Hannovers Leistungen waren in letzter Zeit durchwachsen. Mittelfeldspieler Lars Stindl kam in insgesamt 69 Bundesliga-Einsätzen für Hannover 96 auf sechs Tore, in dieser Saison blieb er aber noch ohne Torerfolg
Hannovers Leistungen waren in letzter Zeit durchwachsen. Mittelfeldspieler Lars Stindl kam in insgesamt 69 Bundesliga-Einsätzen für Hannover 96 auf sechs Tore, in dieser Saison blieb er aber noch ohne Torerfolg

"Haben nicht die Sicherheit der vergangenen Saison"

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Hannover - "Erst mal das Positive", kam Steven Cherundolo nach dem 1:1 im Nordderby gegen den Hamburger SV den Medienvertretern zuvor. "Wir sind zuhause weiter ungeschlagen, und wir sind nach einem Rückstand zurückgekommen. Zufrieden können wir mit dem Remis aber nicht sein."

Nach dem Statement erfüllte das 96er-Urgestein (seit 1999 ein "Roter") seine Pflicht als Kapitän und stellte sich für seine Mannschaft, die das Spiel erst mal in der Kabine verdauen wollte, den Fragen.

"Haben keine Ruhe ins Spiel gebracht"

"Wir haben keine Ruhe ins Spiel gebracht und hatten zu viele Ballverluste", analysierte der 32-Jährige die Partie des "kleinen" gegen den "großen" HSV. Aber das Spiel allein interessierte kaum. Die Fragen drehten sich um das schwache Auftreten in fremden Bundesliga-Stadien, die Aussichten auf europäischer Ebene und vor allem um den Vergleich zur erfolgreichen Vorsaison.

Auch wenn Hannover eineinhalb Jahre nach dem Beinahe-Absturz in die 2. Bundesliga nach offizieller Lesart mit 20 Punkten auf Platz 8 absolut im von Trainer Mirko Slomka vorgegebenen Soll ist (ein Platz unter den ersten Zehn), so ist es doch kein Geheimnis, dass man an der Leine auch im kommenden Jahr gern auf europäischer Bühne spielen würde. Vorstandsvorsitzender Martin Kind träumt sogar von der Champions League. Eine Wiederholung von Platz 4, von dem die 96er aktuell fünf Punkte entfernt sind, würde am Ende dieser Saison zur Qualifikation für die "Königsklasse" genügen.

Seit vier Spielen warten auf einen Sieg

Doch danach sieht es bei den Niedersachsen aktuell nicht aus. Seit vier Spielen warten sie auf einen "Dreier", in der Auswärtstabelle stehen sie gemeinsam mit dem Nachbarn aus Wolfsburg mit gerade mal vier Punkten am Tabellenende und bis Europapokalplatz 6 sind es bereits fünf Punkte.

Wo liegen die Gründe? Die Mehrfachbelastung durch die Europapokalteilnahme lassen die Offiziellen des Clubs nicht als Ausrede für die bestenfalls durchschnittlichen Auftritte in der Bundesliga in den letzten Wochen gelten.

"Haben es so gewollt"

"Die Reisestrapazen halten sich in Grenzen", hatte sich Jörg Schmadtke in einem Gerspräch mit bundesliga.de über die zugelosten Clubs Standard Lüttich und FC Kopenhagen gefreut. Nur der FC Worskla Poltawa in der Ukraine war etwas umständlich zu erreichen.

Für Trainer Slomka verbietet es sich, über die Mehrbelastung zu klagen ("Wir haben es doch so gewollt und freuen uns, international dabei zu sein."), und die Spieler wie Jan Schlaudraff abwiegeln ("Auf die Doppelbelastung haben wir in der Saisonvorbereitung hingearbeitet.").

Keine Rotation

Fakt ist, die mit Abstand meisten Spieler haben bereits 22 Pflichtspiele in den Beinen, denn Slomka vertraut in allen Wettbewerben auf das Erfolgs-Team der vergangenen Saison.

Lediglich der Ex-Schalker Christian Pander schaffte den Sprung in die Stammformation. Und auch wenn die Reisestrapazen sich in Grenzen halten, die rund 60 Stunden zwischen Abpfiff des Europa-League-Spiels am Donnerstagabend bis zum Bundesligaspiel am Sonntagnachmittag sind recht kurz für Regenaration und Vorbereitung.

"Haben nicht die Sicherheit der letzten Saison"

Die Mannschaft wirkt nicht hundertprozentig frisch. Gegen den Hamburger SV war das Team nach dem 0:1-Rückstand nicht in der Lage, das Ruder herumzureißen. Die Gäste bestimmten weiterhin das Geschehen auf dem Platz und ließen in Halbzeit zwei keine Torchance zu. Das 1:1 resultierte aus einem Sonntagsschuss von Schlaudraff.

"Wir haben nicht die Sicherheit der letzten Saison", gibt Sergio Pinto zu. "Es läuft nicht so rund, da fängt man an, sich Gedanken zu machen", vermisst der Mittelfeldstratege nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Frische.

"Gegner haben sich auf unser System eingestellt"

Und die braucht Hannover 96 für das in der vergangenen Saison so erfolgreiche schnelle Umschalten von Abwehr auf Angriff. Ein Dutzend Tore und unzählige Groß-Chancen erzielten die 96er innerhalb von zehn Sekunden nach Balleroberung. Gegen die Hamburger konnte gerade mal eine Chance auf diese Art herausgespielt werden.

Zur fehlenden Frische kommt natürlich hinzu, dass "die Gegner sich auf unser System eingestellt" haben, gibt Cherundolo zu. Nicht die einzige Schwäche, die der US-Nationalspieler ausgemacht hat. "Der HSV hat sehr körperbetont gespielt. Das fehlt uns ein wenig, aber da müssen wir hin, gerade wenn wir international noch lange dabei bleiben wollen."

"Bis zur Winterpause noch mal alles geben"

Und nächstes Jahr wieder. "Dafür müssen wir bis zur Winterpause noch einmal alles geben", fordert der Kapitän "volle Konzentration auf Lüttich." Ein Punkt würde den "Roten" zum Weiterkommen genügen.

Nur gut vierzigeinhalb Stunden nach dem Abpfiff beim belgischen Meister müssen die Hannoveraner beim FC Freiburg ran. Schlechte Voraussetzungen für den ersten "Dreier" im gegnerischen Stadion seit 2:1 in Nürnberg am 2. Spieltag - dem ersten Auswärtsspiel der Saison.

Aus Hannover berichtet Jürgen Blöhs