Ingo Anderbrügge, einst unter Huub Stevens für Schalke aktiv, glaubt, dass sein ehemaliger Trainer der richtige für den VfB Stuttgart ist (© imago)
Ingo Anderbrügge, einst unter Huub Stevens für Schalke aktiv, glaubt, dass sein ehemaliger Trainer der richtige für den VfB Stuttgart ist (© imago)

Anderbrügge: "Man darf Stevens nicht enttäuschen"

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Köln - Drei Jahre lang - zwischen 1996 und 1999 - war Huub Stevens der Trainer von Schalke-Legende Ingo Anderbrügge. Zusammen feierten sie den größten internationalen Triumph der "Königsblauen", den Gewinn des UEFA-Cups im Jahr 1997. Ingo Anderbrügge kennt den neuen Stuttgarter Trainer bestens und traut ihm im Interview mit bundesliga.de zu, den VfB vor dem Abstieg zu retten.

bundesliga.de: Herr Anderbrügge, Ihr ehemaliger Trainer Huub Stevens ist seit knapp zwei Wochen Trainer des VfB Stuttgart und damit wieder zurück in der Bundesliga. Freuen Sie sich darüber?

Ingo Anderbrügge: Ja, ich freue mich, dass Huub Stevens wieder in der Bundesliga arbeitet. In meinen Augen ist er generell immer noch ein Trainer, der auch im etwas höheren Alter attraktiv für die Bundesliga ist, weil er auch aktuell denkt. Er hat in seiner Trainerkarriere sehr jungen und aber auch älteren Spielern sehr viel mitgeben können. Ich glaube, dass er nach wie vor ein Trainer ist, der sehr professionell und akribisch arbeitet und mit seiner Art, Fußball spielen zu lassen, sehr wichtig ist. Er hätte sicher nicht gedacht, dass ihn sein Ausspruch "Die Null muss stehen", so lange und mit einem eher negativen Touch verfolgen wird. So war er auch als Trainer in einer Schublade. Dabei hat er den Defensivspielern nie verboten, über die Mittellinie zu gehen oder aufs Tor zu schießen. Als ehemaliger Spieler weiß ich, dass er anders denkt, als die Öffentlichkeit ihn wahrnimmt.

bundesliga.de: Glauben Sie, dass er der richtige Trainer für die Schwaben ist?

Anderbrügge: Das kann ich als Außenstehender nur pauschal beantworten. Das können nur die Leute vor Ort beurteilen. Fredi Bobic hat Huub Stevens als Spieler bei Hertha BSC erlebt. Wenn er ihn dann zum VfB holt, wird er seine Gründe haben, warum er gerade ihn holt. Im Abstiegskampf ist eines sehr wichtig: Ordnung und Disziplin müssen stimmen. Die wird Huub Stevens einfordern. Insofern glaube ich, dass er der richtige Trainer sein kann.

bundesliga.de: In Stuttgart wirkt die Mannschaft sehr verunsichert. Ist er jemand, der einem Spieler die Angst nehmen kann?

Anderbrügge: Huub Stevens wird auf die Spieler zugehen und versuchen, ihnen die Angst zu nehmen. Er behandelt sie erst einmal alle gleich. Als Spieler darf man allerdings einen Fehler nicht machen. Man darf ihn nicht enttäuschen. Egal in welcher Form. Das kann außerhalb des Platzes sein, das kann nach erfolgreichen oder weniger erfolgreichen Spielen beim Interview sein. Ein Spieler darf einen Trainer nicht enttäuschen, weil dann das Vertrauen weg ist. Stevens geht ganz freundlich und gefühlvoll mit jedem Menschen um und versucht, sich in jeden Menschen hineinzuversetzen.

bundesliga.de: Wie schafft er es, ein Vertrauensverhältnis zu den Spielern aufzubauen?

Anderbrügge: Da fällt mir ein Beispiel aus meiner aktiven Zeit ein: Vor meinem Elfmeter beim Elfmeterschießen im UEFA-Cup-Finale 1997 in Mailand hatte ich die letzten beiden Elfmeter in der Bundesliga verschossen. Das hatte es vorher nie gegeben. Nach dem Abpfiff suchte Stevens dann die Elfmeterschützen. Auf einem kleinen Zettel hatte er nur die Zahlen 1, 2, 3, 4 und 5 notiert. Aber hinter der 1 stand Ingo, hinter allen anderen Zahlen nichts. Er zeigte mir nur den Zettel. Das war wie ein Schulterklopfen und ein Zeichen: "Für mich bist du klar." Das sind so die kleinen Dinge. Stevens war selbst Spieler, er ist menschlich und kann sich wie gesagt in Menschen hineinversetzen. Deshalb spricht er immer davon, dass die Mannschaft Vertrauen haben muss. Ich habe mich als Trainer auch dabei erwischt, dass ich viel von ihm angenommen habe. Die Zeit unter ihm war sehr erfolgreich.

bundesliga.de: Packt der VfB Stuttgart unter Stevens den Klassenerhalt?

Anderbrügge: Ich traue Huub Stevens zu, dass er mit dem VfB Stuttgart die Klasse hält. Ich bin sicher, dass er als Trainer die richtigen Worte finden wird und er der Richtige ist.

bundesliga.de: Kommen wir auf die Bundesliga im Allgemeinen zu sprechen. Am kommenden Dienstag steigt das Derby zwischen Ihren beiden Ex-Vereinen Borussia Dortmund und Schalke 04. Wie zufrieden sind Sie mit dem Abschneiden der beiden Rivalen?

Anderbrügge: Zu 99,9 Prozent läuft es für beide perfekt. Die Bayern marschieren einfach zu sehr. Aber Dortmund und Schalke liegen dahinter auf den Plätzen 2 und 3. Es wäre schön, wenn es umgedreht wäre. Ich denke da etwas mehr in blau, möchte meine Dortmunder Zeit aber auch in keinster Weise missen. Die Bundesliga ist in diesem Jahr unerklärlich. Schalke hat zwei klare Niederlagen kassiert und gewinnt dann anschließend wieder zwei Spiele. Ähnlich ergeht es Dortmund, das gegen Gladbach wieder ein bisschen aus der Bahn geraten ist. Es kann viel passieren. Leverkusen hatte einen ganz schlechten Lauf und bringt dann aus München das beste Ergebnis mit. Es ist sehr kurios. Den anderen Mannschaften fehlt die Stabilität über 34 Spieltage. Die Bayern sind zu gut. 

bundesliga.de: Ist diese Dominanz der Bayern gut für die Bundesliga?

Anderbrügge: Es ist gut, sich mit einer so starken Mannschaft zu messen. Vielleicht wird auch ein anderer Verein bald einmal so wütend, wie die Bayern es vor zwei Jahren waren, als Dortmund zweimal hintereinander Meister wurde. Danach hat Uli Hoeneß Gas gegeben und gesagt: "Das gucken wir uns nicht noch einmal an." So etwas motiviert auch und bringt neue Ideen. Ich glaube nicht, dass sich Dortmund, Schalke oder Leverkusen dauerhaft mit der Situation zufrieden geben werden. Diese Clubs müssen dann auch neue Sponsorenkanäle auftun, noch akribischer sein. Ich finde die Bayern eher motivierend für die Bundesliga, auch wenn ich mir eine solche Dominanz nicht immer wünschen würde. Man muss abwarten, wie es nach der WM in der nächsten Saison läuft. Und es wird sich zeigen, ob die Bayern-Spieler danach wieder voll motiviert sind.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski