Jeffrey Bruma (r.) traf in seinem neunten Bundesligaspiel zur 1:0-Führung
Jeffrey Bruma (r.) traf in seinem neunten Bundesligaspiel zur 1:0-Führung

Hamburgs gestiegene Ansprüche

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Hannover - Wie schnell die Zeiten sich ändern! Noch vor wenigen Wochen wäre der Hamburger SV mit einem Punkt bei Hannover 96 sicherlich hoch zufrieden gewesen. Immerhin musste der Abstiegskandidat bei den heimstarken Niedersachsen antreten. Neben Hannover hat nur Borussia Mönchengladbach in dieser Saison vor eigenem Publikum noch nicht verloren.

Nach dem 1:1 am Samstag aber schaute man in ratlose Hamburger Gesichter. "Ich kann mir nicht erklären, wie wir das Spiel noch aus der Hand geben konnten. Wir hätten gewinnen müssen", so ein trauriger Paolo Guerrero. Aber trotz aller Niedergeschlagenheit im ersten Moment kehrte der peruanische Nationalstürmer nach einer kurzen Pause auf den Boden der Realität zurück - wie die meisten seiner Mitspieler: "Wenn man bedenkt, wo wir noch vor ein paar Wochen waren, dann bin ich nicht enttäuscht über das Ergebnis."

Torschütze Bruma nicht wirklich glücklich

Torschütze Jeffrey Bruma sah es ähnlich. Die 20-jährige Leihgabe vom FC Chelsea freute sich zwar "sehr über mein Tor", fragte aber fassungslos, wie man "so überlegen sein" und dann die Partie nicht für sich entscheiden könne. "Selten habe ich so viel Raum und Zeit gehabt, nach vorne gehen zu können", wunderte sich der Innenverteidiger: "Aber wir dürfen nicht vergessen, wo wir vor wenigen Wochen noch waren."

Kritischer betrachteten die Leitwölfe der Mannschaft das Ergebnis. "Wir haben nach dem 1:0 nicht abgewichst genug gespielt", stellte Marcell Jansen fest. "Wir machen noch zu viele Fehler und haben noch viel Potenzial nach oben", blickte der Ex-Nationalspieler nach vorn: "Sowohl spielerisch, als auch in der Tabelle."

"Ich ärgere mich maßlos"

Auch Heiko Westermann wollte dem 1:1 nichts Positives abgewinnen. "Wir haben auswärts den Gegner und das Spiel dominiert. Und dann machen die mit ein 'Tor des Monats" das 1:1", analysierte der Kapitän. "Da kann man nicht zufrieden sein. Ich ärgere mich maßlos über die verschenkten Punkte."

"Wir waren heiß und wollten die Partie unbedingt gewinnen", antwortete der 28-Jährige auf die Frage von bundesliga.de, warum die Mannschaft bei frostigen Temperaturen in Hannover nach der Halbzeit bereits Minuten vor dem Schiedsrichtergespann und den Gastgebern wieder auf dem Platz standen. "Wir hatten bereits nach 20 Minuten gespürt, dass hier etwas drin ist."

"In allen Belangen überlegen"

Obwohl "in allen Belangen überlegen", wie Thorsten Fink zufrieden analysierte, kamen die Hamburger nicht zum ersehnten "Dreier", aber zu der Erkenntnis, dass beim "Dino" der Liga "endlich wieder Fußball gespielt wird", wie ein Fan, der am HSV-Bus auf seine Helden wartete, erleichtert feststellte.

Und wie. Die Statistik untermauerte die Beobachtungen des Trainers. 62 Prozent Ballbesitz, 52 Prozent der Zweikämpfe gewonnen, 8:4 Ecken und 20 Schüsse aufs Tor... So oft haben die Hanseaten in dieser Saison in keinem Spiel den Ball Richtung Ziel gebracht. Trauriger Tiefpunkt war die Partie gegen Borussia Mönchengladbach. Im heimischen Volkspark bekam "Fohlen"-Keeper Marc-Andre ter Stegen in 90 Minuten gerade mal einen Ball aufs Gehäuse. Nach dem Spiel musste Trainer Michael Oenning seinen Hut nehmen.

Das war vor zwei Monaten, der HSV mit gerade mal einem Punkt Tabellenletzter. Die Interims-Trainer Rodolfo Esteban Cardoso (zwei Spiele, ein Sieg) und nach dessen Absetzung mangels Bundesliga-Lizenz, Sportdirektor Frank Arnesen, der nach dem 2:1 in Freiburg das Zepter weitergab und ungeschlagen als erfolgreichster Trainer in die HSV-Geschichte einging, holten sechs Punkte.

Ungeschlagen unter Fink

Dann übernahm der vom FC Basel an die Elbe geholte Fink. Unter der Regie des Ex-Bayern-Profis blieb der HSV in fünf Spielen ungeschlagen und verließ die Abstiegsränge. "Wir haben das erste Ziel erreicht", freute sich Fink nach seinem ersten Sieg, dem 2:0 über 1899 Hoffenheim in der Vorwoche.

Nach dem Hannover-Spiel gab der Coach das nächste Ziel vor: "Wir wollen bis zur Winterpause ins Mittelfeld vorstoßen. Dafür müssen wir die nächsten beiden Heimspiele gewinnen."

Durchaus machbar. Am kommenden Sonntag kommt der 1. FC Nürnberg in die Imtech Arena, zwei Wochen später zum Vorrundenabschluss der FC Augsburg - beide Clubs hat der HSV seit Amtsantritt von Fink in der Tabelle hinter sich gelassen.

Aus Hannover berichtet Jürgen Blöhs