Die nackte Freude: Mainz-Knipser Adam Szalai (l.) schießt sein Team in der 90. Minute zum Sieg
Die nackte Freude: Mainz-Knipser Adam Szalai (l.) schießt sein Team in der 90. Minute zum Sieg

Heimstarke Mainzer nehmen Kurs auf Europa: "Die Fans dürfen träumen"

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Mainz - Das Stadion explodierte. Adam Szalais 2:1-Siegtreffer in der 90. Minute gegen Hannover 96 war der wohl emotionalste Augenblick des 1. FSV Mainz 05 in dieser Saison. Die Rheinhessen feierten ihn wie ein gewonnenes Endspiel. "Emotionale Fettverbrennung" nennt Stadionsprecher Klaus Hafner das notorisch. Co-Trainer Arno Michels zum Beispiel hechtete nach Szalais Treffer auf den nassen Rassen und rutschte jubelnd ein paar Meter, bevor er ein paar hysterische Luftsprünge machte.

Wetklo fliegt - Karius' großer Auftritt

Mit diesen weiteren drei Punkten nach dem Sieg unter der Woche in Frankfurt (3:1) zogen die Nullfünfer an Hannover in der Tabelle vorbei und stehen nun auf Tabellenrang 6, der am Ende zur Teilnahme an der Europa-League berechtigen würde. In der Heimtabelle steht der FSV sogar auf Platz 5, unter anderem vor Meister Dortmund – nur Bayern München holte mehr Heimsiege als die Mainzer. "Das war ein außergewöhnlicher Sieg heute. Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft", lobte Trainer Thomas Tuchel.



Das Besondere an diesem Sieg, war, dass die Mainzer nach der Roten Karte für ihren Torwart Christian Wetklo fast die gesamte zweite Halbzeit mit einem Spieler weniger agieren mussten. Wetklo hatte den Ball außerhalb des Strafraums mit der Hand gespielt (49.). Für den Routinier kam der erst 19-Jährige Loris Karius zu seinem Debüt in der Bundesliga.

Der junge Torwart verhinderte gleich mit seiner ersten Aktion ein Gegentor, als er den Ball nach einem Freistoß von Christian Pander mit einem Reflex abwehrte. "Am Anfang war ich nervös", erklärte der Nachwuchskeeper hinterher, "aber die Parade nach dem Freistoß hat mir direkt Sicherheit gegeben." Ob Karius nun auch beim nächsten Spiel für den gesperrten Wetklo im Tor stehen wird, ist allerdings fraglich.

Trainer Tuchel kann beim nächsten Auswärtsspiel in Mönchengladbach auch wieder auf den nach einer langen Verletzung genesenen Heinz Müller zurückgreifen. Müller sammelte zuletzt Spielpraxis bei der U23 der Nullfünfer. Tuchel sagt: "Wenn Müller beschwerdefrei ist, ist er auch wieder bereit für Bundesliga-Fußball."

"Plötzliche Außenseiterrolle hat uns gut getan"



Tuchel nahm nach Wetklos Platzverweis den erst 19-jährigen Shawn Parker vom Platz, der letzten Dienstag in Frankfurt bei seinem Startelf-Debüt noch brilliert hatte. Auch bei seinem zweiten Einsatz von Beginn an war Parker an der Führung der Mainzer beteiligt, 96-Torwart Ron-Robert Zieler konnte einen Schuss des Talents nur an den Pfosten lenken, Nicolai Müller traf dann im Nachschuss (10.). Nach Hannovers verdientem Ausgleich (28.) köpfte der keinen defensiven Laufweg scheuende Szalai den verdienten Siegtreffer.

Für die Mainzer war die unfreiwillige Unterzahl ein unerwarteter Glücksfall. Vor dem Platzverweis habe seine Mannschaft keine richtige Rolle für sich in diesem Spiel gefunden. "Die plötzliche Außenseiterrolle hat uns dann aber gut getan", fand Tuchel. Das empfand auch Offensivspieler Andreas Ivanschitz so: "Plötzlich war klar, dass wir es nur gemeinsam schaffen können, das Spiel nach Hause zu bringen. Jeder hat keinen Ball mehr verloren gegeben, so haben wir uns gegenseitig gepuscht", berichtete der österreichische Nationalspieler.

Mit nun 23 Punkten stehen die Mainzer hervorragend da. Doch die Spieler geben sich sehr geerdet. Ivanschitz meinte: "Wir sind jetzt sehr euphorisch, aber wir nehmen Platz 6 als Momentaufnahme. In der Heimtabelle steht der FSV sogar auf Platz 5, unter anderem vor Meister Dortmund – nur Bayern München holte mehr Heimsiege als die Mainzer. Diesen Platz zu halten, ist ein noch sehr langer Weg." Und Siegtorschütze Szalai erklärte: "Die Fans dürfen träumen, aber wir bleiben auf dem Boden. Unser Ziel bleibt das gleiche wie vor der Saison, wir wollen die Bundesliga sichern." Das dürfte den Mainzer diesmal wohl frühzeitig gelingen.

Aus Mainz berichtet Tobias Schächter