Außer Rand und Band: Gladbach-Coach Lucien Favre (l.) und sein Team feiern den Last-Minute-Treffer in Leverkusen
Außer Rand und Band: Gladbach-Coach Lucien Favre (l.) und sein Team feiern den Last-Minute-Treffer in Leverkusen

Riesige Möglichkeiten

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Leverkusen - Nach zuletzt drei sieglosen Partien in Serie hat Borussia Mönchengladbach beim zurück in die Erfolgsspur gefunden. Trotz mittlerweile 11 Punkten Vorsprung auf einen Nicht-Champions-League-Rang gibt man sich im Lager der "Fohlen" zum Thema "Königsklasse" weiterhin zurückhaltend. Man schaue nur von Spiel zu Spiel. In diesem Fall auf das Pokal-Halbfinale am Mittwoch gegen den FC Bayern.

"Letzte Saison hätten wir so ein Spiel verloren"

Inzwischen ist es schon ein "Running-Gag". Während seine Mannschaft klar auf Champions-League-Kurs liegt, wird Lucien Favre nicht müde, daran zu erinnern, dass es sich um das gleiche Team handelt, das in der vergangenen Saison fast abgestiegen wäre und erst in der Relegation gegen Bochum den Klassenerhalt geschafft hat.



Dabei hat die Art und Weise, wie die Borussen mittlerweile durch die Liga marschieren, rein gar nichts mehr mit den Auftritten der vergangenen Spielzeit zu tun. Unter Favre hat sich die Elf vom Niederrhein zu einem Top-Team entwickelt, das sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen scheint und auch enge Spiele durch "Last-Minute-Tore" gewinnt.

"Letze Saison hätten wir ein Spiel wie dieses verloren. Inzwischen sind wir so gefestigt, dass wir bis zum Ende dagegen halten und kurz vor Schluss sogar das Siegtor erzielen können", erklärte Innenverteidiger Dante, seines Zeichens Chef der mit nur 16 Gegentoren - gleichauf mit Dortmund - besten Abwehr der Liga.

Favre sprintet bis zur Eckfahne



Nach dem Ausgleichstreffer, bei dem Bayers Stefan Kießling einen Abpraller von Gladbachs Torwart Marc-Andre ter Stegen verwertete, schien die Werkself dem Sieg sogar näher zu sein. Bis Favre seinen Joker zog. Von Marco Reus perfekt in Szene gesetzt, sorgte der eingewechselte Igor de Camargo in der 88. Minute für die Entscheidung und wunderte sich danach, dass sein Trainer plötzlich neben ihm zum Jubeln an der Eckfahne stand.

Der sonst so besonnen wirkende Übungsleiter war von seiner Trainerbank losgesprintet, um mit seinen Spielern und den Fans zu feiern. "Ich bin fit und könnte noch mitspielen", sagte er hinterher gut gelaunt.

"Der Trainer hat mir zum Tor gratuliert. Das war sehr schön", sagte de Camargo, der sich mit seiner Rolle als Bankspieler nur schwer anfreunden kann. "Natürlich will ich immer spielen, aber der Trainer entscheidet", äußerte der 29-Jährige. Dennoch ist der Belgier bei der Borussia der Mann für die wichtigen Tore. In der besagten Relegation brachte er im Hinspiel durch sein 1:0-Siegtor in der dritten Minute der Nachspielzeit seine Mannschaft in eine gute Ausgangsposition.

"Nicht gut fürs Herz"



Auch mit Siegtoren gegen Bayern München kennt er sich aus, sorgte er doch am ersten Spieltag durch seinen Treffer für den sensationellen 1:0-Auswärtserfolg beim Rekordmeister. Klar, dass er sich am Mittwoch im Pokalhalbfinale eine Wiederholung wünscht: "Es muss nur nicht wieder ein Tor in letzter Sekunde sein. Das ist nicht so gut fürs Herz."

"Für viele ist es das Spiel ihres Lebens. Ich möchte unbedingt ins Finale nach Berlin. Das wäre ein Traum. Dafür werden wir alles geben", kündigte Dante an. "Letzte Saison sind wir fast abgestiegen. Nun sind wir Dritter und können ins Pokalendspiel kommen. Das ist unglaublich, vor allem auch für unsere Fans."

"Nicht freuen, konzentriert bleiben!"



"Für uns war es sehr wichtig, wieder mal ein knappes Spiel zu gewinnen. Wir sind nach dem Ausgleich nochmal zurückgekommen, das zeichnet die Mannschaft aus", sagte Martin Stranzl, der für den gesperrten Tony Jantschke auf der ungewohnten Rechtsverteidiger-Position spielte, während Roel Brouwers im Abwehrzentrum agierte.

"Unser Vorsprung auf Platz 5 ist jetzt groß und natürlich wollen wir den halten. Das ist eine riesige Möglichkeit für uns. Aber eine andere riesige Möglichkeit ist das Pokalspiel gegen Bayern. Wir sollten uns jetzt nicht zu sehr freuen, sondern weiter konzentriert bleiben", mahnte der Österreicher.

Madrid oder Barcelona statt Bochum



Ob Trainer Favre bei einem Einzug ins DFB-Pokal-Finale die Euphorie weiter bremsen kann, ist fraglich. "Die Fans sollen aufhören zu träumen", hatte er nach den zuletzt drei sieglosen Spielen noch vor einigen Tagen gesagt. Klar, als Trainer hat er schon zu viel erlebt. Er legt daher allen nahe, auf dem Boden zu bleiben und von Spiel zu Spiel zu denken.

Wenn seine Mannschaft in den nächsten Wochen aber so weitermacht, wird der Schweizer früher oder später in seinen Gedanken Bochum durch Madrid oder Barcelona ersetzen können. Die Fans haben dies schon längst getan.

Aus Leverkusen berichtet Markus Hoffmann