Enttäuschte Schalker: Julian Draxler (l.), Teemo Pukki und Co. müssen sich im Champions-League-Achtelfinale Galatasaray Istanbul knapp geschlagen geben
Enttäuschte Schalker: Julian Draxler (l.), Teemo Pukki und Co. müssen sich im Champions-League-Achtelfinale Galatasaray Istanbul knapp geschlagen geben

Keine Zeit für Depressionen

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Gelsenkirchen - Nach der Champions League ist vor der Champions League: Der FC Schalke 04 versucht auf ganz eigene Art, Enttäuschung und Ärger über die 2:3-Niederlage gegen Galatasaray und das Aus in Europa zu verarbeiten. Die Spieler wollen jetzt in der Bundesliga voll durchstarten - um ganz schnell wieder in der "Königsklasse" zu landen.

Höwedes: "Sind nicht richtig ins Spiel gekommen"

Jens Keller beugte schon wenige Minuten nach dem Spiel jeder Gefahr vor, nach dem geplatzten Traum den Kopf in den Sand zu stecken oder die grundsätzliche Arbeit der letzten Wochen in Frage zu stellen. "Es gibt jetzt keinen Grund, in Depressionen zu verfallen", schrieb der Cheftrainer Spielern, Vorstand und Anhängern ins königsblaue Stammbuch.

Dabei konnte auch Keller seinen Ärger darüber nicht verhehlen, dass seine Mannschaft gegen diesen Gegner auf diese Weise ausgeschieden war. "Wir haben jegliche Aggressivität vermissen lassen, die Konzentration war nicht da. Jeder hat gemeint, dass es auch mit zehn Prozent weniger geht", schimpfte der Coach. Und tatsächlich machte Schalke genau den Fehler, den an gleicher Stelle nur drei Tage zuvor Borussia Dortmund im Derby gemacht hatte - man verschlief schlichtweg eine Halbzeit und investierte zu wenig.



"Da sind wir überhaupt nicht richtig ins Spiel gekommen. Wir waren nicht bereit, die nötigen Extra-Meter zu machen", ärgerte sich auch Benedikt Höwedes über den Mangel an Laufbereitschaft, Willen und Leidenschaft. Das habe dazu geführt, dass "wir nicht gut in die Zweikämpfe gekommen sind und nicht konsequent verteidigt haben. Und wir haben zwei Tore kassiert, die normalerweise absolut zu verhindern sind."

Gleich zwei Mal patzte Schalke in der Defensive entscheidend, Istanbul nutzte das eiskalt aus. Erst durfte ausgerechnet der Ex-Schalker Hamit Altintop unbedrängt aus der Distanz schießen, dann ließ sich Höwedes von Burak Yilmaz düpieren und auch Timo Hildebrand fehlte die nötige Entschlossenheit. "Wir haben zwei dumme Gegentore kassiert, bei denen wir zwei Mal geschlafen haben", brachte es Roman Neustädter auf den Punkt.

Zumindest der Mannschaftskapitän wollte die Fehler nach der Partie nicht mit fehlender Cleverness entschuldigen. "In der ersten Halbzeit war es ganz klar die Laufbereitschaft, die gefehlt hat, nicht die Cleverness. Es fehlte der unbedingte Wille, das eigene Tor zu verteidigen", meinte Höwedes. "Wir haben nicht mit dem aufgetrumpft, was uns in den letzten Wochen so stark gemacht hat."

Leistungssteigerung nach der Pause kommt zu spät



Tatsächlich erinnerte sich Schalke erst ab der 46. Minute an alte Tugenden. Aggressives Pressing gepaart mit viel Kampfgeist, ein schnelles Umschaltspiel und mitreißende Leidenschaft - "das war unser wahres Gesicht", meinte Keller.

Warum Schalke das aber erst so spät zeigte, darüber herrschte allgemeine Ratlosigkeit. "Ganz ehrlich, dafür habe ich auch keine Erklärung. Wir hatten uns sehr viel vorgenommen", schüttelte Hildebrand (Interview) den Kopf. Und Höwedes gestand, "dass ich selbst nicht weiß, warum wir das nicht eher geschafft haben. Ich hatte vorher davor gewarnt, aber wir haben es einfach nicht hinbekommen, den Schalter schnell umzulegen."

Der Verteidiger wäre aber ein schlechter Kapitän, hätte er nicht auch in der Stunde der Enttäuschung versucht, seine Mannschaft aufzubauen. Und so bescheinigte Höwedes der Schalker Elf "in den letzten Wochen einen sehr, sehr positiven Trend. Es war auch eine gute, erfolgreiche Saison in der Champions League. Es bleibt viel Positives, das wir mitnehmen können. Und natürlich sind auch solche Spiele wie gegen Istanbul ein großer Ansporn, dass wir zumindest Platz vier und damit die Qualifikation für die Champions League wieder erreichen."

Hildebrand: "Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen"



Dass die Schalker Blut geleckt haben und in Europas "Königsklasse" auch in Zukunft wieder mitmischen wollen, daran ließen auch die anderen Spieler keinen Zweifel. Acht Spiele, dabei nur eine einzige Niederlage - das macht Lust auf mehr. "Jedes Spiel in diesem Wettbewerb ist ein echtes Highlight", schwärmte der junge Julian Draxler.

Auch Hildebrand richtete den Blick noch in der Nacht nach dem Aus nach vorn: "Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen. Wir haben als Vierter in der Bundesliga eine richtig gute Ausgangsposition. Wenn wir in den nächsten Spielen wieder mutig und aggressiv auftreten, können wir die Qualifikation für die Champions League schaffen."

Schon am Samstag in Nürnberg wollen die Schalker unter Beweis stellen, wie ernst es ihnen mit ihrem neuen, alten Ziel ist. Nur einmal noch wird bei ihnen vorher wohl ein wenig Frust aufkommen. Am Freitag, wenn das Viertelfinale der "Königsklasse" ausgelost wird. Ohne den FC Schalke 04.

Aus Gelsenkirchen berichtet Dietmar Nolte