Thomas Schaaf ist ein Freund des offensiven Fußballs. Am Ende muss für den neuen Trainer von Eintracht Frankfurt aber auch das Ergebnis stimmen
Thomas Schaaf ist ein Freund des offensiven Fußballs. Am Ende muss für den neuen Trainer von Eintracht Frankfurt aber auch das Ergebnis stimmen

"Nur schöner Fußball - das reicht nicht!"

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Frankfurt - Nach 14 Jahren als Cheftrainer des SV Werder Bremen startet Thomas Schaaf ins seine erste Saison mit Eintracht Frankfurt. Im zweiten Teil seines Interviews mit bundesliga.de wagt er einen Ausblick auf die Premieren-Saison mit den Hessen, erklärt, welchen Fußball er spielen lassen möchte und wirft einen Blick auf die Leistungen bei der WM.

bundesliga.de: Sie müssen damit leben, dass die Eintracht in diesem Sommer nahezu die halbe Stammelf der vergangenen Saison verloren hat; kommt Ihnen zugute, dass Sie solche Szenarien aus Bremen kennen und damit umzugehen wissen?

Schaaf: Ich glaube tatsächlich, dass wir bei der Eintracht mehr Veränderungen erleben, als ursprünglich vielleicht geplant waren. Man wusste zwar, dass der eine oder andere gehen würde. Aber letztlich sind die Veränderungen doch größer ausgefallen. Jetzt muss man schauen, wie man mit dieser Situation umgeht. Aber Sie haben Recht: Mir ist deshalb gewiss nicht angst und bange. Es wird ganz sicher etwas nachkommen. Die Frage ist, wie schnell wir das realisieren können.

bundesliga.de: Lassen sich, was die Möglichkeiten betrifft, Werder und die Eintracht vergleichen...

Schaaf: Ich muss gestehen, dass ich selbst bisher überhaupt nicht verglichen habe. Das ist nicht mein Ding.

bundesliga.de: ...und müsste eine Standort wie Frankfurt einem wie Bremen oder auch Hannover - dorthin ist mit Joselu der erfolgreichste Eintracht-Torschütze der vergangenen Saison gewechselt - nicht überlegen sein?

Schaaf: Ich bin überzeugt, dass die Eintracht gute Voraussetzungen hat. Der Klub verfügt über ein tolles Stadion und einen guten Zuschauerzuspruch. Man kann hier auf eine Vereinsführung setzen, die in den vergangenen Jahren sehr seriös gearbeitet und die Dinge immer wieder konstruktiv angepackt hat. Selbstverständlich wünscht man sich dann, dass sich das Umfeld, das in einer Banken-Metropole wie Frankfurt ohne Frage gegeben ist, noch weiter engagiert. Wir wissen aber, dass man notwendige Gelder mit gutem und erfolgreichem Fußball auch einspielen kann. Und je mehr Menschen wir für uns begeistern und mitreißen können, desto größer sind die Chancen, dass das Engagement im Umfeld weiter wächst.

bundesliga.de: Guter Fußball ist für Sie immer auch offensiver Fußball...

Schaaf: Voraussetzung ist, dass wir Spaß und Freude an den Dingen haben, mit denen wir uns tagtäglich beschäftigen. Das Training soll jeden Tag Freude machen, damit die Identifikation hoch ist. Selbstverständlich soll das Resultat unserer Bemühungen so gut aussehen wie möglich - aber auch so erfolgreich sein wie möglich! Nur schönen Fußball anzubieten, das reicht heute nicht. Schönes Spiel, aber kein Erfolg - das will niemand sehen. Man hat diese Diskussion nach dem Algerien-Spiel der Nationalmannschaft gerade erst erlebt. Die Balance muss stimmen.

bundesliga.de: Nicht nur, aber gerade dann, wenn finanzielle Mittel nicht ausreichen, ist der eigene Nachwuchs gefragt; wie schätzen Sie diesbezüglich die Situation ein?

Schaaf: Gerade erst habe ich mit unseren Jugendtrainern, etwa mit Uwe Bindewald und Alexander Schur gesprochen. Und ich bin davon überzeugt, dass wir in einer guten Situation sind. Luca Waldschmidt haben wir für die neue Saison als Stürmer längst auf der Rechnung. Großes Potenzial haben aber zum Beispiel auch Marc-Oliver Kempf und Marc Stendera, die beide bei der U19-EM dabei sind. Und wir werden auf jeden Fall einige U19-Spieler mitnehmen ins Trainingslager, wo sie die Chance bekommen sich zu beweisen.

bundesliga.de: Wenn Sie die aktuellen Voraussetzungen - großer Zuschauerzuspruch und solides Wirtschaften hier, Verlust der halben Stammelf dort - zugrunde legen, wie sieht dann das Saisonziel der Eintracht aus?

Schaaf: Wichtig scheint mir zunächst, dass alle verstehen, dass wir vom ersten Tag an in dieselbe Richtung marschieren müssen. Je schneller wir zusammenfinden, desto eher werden wir auch guten Fußball abliefern, der uns selbst und darüber hinaus auch unsere Fans zufriedenstellt. Das beinhaltet selbstverständlich, dass wir versuchen wollen, so schnell wie möglich genügend Punkte zu sammeln, um uns in eine sichere Position zu bringen. Das wird schwer genug.

bundesliga.de: Mit Makoto Hasebe hat die Eintracht den Kapitän der japanischen Nationalelf und damit einen sehr erfahrenen Spieler verpflichtet. Ist Hasebe als Kopf der Elf geplant?

Schaaf: Bruno Hübner hatte Hasebes Verpflichtung initiiert, noch bevor ich zur Eintracht gekommen bin. Eine Verpflichtung, der ich aber absolut zustimme.

bundesliga.de: Bei der WM in Brasilien konnten Japan und Hasebe nicht glänzen; insgesamt aber haben sich Befürchtungen, das Klima könne guten Fußball kaum zulassen, nicht bestätigt. Sind Sie überrascht vom Tempo und der Intensität der meisten Spiele?

Schaaf: Ich muss gestehen, dass ich, anders als früher, im Vorfeld nur schwer Begeisterung und Vorfreude für diese WM aufbringen konnte. Das mag aber auch mit meiner persönlichen Situation und der Tatsache zusammenhängen, dass ich die Finalspiele in der Champions League und in der Europa League besucht habe und so andere Dinge im Kopf hatte. Mittlerweile aber bin ich begeistert von den zum großen Teil fantastischen Partien, wie etwa Belgien gegen USA. Unglaublich, was hier geboten wird an Tempo, Einsatz und Bereitschaft! Fantastisch auch, dass die meisten Teams den Gedanken vom Offensiv-Fußball jederzeit umsetzen. Ich freue mich jedenfalls auf jede einzelne Begegnung, die jetzt noch ansteht.

bundesliga.de: Haben Sie irgendetwas gesehen, dass auf eine neue Entwicklung im Fußball schließen lässt?

Schaaf: Nein. Ich glaube, dass wir diesbezüglich an eine Grenze gestoßen sind. Noch einmal betonen muss man aber die Rückkehr zum Offensiv-Fußball. Das war so nicht vorauszusehen.

bundesliga.de: Wer hat Sie bisher überrascht, wer vielleicht auch enttäuscht?

Schaaf: Über Enttäuschungen spricht man nicht gerne (lacht), aber Spanien und Italien hatte ich doch weit vorne gesehen. Top-Fußball geboten hat dagegen zum Beispiel Chile. Und auch die Schweiz hat mir gut gefallen. Das Ausscheiden gegen Argentinien war doch wahnsinnig knapp, wenn man bedenkt, dass Dzemaili in der letzten Minute an den Pfosten köpft, ihm der Ball noch einmal an das Scheinbein springt und von dort ganz knapp neben das Tor geht. Eine unglaubliche Dramatik!

bundesliga.de: Wie gefällt Ihnen die deutsche Mannschaft, die erneut im Halbfinale einer WM steht?

Schaaf: Sehr gut! Selbstverständlich gibt es im Laufe eines solchen Turniers Schwankungen, das ist völlig normal. Niemand hat wohl im Sinn gehabt, Manuel Neuer so einzusetzen wie gegen Algerien. Wenn das dann aber so gut passt, ist das doch wunderbar. Die deutsche Mannschaft ist erfolgreich, sie nimmt auch die schweren Hürden, und ihre große Qualität blitzt immer wieder auf. Jogi Löw hat absolut Recht, wenn er nach dem Algerien-Spiel darauf hinweist, dass man sich lieber darüber freuen solle, wieder unter den besten Acht der Welt zu sein, als ständig etwas Negatives zu suchen. Mittlerweile sind wir sogar erneut unter den besten Vier der Welt! Und ich bin wirklich gespannt auf das Halbfinale gegen Brasilien!

Das Gespräch führte Andreas Kötter

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