Den Blick nach oben gerichtet. Huub Stevens ist überzeugt von der Qualität seiner Mannschaft und glaubt daher fest an den Klassenerhalt
Den Blick nach oben gerichtet. Huub Stevens ist überzeugt von der Qualität seiner Mannschaft und glaubt daher fest an den Klassenerhalt

"Mangelnde Konstanz ist unser Hauptproblem"

xwhatsappmailcopy-link

Stuttgart - Der VfB Stuttgart kämpft mit aller Kraft um den Klassenerhalt. Nach einem neuen alten Trainer, Huub Stevens, der im November zurückkehrte, hat der Club nun mit Robin Dutt auch einen neuen Sportvorstand verpflichtet.

"Zu denken 'wir schaffen das schon', ist gefährlich"

Im Interview mit bundesliga.de spricht Huub Stevens darüber, warum es diesmal noch schwieriger wird die Klasse zu halten, als im Mai, er skizziert erste Maßnahmen, um den Zusammenhalt zu stärken, und er betont die Bedeutung einer seriösen Jugendarbeit.

bundesliga.de: Herr Stevens, im Mai retteten Sie den VfB vor dem Abstieg. Im Oktober trafen wir uns bei Ihnen zuhause, in Eindhoven, um für bundesliga.de Ihre bisherige Karriere Revue passieren zu lassen. Und nun sind Sie seit Ende November zurück beim VfB; wundern Sie sich trotz Ihrer großen Erfahrung bisweilen noch, wie schnell sich die Dinge im Fußball ändern?

Huub Stevens: Natürlich habe ich mich darüber gewundert (lacht)! Sonntagmittag war ich noch Gast einer Sport-Sendung und habe dort erzählt, dass es kribbeln und ich gerne wieder arbeiten würde. Dass ich aber bereits am nächsten Tag eine Verabredung mit dem VfB haben würde, hätte ich mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht träumen lassen.

"Auch das Positive an Kimmichs Verkauf sehen"

bundesliga.de: Sie sind bereits am vergangenen Samstag und damit als erster Club in die Rückrundenvorbereitung gestartet; wie haben die Spieler die Vorrunde verkraftet?

Stevens: Durch das 0:0 gegen Paderborn mussten die Spieler mit einer Enttäuschung in die Weihnachtspause gehen. Trotzdem hatte ich die Hoffnung, dass die Jungs mit freiem Kopf aus dem Urlaub zurückkehren. Und mein bisheriger Eindruck ist, dass das der Fall ist. Sie sind im Training sehr willig und geben alles. Aber wir wissen auch, dass auch das beste Training nichts zählt, wenn die Trainingsleistungen im Spiel nicht umgesetzt werden können. Gemessen wird man nur an Spielen.

bundesliga.de: Wo sehen Sie Hauptproblem der Mannschaft?

Stevens: Das Hauptproblem ist die mangelnde Konstanz. Wir müssen lernen, Rückschläge besser zu verkraften und eine Antwort geben zu können. Wenn man ein gutes Spiel macht, wie in Freiburg, muss es gelingen, diese Leistung und diese Einstellung mit in die nächste Partie zu nehmen. Daran aber mangelt es bisher.

bundesliga.de: Sie haben bereits an vielen kleinen Stellschrauben gedreht, u. a wird sehr früh am Morgen gemeinsam gefrühstückt; wie nehmen die Spieler das auf?

Stevens: Das ist ja keine Strafmaßnahme, und wir erklären den Spielern, warum wir das machen. Uns ist wichtig, dass die Jungs schon beim Frühstück miteinander kommunizieren. Zudem sollte man nicht vergessen, dass viele Spieler noch sehr jung sind. Da lässt der eine oder andere morgens gerne einmal das Frühstück aus, wenn er zum Training muss. Jeder weiß aber, wie wichtig eine ausgewogene und regelmäßige Ernährung für Profisportler ist. Das gemeinsame Frühstück bietet den Spielern also alle Voraussetzungen, um im Training ihre Leistung abrufen zu können.

bundesliga.de: Mit Robin Dutt hat der VfB seit Wochenbegin einen neuen Sportvorstand, der mittelfristig vieles neu organisieren soll; sehen Sie auch Ansatzpunkte, wo Dutt sofort helfen könnte?

Stevens: Letztlich geht es doch darum, dass der Verein wieder dorthin kommt, wo er nach unserem Verständnis hingehört, ins erste Tabellendrittel. Hier ist aber nicht nur der Trainer gefragt, sondern eben auch der Sportvorstand. Einer allein kann diese Aufgabe nicht bewältigen. Robin hat großes Wissen, nicht zuletzt als Trainer, und kann bestimmt den einen oder anderen Tipp geben. Selbstverständlich weiß er aber auch, dass ich die notwendige Erfahrung habe, um uns aus dieser Situation herauszubringen.

bundesliga.de: Besonders die Verzahnung der Jugendabteilungen mit den Profis soll Dutt vorantreiben; schmerzt der Transfer von Joshua Kimmich in diesem Zusammenhang ganz besonders?

Stevens: Natürlich. Denn ich hätte gerne mit Joshua gearbeitet. Aber man muss auch daran denken, wie sich der Verein im Fußball-Business behaupten kann. Wenn ein junger Spieler ein Angebot von einem großen Verein bekommt, in diesem Fall vom FC Bayern München, dem aktuell wohl besten Club der Welt, wird es für uns ganz schwierig, dem etwas entgegensetzen zu können. Und steht eine entsprechende Summe im Raum, kann ein Verein wie der VfB gar nicht anders als zustimmen.

"Dieser Kader hat das Zeug zum Klassenerhalt"

bundesliga.de: Dieses Schicksal teilt der VfB mit den meisten Vereinen der Liga...

Stevens: Das stimmt. Und letztlich sollte man das Positive sehen. Die Tatsache, dass der VfB einen Spieler wie Kimmich so gewinnbringend verkaufen kann und dass mit Timo Werner, Antonio Rüdiger, Timo Baumgartl oder auch Sven Ulreich weitere Spieler im Kader stehen, die aus der eigenen Jugend kommen, zeigt doch, dass beim VfB im Jugendbereich gut gearbeitet wird. Trotzdem wollen wir die Arbeit auf diesem Sektor noch weiter professionalisieren, damit es auch in Zukunft immer wieder Spieler aus der eigenen Jugend in den Profibereich schaffen.

bundesliga.de: Braucht der Kader schon jetzt, in der Winterpause, frisches Blut?

Stevens:  Wir glauben fest daran, dass dieser Kader das Zeug hat, um die Klasse zu halten. Aber es können immer einmal Situationen auftreten, etwa Verletzungen oder Sperren, die Nachbesserungen notwendig machen. Aber wir müssen auch unsere finanzielle Situation im Auge haben. Zudem halte ich es grundsätzlich für schwierig, in der Winterpause die richtigen Spieler zu finden, die sofort weiter helfen können. In der Sommer-Transferperiode ist das Risiko weitaus geringer.

bundesliga.de: Machen Sie sich Gedanken darüber, wie es im Sommer für Sie weiter geht?

Stevens: Das ist für mich zurzeit überhaupt kein Thema. Ich habe einen Vertrag unterschrieben, und weiß, dass der bis zum Sommer läuft. Dann werde ich in mich hinein horchen und schauen, wie ich mich fühle. Es wird nun mal keiner jünger. Sollte man sich nicht mehr so gut fühlen, muss man ehrlich gegenüber sich selbst und natürlich auch gegenüber dem Verein sein. Aber soweit sind wir noch nicht. Bis jetzt fühle ich mich sehr wohl und habe großen Spaß an meiner Arbeit. Und wenn das so bleibt, warum sollte ich dann nicht weitermachen?! Warten wir es einfach ab!

Das Gespräch führte Andreas Kötter