Guido Buchwald gehörte zu den besten deutschen Verteidigern und wurde 1990 Weltmeister
Guido Buchwald gehörte zu den besten deutschen Verteidigern und wurde 1990 Weltmeister

"In der Offensive sehe ich viele Fragezeichen"

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München - Guido Buchwald ist verhalten optimistisch. Zweieinhalb Wochen vor dem WM-Auftakt der deutschen Mannschaft gegen Portugal spricht der Weltmeister von 1990 im Interview mit bundesliga.de über die Chancen der deutschen Elf, die angeschlagenen Spieler, das Überangebot an Topspielern hinter der Spitze Miroslav Klose und seine weiteren Favoriten auf den WM-Titel.

bundesliga.de: Herr Buchwald, momentan bereitet sich die deutsche Nationalmannschaft auf die Weltmeisterschaft in Brasilien vor (die Bilder aus Südtirol). Machen Sie sich angesichts einiger angeschlagener Leistungsträger Sorgen?

Guido Buchwald: Ich bin auf der einen Seite davon überzeugt, dass die angeschlagenen Spieler rechtzeitig fit werden. Ich glaube, dass Philipp Lahm, Manuel Neuer oder Bastian Schweinsteiger ihre Verletzungen auskurieren und topfit in das Turnier gehen werden. Bei Sami Khedira habe ich auch ein sehr gutes Gefühl nach dem Champions-League-Finale. Ihm fehlt noch die Spielpraxis. Aber noch sind gut drei Wochen Zeit, es gibt zwei Testländerspiele. Ich bin zuversichtlich. Aber natürlich ist es auch auf der anderen Seite kein Selbstläufer. Jeder muss bis an seine Grenzen gehen. Bei einem WM-Turnier kann man nur mit seiner besten Leistung sein Ziel erreichen. Ich sehe es nicht so negativ wie viele andere. Aber klar ist auch, dass die WM für die Nationalmannschaft unheimlich schwer werden wird.

bundesliga.de: Wie wichtig sind die beiden noch ausstehenden Testspiele gegen Kamerun und Armenien?

Buchwald: Die Spiele sind sehr wichtig, um in den Spielrhythmus zu kommen und die Automatismen, die jede Mannschaft braucht, zu optimieren. Und um zu schauen, ob sich da schon eine Startformation für die WM herauskristallisiert. Es gibt ja noch viele Fragezeichen. In den Spielen können sich sicher einige Spieler ihren Stammplatz erkämpfen.

bundesliga.de: Wo sehen Sie diese Fragzeichen?

Buchwald: Gerade auf der Sechser-Position gibt es offene Fragen. Wie weit ist Khedira, kann er spielen oder doch nicht? Auch in der Offensive sehe ich ein Fragezeichen, obwohl wir gerade dort ein Überangebot von super Spielern, die hinter den Spitzen spielen können, haben. Auf der Position hat der Bundestrainer die Qual der Wahl. Götze, Özil, Reus, Schürrle, Müller oder Podolski sind alles Spieler, die bei anderen Nationalmannschaften sicher spielen würden. Die kämpfen um drei Plätze. Das wird noch spannend und sicher auch von der Tagesform abhängen. Auch die linke Seite der Viererkette ist noch mit einem Fragezeichen versehen. Dort sind wir qualitativ aber eher unterbesetzt.

bundesliga.de: Viele Experten sind auch der Meinung, dass der Kader im Angriff mit den beiden Stürmern Miroslav Klose und Kevin Volland zu dünn besetzt ist. Sehen Sie das auch so?

Buchwald: Wenn Klose topfit bleibt, reicht es. Aber er ist auch nicht mehr der jüngste, zudem verletzungsanfällig. Es ist schon ein hohes Risiko, keinen weiteren gelernten Strafraumstürmer im Kader zu haben.

bundesliga.de: Personelle Probleme haben aber auch die anderen Nationen. Wie bewerten Sie die Chancen der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Brasilien?

Buchwald: Wenn wirklich alle wichtigen Spieler ihre Fitness erreichen, sehe ich nach wie vor die Chance, dass Deutschland Weltmeister werden kann. Aber es muss dann auch wirklich in jedem Spiel alles passen. Auch die anderen Mannschaften sind nicht auf den Positionen 1 bis 11 Weltklasse besetzt. Die Konkurrenten haben auch Stars, aber auch ihre Schwächen. Für unser Trainerteam wird es darauf ankommen, diese Schwächen herauszufinden und über diese Schwächen dann das Spiel zu gewinnen.

bundesliga.de: Wer sind neben Deutschland Ihre WM-Favoriten?

Buchwald: Brasilien ist mein absoluter Topfavorit, auch die Spanier nach wie vor. Bei den Brasilianern wird sich im eigenen Land nicht der Schlendrian einschleichen. Sie werden nicht durch Unkonzentriertheiten ausscheiden. Die Qualität haben sie immer, hinzu kommen nun Konzentration und Disziplin. Außerdem sind sie die klimatischen Bedingungen gewohnt.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski