Auch das gehört zu seinem Job: Peter Reichert (l.) verteilt Kopfhörer an die blinden Zuschauer (© imago)
Auch das gehört zu seinem Job: Peter Reichert (l.) verteilt Kopfhörer an die blinden Zuschauer (© imago)

Aus dem Strafraum in den Fanblock

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Stuttgart - Früher schoss Peter Reichert Tore. 42 in 139 Bundesligaspielen von 1981 bis 1986. Heute "spielt“ der Stürmer wieder für den VfB Stuttgart. Diesmal als "Fanbetreuer“. Seit 2004 ist Mittelstürmer Reichert wieder mitten drin. Sein Aufgabenfeld - zusammen mit den beiden Kollegen Christian Schmidt und Ralph Klenk - aber hat sich grundlegend geändert.

"Geht darum, Präsenz zu zeigen"

Denn jetzt sitzt Peter Reichert im Büro. Dabei mag der 52-Jährige Angreifer der Meistermannschaft von 1984 keine Bürojobs. "Ich brauche den direkten Umgang mit Menschen, den ganzen Tag nur im Büro zu sitzen, das wäre nichts für mich“, sagt Reichert, Ex-Fußballprofi und beim VfB Stuttgart als einer von drei hauptamtlichen Fanbetreuern angestellt. Eine so große Abteilung leisten sich nicht viele Klubs. Reichert hat seinen "Traumjob“ bekommen, den, bei dem er nicht immer im Büro sitzen muss.

Der "große Blonde“ ist für die sozialen Projekte des VfB und der Fans zuständig. Er kümmert sich um die Sorgen und Nöte der Rollstuhlfahrer, betreut das Projekt "kicken und lesen“ sowie das „Mit Spaß und Spiel gegen Drogen und Gewalt“ in Schulen, das in Zusammenarbeit mit der Polizei abläuft und große Resonanz findet.

"Es geht darum, Präsenz zu zeigen, für den VfB zu werben, aber vor allem darum, aufzuklären und die Jugendlichen auf bestimmte Situationen vorzubereiten“, sagt der Fan-Frontmann. Reichert und Kollegen sind neben den Profis auch bei den VfB-Amateuren im Einsatz und kümmern sich um die Traditionsmannschaft.  Und sie machen Besuche in der Kinder Krebsnachsorge-Klinik Tannheim oder im Stuttgarter Kinderkrankenhaus "Olgäle“.

Reicherts Telefon klingelt. Eigentlich tut es das den ganzen Tag. Termine mit der Tradition-Mannschaft, Fans, die sich melden, um die Fahrt zum nächsten Auswärtsspiel zu besprechen. Oder sie stehen in Kontakt zu ihrem Fan-Betreuer-Kollegen anderer Clubs. Bei den Kollegen Klenk und Schmidt geht es nicht anders zu. Das Herz der Fan-Betreuerzentrale gleich neben der Mercedes-Benz-Arena hört nie auf zu schlagen.

Die Geschichte hinter der Geschichte

"Wir haben intensiven Kontakt zu vielen Menschen, das macht den Job so intensiv und interessant“, sagt Reichert. Er und seine Kollegen sehen sich als „Dolmetscher“, Mediatoren und Vermittler. Sie sind Bindeglied zwischen Fans und Verein. Wo es vor einigen Jahren rund 30 Fanklubs gab, sind es heute über 320 beim VfB Stuttgart. Die Arbeitszeiten der Fan-Betreuer sind, um es vorsichtig auszudrücken, "flexibel“.  Das schreckt Reichert und Co nicht ab. Im Gegenteil. "Wer im Fußball arbeitet, weiß, dass Freitags nicht Schluss ist“, sagt Reichert.

"Du lernst die Welt der Fans besser als vorher kennen“, meint der Ex-Profi. "Sie leben oft ganz für ihren Verein. Ich habe großen Respekt vor dem, was sie alles tun und welchen Einsatz sie bringen. Das geht weit über Fußball hinaus.“ Peter Reichert kann sich derzeit kaum einen spannenderen Job vorstellen. "Früher als Profi hat man sich viel mehr mit anderen Dingen beschäftigt, weil es logischerweise ums nächste Training Spiel ging. Als Fanbetreuer aber lernst du die Geschichte hinter den Gesichtern kennen“, erzählt Reichert.

Aktiv spielt Peter reichert übrigens weiterhin Fußball. Nicht mehr im großen Stadion, aber als "Chef“ der Stuttgarter Traditions-Mannschaft ist er mit dem gleichen Einsatz am Werke wie früher.

Oliver Trust