Auch das Rathaus wirbt für das Aushängeschild des Orts: den Fußballclub 1899 Hoffenheim
Auch das Rathaus wirbt für das Aushängeschild des Orts: den Fußballclub 1899 Hoffenheim

Im Herzen der Fußball-Hauptstadt

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Die Ausfahrt Nummer 33 der A 6 zwischen Heilbronn und Mannheim rückt immer näher. Weit kann es jetzt nicht mehr sein, laut Beschilderung nur noch drei Kilometer. Vorbei am "Obsthof Klaus Krebs" und eine langgezogene Rechts-Links-Rechts-Kombination später auf der Bundesstraße 45 ist es dann soweit:

"Willkommen in Hoffenheim", empfängt den Besucher ein großes Holzschild am rechten Straßenrand.

"Hauptstadt" mit 3.272 Einwohnern

Hier ist sie also, die Fußball-Hauptstadt der Republik. Das Dorf, dessen Fußballverein 1899 mit seinem Durchmarsch aus der Regionalliga als Bundesliga-Neuling seit Saisonbeginn mächtig für Schlagzeilen sorgt und in aller Munde ist.

Da macht es auch nichts, dass diese "Hauptstadt" mit 3.272 Einwohnern nur ein Stadtteil der Stadt Sinsheim ist.

Ein Haus in den Vereinsfarben

Nach Profifußball sieht es hier auf den ersten Blick aber gar nicht aus. Eher nach Schützenfest, denn an den Häusern entlang der Sinsheimer Straße baumeln kleine, blau-weiße Fähnchen.

Bei genauerem Hinsehen entpuppen diese sich dann als Sympathiebekundungen für 1899. Ein Haus auf der rechten Seite ist sogar in den Vereinsfarben angestrichen. "Sollten wir auch noch die Meisterschaft schaffen, wäre das Dach dran", sagt Bewohnerin Cornelia Breunig.

Man schmückt sich also mit den aktuellen Erfolgen der Kraichgauer. Da diese seit dem 16. August in fast schon besorgniserregender Regelmäßigkeit auftreten und die Mannschaft nach dem 15. Spieltag sogar auf Platz 1 der Tabelle führten, fällt die Identifikation leicht.

Meisterfeier ohne Balkon?

Aber wer ist das genau, der sich da mit 1899 identifiziert? Ein Spaziergang entlang der Hauptstraße muss Klarheit bringen. Dies ist allerdings leichter gesagt als getan. Denn dem neugierigen Reporter steht eine in der Großstadt in Vergessenheit geratene Zeitspanne im Weg: die Mittagsruhe.

Das örtliche Leben scheint zwischen 13 Uhr und 15 Uhr nahezu still zu stehen. Auch das Rathaus ist verschlossen. Am 23. Mai 2009 könnte sich das Team übrigens hier im Falle des Gewinns der Deutschen Meisterschaft gar nicht seinen Anhängern auf dem obligatorischen Balkon zeigen - es gibt nämlich keinen.

Ob es in den restlichen Stunden des Tages aber tatsächlich geschäftiger zugeht in Hoffenheim?

Publicity fördert Umsatz

Dann doch eine offene Tür, mitten im Ortskern. "Bistro Memo" prangt in bunten Buchstaben so einladend über dem Eingang wie das alte Dietmar-Hopp-Stadion beschützend am Hang über dem Örtchen.

Der Empfang von Cahide und Mehmet Akseven ist herzlich. Die beiden betreiben einen Imbiss, ihre Spezialitäten sind Döner und Pizza. Und selbstverständlich sind sie Fans von 1899, schließlich profitieren sie sogar vom Verein.

"Klar, unser Geschäft läuft seit dem sportlichen Höhenflug der Mannschaft besser", bestätigt Cahide einen größeren Ansturm an Gästen. Dass das türkische Ehepaar mit Zsolt Löw (Cahide) und Sejad Salihovic (Mehmet) unterschiedliche Lieblingsspieler hat, stört den Familienfrieden nicht.

In Hopps Geburtshaus

"Es kommen viele Spieler zu uns. Oder mein Mann bringt das Essen zum Trainingsgelände", erzählt Frau Akseven bei einem Glas türkischen Tee. Der Lieblingsspieler ihres Mannes hat sogar schon mal gekonnt den Dönerspieß bearbeitet. Offenbar erlaubt Trainer Ralf Rangnick seinen Profis hin und wieder die "kleinen Sünden".

Vielleicht kommt ja demnächst sogar Dietmar Hopp vorbei. "Er ist herzlich eingeladen", sagt die 27-Jährige. Immerhin ist das Gebäude das Geburtshaus des Hoffenheimer Mäzens. Im Juni 2005 kaufte das Ehepaar das Haus.

"Bei Auswärtspartien ist alles voll"

Das "Memo" ist der Fan-Treff in Hoffenheim. "Bei Heimspielen sind die meisten selbst im Stadion, aber bei Auswärtspartien ist alles voll. Bis zu 100 Leute drängeln sich dann vor den Fernseher", berichtet Frau Akseven.

Beim Spiel in Berlin haben die Gäste dann so erfolgreich "geschimpft", dass ihr Mann nun expandieren muss: "Ja, wir brauchen jetzt einen zweiten Fernseher." Ob auch die Speisekarte einen "Umbau" a la "Vedad-Ibisevic-Spieß" oder "Demba-Ba-Burger" erfährt, lässt Frau Akseven noch offen. "Aber wir haben zumindest schon bei unseren T-Shirts die Farben der TSG übernommen", sagt sie und zeigt stolz auf ihr blaues Oberteil.

Mit den Einblicken ins Hoffenheimer "Innenleben" führt der Weg des Reporters nun wieder entlang der Sinsheimer Straße Richtung Ortsausgang. Dass Stürmer Demba Ba auf dem Parkplatz am Trainigsgelände völlig frei von Starallüren noch schnell mit sichtlich Spaß an der Sache den Mannschaftsbus einweist, passt da nur ins Bild dieses sympathischen Örtchens im Kraichgau. "Auf Wiedersehen in Hoffenheim" ist von dieser Seite auf dem Holzschild zu lesen.

Aus Hoffenheim berichtet Tim Tonner