Hannovers Präsident Martin Kind geht nach den Eindrücken der Vorbereitung "erwartungsfroh und entspannt in die neue Saison"
Hannovers Präsident Martin Kind geht nach den Eindrücken der Vorbereitung "erwartungsfroh und entspannt in die neue Saison"

96-Präsident Kind: Überzeugt von Korkut

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Hannover - Der Start ist gelungen. Nach guten Testspiel-Ergebnissen, u. a. gegen Lazio Rom und Werder Bremen, hat Hannover 96 auch die Pokalhürde bei den Amateuren von Astoria Wallorf genommen.

Im Interview mit bundesliga.de spricht Präsident Martin Kind über die Neuzugänge bei 96, über die veränderte taktische Ausrichtung der Mannschaft und über die Zielsetzung für die kommende Saison.

bundesliga.de: Herr Kind, am Wochenende startet 96 gegen Schalke in die neue Saison. Wie sehen Sie Ihr Team aufgestellt?

Martin Kind: Zunächst ein kurzer Rückblick: Die vergangene Saison war eine kritische, die aber als Tabellenzehnter noch versöhnlich abgeschlossen werden konnte. Daraufhin haben wir die sportliche Situation deutlich analysiert und haben aus dieser Analyse eine neue Transfer-Strategie abgeleitet. Umgesetzt haben wir diese Strategie in der Folge mit der Verpflichtung von Joselu, Kiyotake und anderen. Das sind Spieler im Alter von 23 bis 25 Jahren mit Bundesliga-Erfahrung, die aber auch noch Entwicklungspotenzial haben und zudem ausgestattet sind mit einer Vertragslaufzeit von vier Jahren. Das gibt uns eine hohe Planungssicherheit.

bundesliga.de: Hat die vergangene Saison die zuvor sehr positive Entwicklung von 96 gehemmt?

Kind: Das glaube ich nicht. Ein solches Jahr können wir problemlos wegstecken. Wirtschaftlich war das überhaupt kein Problem und sportlich war es in letzter Konsequenz vielleicht sogar hilfreich. Denn alle - gerade auch ein Trainer, der neu beginnt - müssen lernen, mit Niederlagen zu leben und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Das ist Tayfun Korkut eindrucksvoll gelungen. Deshalb ist das vergangene Jahr für uns vielleicht sogar ein gewonnenes Jahr.

bundesliga.de: Korkut hat sich in einer schwierigen Situation durchgebissen und konnte nun erstmals eine Mannschaft nach seinen Vorstellungen formen; sehen Sie sich in Ihrer Wahl bestätigt, die manch einem im Winter noch als riskant erschien?

Kind: Als wir uns im Winter für eine Trennung von Mirko Slomka entschieden hatten, standen in der Folge drei Trainer in der engeren Auswahl. In den persönlichen Gesprächen war Tayfun Korkut der Trainer, der mich mit seiner Persönlichkeit, mit seiner klaren Sprache und seiner deutlichen Zielsetzung sehr beeindruckt hat. Selbstverständlich ist eine solche Entscheidung ein Stück weit auch eine Bauchentscheidung. Aber ich war immer überzeugt, dass Korkut ein sehr guter und ein sehr starker Trainer ist, der zudem als ehemaliger Top-Profi die Sprache der Spieler spricht und sich sehr schnell in der Bundesliga erfolgreich etablieren kann. Und ich sage ihm eine große Entwicklung in der Bundesliga voraus.

bundesliga.de: Hannover hat eine gute Vorbereitung absolviert mit Siegen u. a. gegen Lazio Rom, und auch die Pokal-Hürde bei den Amateuren von Astoria Walldorf wurde genommen...

Kind: Es ist Korkut trotz vieler neuer Spieler gelungen, bereits wieder ein funktionierendes Team mit hoher Motivation zu formen. Deshalb kann ich durchaus sagen, dass ich erwartungsfroh und entspannt in die neue Saison gehe.

bundesliga.de: In der Tat sind jeweils mehr als zehn Spieler gekommen bzw. gegangen, das ist ein gewaltiger Umbruch. Glauben Sie, dass die Mannschaft trotz guter Testspiele und des Erfolges im Pokal im harten Liga-Alltag Anlaufzeit braucht?

Kind: Ich teile Ihre Einschätzung, dass Testspiele eine endgültige Einschätzung nicht zulassen. Die Vorbereitung ist aber sehr professionell gelaufen, so dass ich optimistisch bin, dass wir auch in der Bundesliga eine sehr leistungsstark und hoch motivierte Mannschaft erleben werden. Trotzdem wird eine echte Standortbestimmung erst nach den ersten vier, fünf Spielen möglich sein.

bundesliga.de: Vor allem in der Offensive war der Aderlass mit den Abgängen von Huszti, Diouf, Ya Konan und Rudnevs besonders groß. Trotz der Verpflichtungen Joselu und Kiyotake scheint es schwierig, diesen Verlust hundertprozentig kompensieren zu können?

Kind: Man muss dabei berücksichtigen, dass wir eine etwas andere taktische Ausrichtung haben, als noch in der vergangenen Saison. Mit Joselu haben wir jetzt einen Stürmer, der immer wieder von den Außenbahnen so eingesetzt werden soll, dass er seine Torgefahr wirkungsvoll umsetzen kann. Und Kiyotake bringt die Qualität mit, ein Huszti-Ersatz sein und Joselu richtig positionieren zu können.

bundesliga.de: Sie sprechen die neue Ausrichtung an, die 96 taktisch variabler machen soll: Werden solche Entscheidungen intern auch mit Ihnen diskutiert, oder ist das alleine Sache der sportlichen Leitung?

Kind: Ich bin in diese Überlegungen und schließlich auch in den Entscheidungsprozess eingebunden, weil ich den wirtschaftlichen Rahmen definieren muss. Trotzdem ist Voraussetzung, dass Trainer und Sportdirektor sagen "Das soll ab jetzt unser Spiel sein".

bundesliga.de: Sind die Personalplanungen jetzt abgeschlossen, oder suchen Sie ganz bewusst noch für die eine oder andere Position?

Kind: Wir wollen tatsächlich noch einen Spieler verpflichten, geben uns aber Zeit bis zum 31. August. So können wir die Erfahrungen aus den ersten Pflichtspielen in unsere Überlegungen einfließen lassen.

bundesliga.de: Sie hatten vor zwei, drei Jahren die Hoffnung geäußert, dass sich 96 dauerhaft im oberen Tabellendrittel etablieren kann. Waren die Erwartungen zwischenzeitlich vielleicht zu früh zu groß?

Kind: Entwicklungen muss man gerade im Fußball immer auch als längeren Prozess verstehen. Und das tue ich selbstverständlich. Wir führen auch aktuell wieder eine interne Diskussion um unsere Ziele. Deshalb möchte ich Ihnen meine Position erklären: Wenn wir viel Geld investieren, muss man das natürlich mit Zielen verbinden, die über die rein realistische Zielvorstellung hinausgehen. Denn Weiterentwicklung bedarf immer auch gewisser Visionen. In dieser Saison wollen wir daher einen einstelligen Tabellenplatz erreichen, immer aber mit dem Blick nach vorne...

bundesliga.de: ...in Richtung Europa League.

Kind: Genau. Denn in der kommenden Saison möchten wir uns dann schon deutlich weiterentwickeln. Allerdings  man sollte auch anmerken, dass sich unsere Wettbewerber in der Liga ebenfalls weiterentwickeln. Es wird in Zukunft also gewiss nicht leichter, ein solches Ziel zu erreichen.

Das Gespräch führte Andreas Kötter