konkurrenzkampf ist aber eher förderlich und belebt das Geschäft. Das hält auch wach.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski