Bayer-Kapitän Simon Rolfes (l.) rechnet seiner Mannschaft trotz der Heimniederlage gegen Lissabon noch Chancen auf das Weiterkommen aus
Bayer-Kapitän Simon Rolfes (l.) rechnet seiner Mannschaft trotz der Heimniederlage gegen Lissabon noch Chancen auf das Weiterkommen aus

"Nicht in die Hose machen"

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Leverkusen - Nach der 0:1-Heimniederlage im Hinspiel der Europa League gegen Benfica Lissabon stehen die Chancen von Bayer Leverkusen, das Achtelfinale zu erreichen, nicht gut.

Dennoch glaubt der Leverkusener Mannschaftskapitän Simon Rolfes im Interview, dass die "Werkself" das Blatt in Portugal noch wenden kann. Wichtig wäre vor allem ein Sieg in der Bundesliga gegen den FC Augsburg im Spiel davor.

Frage: Herr Rolfes, Bayer Leverkusen hat in der Europa League das Hinspiel gegen Benfica Lissabon mit 0:1 verloren. Wie schätzen Sie die Ausgangssituation eine Woche vor dem Rückspiel in Portugal ein?

Simon Rolfes: Wenn man im Europapokal zuhause mit 0:1 verliert, ist das denkbar ungünstig. Es ist aber noch nicht alles verloren. Wir haben auch schon auswärts gute Leistungen gebracht. Unser Problem ist derzeit, dass wir gut spielen, auch viele Chancen herausarbeiten, aber die zu wenig nutzen. Wir sind dann vielleicht etwas unkonzentriert und nicht kompromisslos genug. Wenn wir das abstellen, haben wir auch in Lissabon eine Chance.

Frage: In der 60. Minute vergab Michal Kadlec eine Riesenchance zur Führung, fast im Gegenzug fiel das Tor. Was lief da falsch?

Rolfes: Die Situation war symptomatisch. Wir dürfen nach der Ecke nicht so offen stehen, dass wir in Unterzahl einen Konter bekommen. Wir hatten noch die Chance, den Ball zu klären. Das gelingt uns nicht. Und dann macht der Cardozo es gut.

Frage: War das der Unterschied zwischen einer abgezockten Truppe, die vor kurzem noch Champions League gespielt hat und Bayer 04?

Rolfes: Die sind Dritter in der Gruppe geworden. Benfica ist ohne Frage eine gute Mannschaft. Das haben sie gezeigt, sie haben viele technisch gute Spieler. Aber davor brauchen wir uns nicht in die Hose zu machen.

Frage: Die "Werkself" hat wieder passabel gespielt, sich aber auch wieder nicht belohnt. Ist das momentan das größte Problem?

Rolfes: Definitiv. Ein 1:1 wäre wichtig gewesen. Aber so ist nun die Situation. Wir müssen vorne und hinten konsequenter agieren. Unsere Spielanlage ist besser als in der Hinserie, auch wenn die Ergebnisse leider nicht stimmen. Jetzt müssen wir es in die Köpfe kriegen, hellwach in dieser Situation zu sein.

Frage: Viele Beobachter haben sich beim Anblick der Startelf gegen Lissabon gefragt, ob Bayer 04 die Priorität auf die Bundesliga setzt. Bei Spielern wie Michal Kadlec hatte man den Eindruck, dass er Spielpraxis bekommen sollte.

Rolfes: Ich glaube nicht, dass dies unter dem Motto "Spielpraxis sammeln" geschah. Natürlich ist die Konstellation so, dass man nicht innerhalb von drei Tagen zweimal mit der gleichen Elf spielen kann. Man muss versuchen, einen Kompromiss zu finden. Die Spieler, die neu reingekommen sind, sind teilweise gestandene Nationalspieler. Man sollte deshalb nicht davon reden, dass dieses Spiel nur mit halber Kraft angegangen wurde. In solchen Spielen können sich die Spieler auch zeigen und beweisen. Die ganze Saison wollen alle immer in den Europapokal-Wettbewerb. Haben sie ihn dann erreicht, wollen sich alle irgendwie halb durchschlawinern? Nein. Ich nicht. Ich will weiterkommen. Deswegen müssen wir nach Lissabon fahren, um dort zu gewinnen. Wir werden dort mit einer Toptruppe auflaufen.

Frage: Ist das 0:1 im Rückspiel noch aufzuholen?

Rolfes: Natürlich. Im Europapokal hat es schon alles Mögliche gegeben. Wir sind selbstbewusst genug, nach Lissabon zu fahren, um das Ergebnis noch zu drehen. Wir haben in der Hinserie, als wir sehr effizient waren, gezeigt, dass es auch anders geht. Wir haben ja keine Leistungskrise, sondern eine Ergebniskrise. Das ist definitiv so. Wir müssen das jetzt in der Bundesliga gerade rücken und gegen Augsburg einen Dreier holen. Dann fahren wir nach Lissabon und sind gespannt, was da noch geht.

Frage: Nach nur einem Tag Pause geht es wie von Ihnen bereits angesprochen in der Bundesliga gegen den FC Augsburg. Wie gehen Sie mit der besonderen Situation um?

Rolfes: Das ist sicher nicht alltäglich. Aber wenn der Kopf stimmt, ist der Körper in der Lage einiges zu leisten. Es wird eine Frage des Willens und der mentalen Einstellung werden. Unabhängig von der Konstellation müssen wir am Samstag drei Punkte holen. Das ist definitiv unser Ziel. Wir haben ein Heimspiel, wir waren bislang sehr heimstark. Wir haben noch gute Spieler auf der Bank, die noch reinkommen können. Wahrscheinlich wird es den einen oder anderen Wechsel geben. Wir sind gefordert, voll da zu sein.

Frage: Kann man gegen Augsburg einen Sieg erzwingen?

Rolfes: Vielleicht schaffen wir einmal, einen "dreckigen" Sieg einzufahren. Wichtig ist, dass der Knoten jetzt platzt und wir wieder einmal ein Spiel gewinnen. Wir haben immer gut gespielt, dann haperte es im Abschluss. Wir kriegen viele Chancen und müssen dann, wenn sie da sind, hundertprozentig konzentriert sein. Wir müssen heiß darauf sein, sie zu nutzen. Wir haben eine gute Spielanlage. Nach vorne sieht es gut aus, hinten müssen wir auch mal einen Ball auf die Tribüne hauen. Das haben wir in München gemacht und am Ende gewonnen. Da hat sich jeder gefreut, auch wenn es nicht schön war.

Frage: Augsburg hat sicher nicht die ganz große Qualität. Wo lauern die Gefahren bei diesem Gegner?

Rolfes: Man darf den Gegner nicht unterschätzen. Die Augsburger stehen ein bisschen mit dem Rücken zur Wand und sind deshalb besonders gefährlich. Wir haben schon ein schweres Hinspiel in Augsburg gehabt. Da haben wir uns schwer getan. Wir sind gewarnt. Wir müssen auf unsere Leistung schauen und sie defensiv und offensiv abrufen. Dann bin ich überzeugt, dass wir das Spiel gewinnen. Es gab wenig Spiele in dieser Saison wie das letzte Heimspiel gegen Dortmund, in denen wir eine Topleistung abgerufen und trotzdem verloren haben. Das Dortmund-Spiel war das einzige Spiel. Es liegt an uns.

Aufgezeichnet von Tobias Gonscherowski