Andre Hahn (l., neben Shkodran Mustafi) bei seinem ersten Training in der Nationalmannschaft
Andre Hahn (l., neben Shkodran Mustafi) bei seinem ersten Training in der Nationalmannschaft

Hahn, Haller und der Adler

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Augsburg - Gelernt hat er Autolackierer. Doch als Fußballer geht er ab wie eine Rakete - im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Nach nur 37 Bundesliga-Einsätzen erhielt Andre Hahn einen Anruf, der ihn mitten hinein in den deutschen Kicker-Adel katapultiert hat. Am vergangenen Donnerstag wurde der pfeilschnelle FCA-Rechtsaußen von Bundestrainer Jogi Löws Assistenten Hansi Flick informiert, dass er zu den 21 Spielern zählt, die das Aufgebot für das Test-Länderspiel gegen Chile am Mittwoch in Stuttgart bilden.

In der U23 des HSV gescheitert

"Ich war völlig perplex, habe gezittert", verriet der 23-Jährige, der am Samstag beim 1:1 zuhause gegen Hannover 96 Partie Nummer 38 in der Eliteklasse bestritt. Zunächst seien ihm Zweifel gekommen. "Im ersten Moment dachte ich, ich werde verarscht", sagte Hahn. "Erst als dann der Anruf von unserem Trainer und von Manager Stefan Reuter kam, die das bestätigt und mir gratuliert haben, habe ich es wirklich geglaubt."

Eigentlich hätte der am 13. August 1990 im niedersächsischen Ottersdorf nahe Cuxhaven geborene Senkrechtstarter, wie Vater Andreas, Handballer werden sollen. Doch Andre entschied sich für Fußball - ein Glücksfall, auch wenn es nicht immer danach ausgesehen hatte.

Mit 18 wechselte er vom FC Bremerhaven zum Hamburger SV. In der Regionalligamannschaft des Bundesligisten wollte er sich für höhere Aufgaben empfehlen. Nicht nur das misslang. Selbst in der U23 saß er oft nur auf der Bank - und wurde schließlich aussortiert. Gescheitert war er an Defiziten, die aus seinem fußballerischen Vorleben resultierten. "Ich hatte zuvor ja nur auf dem Land gespielt, ohne Technik- und Taktiktraining", berichtete Hahn und gestand ein: "Mir haben damals die Grundlagen gefehlt."

Über Oberneuland zur TuS Koblenz

Vom HSV ging's weiter zum Bremer Stadtteilclub FC Oberneuland. Als beim Regionalligisten das Geld knapp wurde, erwog er ernsthaft, den Profifußball Profifußball sein zu lassen und eine Lehre zum Versicherungskaufmann im Unternehmen seines Vaters zu beginnen. Doch dann meldete sich die TuS Koblenz - und Andre Hahn folgte dem Ruf des seinerzeitigen Drittligisten. Der Anfang seiner traumhaften Karriere.

Weil es bei der TuS gut für ihn lief, setzte er sich hohe Ziele. "Spätestens mit 26 Jahren will ich in der Bundesliga spielen", sagte er damals, nicht ahnend, dass er dort schon viel früher ankommen sollte. Er war gerade mal 22, als er sein Debüt in der Beletage des deutschen Fußballs gab. Beim 3:2-Sieg des FC Augsburg bei Fortuna Düsseldorf am 20. Januar 2013 wechselte Markus Weinzierl den erst zwei Tage zuvor verpflichteten Zugang in der 90. Minute ein.

Hahn: "Ich werde die Zeit genießen"

Entdeckt hatte ihn Stefan Reuter. Bei den Offenbacher Kickers, zu denen Hahn nach dem Rückzug der klammen Koblenzer aus Liga 3 gekommen war. "Wenn es die Chance gibt, einen Spieler mit diesem Potenzial zu verpflichten, muss man es versuchen", nannte der Geschäftsführer Sport des FCA den Beweggrund, Hahn von den Hessen loszueisen.

Jetzt darf er darauf hoffen, erstmals ins Trikot mit dem Adler zu schlüpfen. "Ich werde die Zeit bei der Nationalmannschaft genießen, werde alles aufsaugen, was es aufzusaugen gibt", sagte der dynamische Flügelflitzer, mit zehn Treffern der erfolgreichste Torschütze seines Teams, nach der Hannover-Partie. Ansprüche könne er natürlich keine stellen. Doch sei es bereits "eine große Ehre, mit all den Weltklassespielern trainieren zu dürfen".

Übrigens: Der letzte FCA-Kicker, der den Sprung in die Elite-Auswahl geschafft hatte, war Helmut Haller. Am 23. März 1960 gelang der mittlerweile verstorbenen Augsburger Fußball-Legende ihr erstes von insgesamt 13 Länderspieltoren. Gegen? Chile. Wo? In Stuttgart. Wenn das kein gutes Omen ist.

Aus Augsburg berichtet Reinhart Kruse