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Miroslav Kadlec war in den 90er Jahren unumstrittener Führungsspieler beim 1. FC Kaiserslautern
Miroslav Kadlec war in den 90er Jahren unumstrittener Führungsspieler beim 1. FC Kaiserslautern

"In acht Jahren fünf Mal auf dem Balkon"

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München - Acht Jahre spielte er in der Bundesliga für den 1. FC Kaiserslautern. Zwischen 1990 und 1998 sammelte Miroslav Kadlec dabei als Abwehrchef der Pfälzer fleißig Titel.

Nach seinem Karriereende 2002 arbeitet der heute 47-Jährige für die Spielerberatungsagentur Sport Invest und ist für die deutschsprachigen Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz zuständig.

Im exklusiven Interview mit bundesliga.de spricht der 64-malige tschechische Nationalspieler über den Stellenwert der Bundesliga, seine Zeit beim FCK und die verflixten 14 Minuten.

bundesliga.de: Herr Kadlec, Sie kommen viel in den Stadien Europas herum. Wie gefällt Ihnen die Bundesliga auch im internationalen Vergleich?

Miroslav Kadlec: Ich bin nach wie vor regelmäßig in den Stadien der Bundesliga und schaue mir so viele Spiele wie möglich an. Die Stadien sind im Vergleich zu anderen Ländern absolut top, da gibt es Riesenunterschiede. Die Entwicklung seit den vielen Neubauten anlässlich der WM 2006 ist sensationell. Auch sportlich hat die Bundesliga enorm aufgeholt. Einige Jahre lang war sie eher durchschnittlich, nur der FC Bayern genügte höheren Ansprüchen. In den letzten zwei, drei Jahren hat sich meiner Meinung nach das Blatt gedreht. In dieser Saison kann der Vierte der Bundesliga sich ja wieder für die Champions League qualifizieren. Die Bundesliga ist wieder konkurrenzfähig verglichen mit den Topligen in England oder Spanien. Das ist eine tolle Sache.

bundesliga.de: Woran machen Sie das fest?

Kadlec: Die Bundesliga ist ausgeglichen wie keine andere Liga. In England, Spanien oder Italien sind immer die gleichen drei, vier Vereine vorne dabei, die Zuschauerzahlen liegen deutlich hinter denen der Bundesliga, die jedes Jahr steigende Zahlen verzeichnet. Auch in diesem Jahr wird das Rennen um die Meisterschaft wieder spannend.

bundesliga.de: Wie beurteilen Sie die Konstellation an der Tabellenspitze?

Kadlec: Die drei Punkte Vorsprung der Bayern auf Borussia Dortmund bedeuten gar nichts. So wie die Münchener in die Saison gestartet sind, dachte ich erst, dass sie vier Spieltage vor Saisonende den Titel perfekt machen. Aber die Lage hat sich geändert. Auch Dortmund und Schalke spielen einen tollen Fußball und haben ihren Rhythmus inzwischen gefunden. Und der BVB kann sich nach dem Aus in Europa ganz auf die Meisterschaft konzentrieren. Es bleibt offen.

bundesliga.de: Ihr Sohn Michal ist sehr erfolgreich in Ihre Fußstapfen getreten und Stammspieler bei Bayer Leverkusen. Wie aufmerksam verfolgen Sie seinen Werdegang? Schießt er schon so gute Freistöße wie Sie früher?

Kadlec: Natürlich verfolge ich seinen Werdegang ganz genau. Und er schießt die Freistöße auch schon fast so gut wie ich früher. Aber Spaß beiseite. Ich bin sehr stolz auf ihn und hätte nicht erwartet, dass aus dem Jungen so ein guter Fußballer wird.

bundesliga.de: Sein Verein hinkt allerdings den Ansprüchen hinterher.

Kadlec: Das stimmt. Bayer Leverkusen hat im vergangenen Jahr eine herausragende Saison gespielt, 68 Punkte und die Vizemeisterschaft geholt. Es war klar, dass es sehr schwierig werden würde, dies zu wiederholen, zumal nun ein neuer Trainer da ist und die Champions-League-Spiele dazugekommen sind. Trotzdem hätten sie einige Punkte mehr holen müssen. Ich kann daher den Ärger Fans nach der 0:3-Heimniederlage im letzten Spiel gegen Nürnberg verstehen.

bundesliga.de: Wie beurteilen Sie die Situation des 1. FC Kaiserslautern, bei dem Sie acht Jahre lang gespielt haben?

Kadlec: Der FCK steht vor einem schwierigen Jahr. Der starke Schlussspurt im vergangenen Jahr und Platz 7 in der Abschlusstabelle waren ja der Wahnsinn. Aber das zweite Jahr ist bekanntlich immer das schwierigere. Es wird eng, aber ich denke, dass sich die Mannschaft wieder vor dem Abstieg retten kann.

bundesliga.de: Haben Sie in der Pfalz die schönste Zeit Ihrer Karriere verlebt?

Kadlec: Ja, das kann man sagen. Ich habe dort mit tollen Leuten eine Superzeit erlebt. In den acht Jahren standen wir fünf Mal auf dem Rathausbalkon und feierten zwei Meisterschaften, zwei Pokalsiege, den Supercupgewinn, die Vizemeisterschaft, die Zweitliga-Meisterschaft. Ich habe dort alles erlebt: Abstieg, Aufstieg, Titelgewinne. Für den Verein wird es in diesen wirtschaftlichen Zeiten ganz schwer, diese Erfolge zu wiederholen. Ich bin immer wieder gerne in Kaiserslautern und treffe da alte Freunde. Vier bis fünf Spiele pro Jahre verfolge ich auf dem Betzenberg.

bundesliga.de: An welche Spiele denken Sie besonders gerne zurück?

Kadlec: Ich erinnere mich an viele große Spiele. Wir haben die Bayern zuhause 4:0 und 5:1 geschlagen, einmal ein Pokalspiel gegen Borussia Dortmund mit 6:3 nach Verlängerung gewonnen. Und in der 2. Bundesliga gab es ein ganz verrücktes Spiel gegen den SV Meppen, das wir mit 7:6 gewannen. Das war wie beim Tiebreak im Tennis.

bundesliga.de: Wer waren Ihre unangenehmsten Gegenspieler?

Kadlec: Harte Duelle habe ich mir vor allem mit "Kalle" Riedle, Fredi Bobic oder Giovane Elber geliefert. Das waren sehr gute Stürmer, bei denen man höllisch aufpassen musste. Da fallen mir auch immer die Sprüche von Otto Rehhagel: "Männer, ihr müsst eure Antennen ausfahren" war einer seiner Lieblingssätze.

bundesliga.de: Sie haben in der Bundesliga eine Reihe von Trainern erlebt und sind unter "Kalli" Feldkamp und Otto Rehhagel Meister geworden. Wie ähnlich waren sich die beiden Coaches?

Kadlec: Das waren sehr gute und auch sehr unterschiedliche Trainer. Feldkamp war mehr der härtere Hund, der aber wahnsinnig gut motivieren konnte. Otto Rehhagel hatte eine ganz andere Art. Er war irgendwie väterlicher, aber auch sehr direkt in seiner Ansprache. Der kam ohne Umweg direkt auf den Punkt. "Deine beste Szene im Spiel gestern war das Interview nach dem Schlusspfiff", sagte er gerne. Das war nicht nur Flachs. Ich habe noch Kontakt zu ihm, sehe ihn öfter bei Bundesliga-Spielen.

bundesliga.de: Zu wem haben Sie noch Kontakt?

Kadlec: Zu vielen. Ich habe mich auch vor ein paar Wochen nach dem Leverkusener Gastspiel in Kaiserslautern etwas länger mit Michael Ballack unterhalten, der als ganz junger Spieler damals zu uns kam. Wir haben viel gelacht. In Kaiserslautern sehe ich sonst immer wieder Leute wie Marco Haber, Frank Lelle, Stefan Kuntz oder neulich sogar Tom Dooley, der aus den USA angereist war.

bundesliga.de: Höhepunkt Ihrer Karriere war sicherlich die EM 1996 in England, als Tschechien bis ins Finale vorstieß. Dann erzielte Oliver Bierhoff das Golden Goal...

Kadlec: Damals haben uns nur 14 Minuten gefehlt. Aber im Nachhinein war das ganze Turnier eine Riesengeschichte für uns. Wir sind als krasser Außenseiter nach England gefahren und sind dann in der Hammergruppe hinter Deutschland Zweiter geworden und haben Italien und Russland ausgeschaltet. Das hatte ja vorher niemand erwartet.

bundesliga.de: In einem halben Jahr steht die EM 2012 auf dem Programm, wieder mit einem Kadlec. Was trauen Sie Tschechien in einer Gruppe mit Polen, Griechenland und Russland zu?

Kadlec: Die Gruppe ist gefährlich. Viele Leute glauben, dass es leicht ist, in dieser Gruppe weiterzukommen. Aber das ist es nicht. Polen ist Gastgeber und hat dadurch den Heimvorteil. Und die Griechen und die Russen haben eine starke Qualifikation gespielt. In der Gruppe kann Tschechien Erster oder Letzter werden.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski