Von wegen Pfosten: Stefan Kießling sichert sich in Hamburg mit seinem Treffer zum 1:0-Sieg die Torjäger-Kanone
Von wegen Pfosten: Stefan Kießling sichert sich in Hamburg mit seinem Treffer zum 1:0-Sieg die Torjäger-Kanone

Kießling und der Kinderzimmer-Kanonenplan

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Hamburg - Stefan Kießling wollte sie am liebsten alle umarmen. Seine Mannschaftskollegen, die Funktionäre von Bayer Leverkusen, aber auch die Journalisten wurden nach dem unter großem Jubel abgeklatscht. Endlich war er am Ziel angekommen. Mit dem "Tor des Tages" in der Imtech Arena sicherte er sich die Torjägerkanone der Bundesliga. 25 Treffer, so oft hat in der Vereinsgeschichte Leverkusens noch niemand in einer Spielzeit eingenetzt.

Zuschlag im zweiten Versuch

Nach Ulf Kirsten, dem das Kunststück gleich drei Mal gelang, ist er auch erst der zweite Bayer-Profi, der die ausgefallene Trophäe mit nach Hause nehmen durfte. "Die Torjägerkanone kommt ins Kinderzimmer", meinte "Kieß" mit einem Lächeln. Ob sich Sohn Taylor-Joel oder Tochter Hailey-Milu darüber freuen werden, wird sich zeigen.



2010 war Kießling schon einmal ganz dicht dran, treffsicherster Spieler der Bundesliga zu werden. Damals schoss Wolfsburg Edin Dzeko am letzten Spieltag sein 22. Saisontor und verwies Kießling (21) auf den 2. Platz.

Bis dahin verlief die Entwicklung des 1,91 Meter großen Angreifers zwar nicht kometenhaft, aber zumindest wie aus dem Lehrbuch. Der im oberfränkischen Lichtenfels geborene Kießling begann seine Profi-Laufbahn beim 1. FC Nürnberg. Am 26. April 2003 feierte er beim Hamburger SV als Einwechselspieler sein Bundesliga-Debüt.

Nach dem Abstieg der Franken konnte sich Kießling in der 2. Bundesliga langsam an die Startelf herantasten. Es folgte der sofortige Wiederaufstieg des FCN. Kießling war fortan im Sturm gesetzt. Traf erst drei und 2005/06 zehn Mal ins Schwarze. Das reichte, um Michael Skibbe davon zu überzeugen, ihn an den Rhein zu lotsen.

"Beste Entscheidung meines Lebens"



"Der Schritt nach Leverkusen fiel mir nicht leicht, da ich in Nürnberg eine tolle Zeit hatte. Aber unterm Strich war es eine der besten Entscheidungen meines Lebens", blickte Kießling mit einem weinenden und einem lachenden Auge zurück.

In sieben Jahren bei der "Werkself" hat er nun 98 Tore geschossen. Eine außergewöhnliche Quote. Dass er es dennoch "nur" auf sechs Einsätze in der Nationalmannschaft gebracht hat, wird in Fußball-Deutschland schon seit langem kontrovers diskutiert.

"Die Konkurrenz ist in den vergangenen 50 Jahren noch nie so groß gewesen. Wir haben unwahrscheinlich viele gute Stürmer. Aber die Weltmeisterschaft ist erst in einem Jahr. Und wenn irgendetwas passieren sollte, weiß der Bundestrainer, dass er in Leverkusen einen Top-Angreifer findet", brach Sportchef Rudi Völler mal wieder eine Lanze für seinen Vorzeigeathleten.

Hobbykoch mit Defensive-Faible



Dabei sind es nicht nur die Tore, die den 29-Jährigen auszeichnen. In der Mannschaft ist er vor allem auch für seine aufopferungsvolle Arbeit in der Defensive beliebt. "Stefan ist ein kompletter Stürmer. Er läuft und ackert und hat einen großen Anteil daran, dass wir uns für die Champions League qualifiziert haben", erklärte der spanische Rechtsverteidiger Daniel Carvajal bei bundesliga.de.

Kießling gab dieses Sonderlob gerne zurück. "Die Erleichterung war bei allen sehr groß, dass wir es geschafft haben. Wenn man gesehen hat, wie sich alle mit mir über diesen Titel gefreut haben, das ist schon etwas besonders. Deshalb gehört die Torjägerkanone auch nicht nur mir, sondern der ganzen Mannschaft", sagte Kießling nach dem Sieg beim HSV.

"Erfolgsrezepte" heißt das Kochbuch, dass Kießling 2012 erst in Eigenregie privat und dann über einen Verlag veröffentlichte. Der Hobbykoch hat für seinen sportlichen Erfolg aber eine ganz einfache Erklärung.

"Man fängt immer wieder bei Null an. Wenn die Vorbereitung wieder losgeht, muss ich mich erneut beweisen. Aber wer mich kennt, der weiß, dass ich alles dafür tun werde, um mit meiner Mannschaft erfolgreich zu sein", sagte er.

Michael Reis