Trotz des 2:0-Erfolgs des FC Bayern gegen Hannover übte Sport-Vorstand Matthias Sammer heftige Kritik
Trotz des 2:0-Erfolgs des FC Bayern gegen Hannover übte Sport-Vorstand Matthias Sammer heftige Kritik

Sammer: "Raus aus der Komfortzone!"

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München - Hauptsache gewonnen. Das war der Tenor in den Aussagen der Bayern-Profis wie Kapitän Philipp Lahm, Torschütze Franck Ribery oder Jubilar Manuel Neuer (). Doch als die Spieler den zähen Arbeitssieg gegen Hannover 96 () gerade als eben solchen abhaken wollten, grätschte der Sport-Vorstand verbal dazwischen.

Erinnerungen an seine Wutrede in Bremen im Vorjahr

"Wir spielen zum Teil lethargisch, wir spielen ohne Emotionen Fußball, wir machen Dienst nach Vorschrift", schlug Matthias Sammer Alarm. Von wegen Mund abputzen und weitermachen!

"Der Trainer hat es der Mannschaft immer wieder gesagt. Mit dem einen oder anderen Spieler habe ich auch schon darüber geredet. Jetzt ist der Zeitpunkt, es mal öffentlich zu sagen", legte der 46-Jährige nach. "Wir emotionalisieren uns null. Laufen tun wir, aber das reicht nicht. Es geht darum, über ein paar Dinge nachzudenken. Und zwar die Basiselemente Emotion und Leidenschaft."



Der Europameister von 1996 schlüpfte wieder in seine vermeintliche Lieblingsrolle als leidenschaftlicher Motzki und vehementer Mahner. Fast genau ein Jahr nach seiner Kritik im Anschluss an den 2:0-Sieg der Bayern in Bremen ("Lätschern!"). Im Vorjahr beantwortete die Mannschaft seine Forderung nach mehr Gier und Galligkeit mit einer Saison voller Rekorde und dem Triple als krönendem Abschluss.

Jetzt nahm sich Sammer erneut das Team und dessen Einstellung vor: "Wir haben fünf Titel in den letzten 14 Monaten geholt. Franck Ribery ist Europas Fußballer des Jahres. Vielleicht kriegen wir den auch noch zum Weltfußballer. Das ist so eine Scheinwelt. Und das gefällt mir nicht. Wir sind nach all den Erfolgen wieder bei null. Wir müssen in die Gänge kommen! Raus aus der Komfortzone!"

"Wir verstecken uns alle hinter dem Trainer"



Er bemängelte am biederen Auftritt gegen die Niedersachsen die schwache Zweikampfbilanz - und hat damit Recht (). Die Bayern gingen trotz ihrer Wiesn-Kluft nicht kernig genug in die Duelle Mann gegen Mann und entschieden nur 45 Prozent davon für sich. Dass besonders in der ersten Hälfte Entschlossenheit und Schwung fehlten und der Dreier erst einer deutlichen Leistungssteigerung nach der Pause zu verdanken war, wussten auch die Spieler.

"Der Trainer muss jedes Mal eine Brandrede halten. Das kann nicht sein", so Sammer über die jüngsten Kabinenansprachen. Apropos Pep Guardiola: "Jeden Tag geht es: Pep hin, Pep her. Pep hoch, Pep runter. Und wir finden das alles so prima, dass wir sagen: Ach Mensch, wir stehen ja alle ein bisschen weniger in der Verantwortung. Wir verstecken uns alle hinter dem Trainer", kritisierte Sammer, der immerhin zugab, dass "das nur unterbewusst abläuft".

Den Hype um Startrainer Guardiola lässt er genauso wenig als Ausrede gelten wie das Fehlen von Stars wie Bastian Schweinsteiger, Mario Götze, Javier Martinez und Thiago ("Nicht ins Weinerliche verfallen"), die Positionswechsel einiger Profis - so agierte gegen Hannover der etatmäßige Rechtsverteidiger Lahm als Sechser - oder Systemänderungen. "Das ist alles Alibi-Käse."

Weckruf vor den "Vollgas-Wochen"



Sammer will "die letzten zwei, drei Prozent" herauskitzeln und seinen Ausbruch keineswegs als kalkuliert verstanden wissen. Die Lage vor den von Präsident Uli Hoeneß ausgerufenen "Vollgas-Wochen" ist ihm wirklich ernst. "Wir befinden uns an einem Zeitpunkt der Saison, wo Dortmund letztes Jahr alles verschenkt hat", sagte der 46-Jährige. Seit dem Remis in Freiburg fehlen den Münchnern in der Liga zwei Punkte auf den makellosen Tabellenführer BVB.

Am Dienstag startet der Titelverteidiger gegen ZSKA Moskau in die Champions League (Bayerns Gegner im Stenogramm). "Der Auftakt ist immer wichtig, gerade wenn man zuhause spielt. Wir wollen drei Punkte einfahren", sagte Lahm gegenüber bundesliga.de. Nach Sammers Wutrede wird ein Sieg alleine nicht reichen.

Aus München berichtet Tim Tonner