Gerard Houllier ist Mitglied der technischen Studiengruppe der FIFA und hat bei der WM kaum ein Spiel verpasst
Gerard Houllier ist Mitglied der technischen Studiengruppe der FIFA und hat bei der WM kaum ein Spiel verpasst

Houllier: DFB-Elf hat die Krönung verdient

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Köln - Gerard Houllier hat fast kein Spiel bei der Weltmeisterschaft verpasst. Seit Beginn des Turniers in Brasilien ist der ehemalige Trainer des FC Liverpool und von Olympique Lyon als Mitglied der technischen Studiengruppe der FIFA tätig. Bei bundesliga.de spricht Houllier über die Stärken der Deutschen, verrät, welche Spieler ihn bisher besonders beeindruckt haben, und betont die entscheidende Rolle des FC Bayern München.

bundesliga.de: Monsieur Houllier, sind Sie überrascht, dass die deutsche Nationalmannschaft im Finale der Weltmeisterschaft steht (Infografik)?

Gerard Houllier: Nein, nicht wirklich, denn mit dieser Nation war von Anfang an zu rechnen. Deutschland war schon immer eine Turniermannschaft, die weit kommt. Ich habe gleich beim ersten Spiel gegen Portugal festgestellt, dass sich die DFB-Elf perfekt auf dieses Turnier vorbereitet hat. Die Mannschaft wirkt extrem fokussiert auf ihr Ziel. Deutschland ist eine Maschine, die nie aufhört, sich zu bewegen. 2006, 2008, 2010 und 2012 waren sie nah am Ziel und sind nun wieder soweit, ein großes Turnier zu gewinnen.

bundesliga.de: Was imponiert Ihnen bei der deutschen Mannschaft bisher am meisten?

Houllier: Seit der EM in Polen und der Ukraine hatte ich nicht viele Spiele der Deutschen gesehen, aber in Brasilien gefallen mir viele Aspekte: Sie spielen sehr, sehr gut, sie stehen kompakt. Sie spielen auch mit viel Kreativität, sie begeistern die Massen durch ihre attraktive Spielweise. Vor allem die Effektivität ist unglaublich, aber das ist alles andere als reiner Zufall. Dieses Team hat mittlerweile eine große Erfahrung, insbesondere was die großen Turniere betrifft. Aber Deutschland spielt auch mutig und immer wieder nach vorne. Der Mumm kann bei diesem Turnier den Unterscheid ausmachen.       

bundesliga.de: Welche deutschen Spieler gefallen Ihnen?

Houllier: Im Gegensatz zu Nationen wie Argentinien mit Lionel Messi, Brasilien mit Neymar oder den Niederlanden mit Arjen Robben, überragt die DFB-Elf durch ihr Kollektiv. Sie ist eine Einheit und spielt als Mannschaft. Natürlich spielt dabei Thomas Müller eine große Rolle. Seine fünf Treffer kommen nicht von ungefähr. Durch seine Unbekümmertheit und seine Unberechenbarkeit ist Müller für jeden Gegner höchst unangenehm zu spielen.

bundesliga.de: Mit 16 WM-Treffern hat Miroslav Klose den Rekord von Ronaldo gebrochen...

Houllier: Und vor ihm ziehe ich meinen Hut. Klose hat es verdient. Er ist zwar 36 Jahre alt, aber immer noch topfit und spritzig. Ein toller Spieler.

bundesliga.de: Die WM wird stark von den Spielern des FC Bayern geprägt. Sind Sie überrascht?

Houllier: Seit 2010 spielt der FC Bayern in Europa eine tragende Rolle. Dieser Verein ist top aufgestellt und das wird auch weiter so laufen. Manuel Neuer ist eine Bank im Tor. Auch Bastian Schweinsteiger ist nach mehreren Verletzungen wieder in bester Verfassung und für die DFB-Elf eine Säule, vor allem durch seine Erfahrung. Seine Spielintelligenz und seine technischen Fähigkeiten sind für die Mannschaft wichtig. Außerdem ist es von großer Bedeutung, dass Joachim Löw auf diesen Bayern-Block setzen kann. Dadurch ist seine Elf besser eingespielt. (Paul Breitner: "Bayern-Block tut gut")

bundesliga.de: Gibt es auch Nicht-Bayern-Spieler, die Sie schätzen?

Houllier: Klar, zum Beispiel Sami Khedira, der nach seiner Knieverletzung wieder der Alte ist. Ein echter Kämpfer! Auch Mats Hummels hat sich durchgesetzt. Er repräsentiert den modernen Innenverteidiger: Robust in den Zweikämpfen, technisch stark, sehr gute Spieleröffnung und wichtig bei Standardsituationen im gegnerischen Strafraum.

bundesliga.de: Wäre es also verdient, dass Deutschland zum ersten Mal seit 1990 Weltmeister wird?

Houllier: Wenn man die letzten Jahre betrachtet, dann auf jeden Fall. Dieses Team spielt seit mittlerweile acht Jahren zusammen. Was seine Entwicklung und sein Potenzial betrifft, wäre es nun an der Reihe, gekrönt zu werden. Dann würde diese Generation definitiv in die Geschichte eingehen.

Das Gespräch führte Alexis Menuge