Max Eberl ist mit der Hinrunde der Borussia hochzufrieden
Max Eberl ist mit der Hinrunde der Borussia hochzufrieden

"Unsere Erwartungen sind weit übertroffen worden!"

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Mönchengladbach - Borussia Mönchengladbach hat eine hervorragende Halbserie gespielt und zudem mit bisher acht Heimsiegen in Folge einen neuen Vereinsrekord aufgestellt. Im Interview mit bundesliga.de zieht Max Eberl ein Zwischenfazit. Der Sportdirektor erklärt, warum es keinen Sinn macht, das vor der Saison ausgegebene Ziel "einstelliger Tabellenplatz“ nach oben zu korrigieren, und er vergleicht den Fußball während seiner aktiven Zeit mit dem aktuellen Geschehen.

bundesliga.de: Herr Eberl, wie fällt Ihr Zwischenfazit nach der ersten Saisonhälfte aus?

Max Eberl: Durchweg positiv! Wir haben eine sehr gute Hinrunde gespielt und uns dabei sehr stabil präsentiert. Man kann durchaus sagen, dass unsere Erwartungen weit übertroffen worden sind.

bundesliga.de: Macht sich diese Serie in einer größeren Ticket-Nachfrage bemerkbar?

Eberl: Die Auslastung des Stadions ist selbst gegen Vereine, die nicht zu den Top-Klubs der Liga zählen, sehr gut. Berücksichtigt man, dass nicht benötigte Karten für den Gästeblock nur zu einem gewissen Grad weiter verkauft werden können, darf man durchaus davon sprechen, dass nahezu die komplette Hinrunde ausverkauft war. Und da Mannschaften wie der FC Bayern, der HSV und Bayer 04 in Rückrunde noch in den Borussia Park kommen, wird der Zuschauerschnitt wohl noch steigen.

bundesliga.de: Bedeutet das für die Rückrunde eine Verpflichtung und damit möglicherweise zunehmenden Druck?

Eberl: Wir haben eine fantastische Hinrunde gespielt und stehen zu Recht auf Platz 3. Aber wir dürfen jetzt nicht anfangen, den Boden unter den Füßen zu verlieren, und sollten nicht irgendwelchen Träumereien nachhängen. Wir müssen realistisch bleiben und in der Rückrunde jedes Spiel ebenso ernsthaft angehen, wie wir das in der Vorrunde getan haben.

bundesliga.de: Stichwort Defensive: Kommt deren Leistung in der öffentlichen Wahrnehmung nicht ein wenig zu kurz im Vergleich zu den "Fantastischen Vier“ in Borussias Offensive?

Eberl: Das mag wohl sein. Aber es war im Fußball schon immer so, dass diejenigen, die die Tore schießen, weit mehr Aufsehen erregen als diejenigen, die tolle Tacklings zeigen und Tore verhindern. Die Defensive steht nur dann im Fokus, wenn es mal nicht so gut läuft. Dann heißt es, dass die Abwehr zu viele Gegentore zulässt. Wirft man aber einen unvoreingenommen Blick auf die Statistik, wird schnell deutlich, dass unsere Defensive ein ganz wichtiger Faktor für den aktuellen Erfolg ist.

bundesliga.de: Eine besondere Bedeutung kommt Granit Xhaka zu, der nach einer eher schwierigen ersten Saison zum Dreh- und Angelpunkt des Borussen-Spiels geworden zu sein scheint...

Eberl: Ich erinnere mich an ein Interview, das ich in der vergangenen Saison gegeben habe. Damals habe ich gesagt, dass Kaderplanung weiter denken muss als nur für eine Sommertransferperiode. Es braucht zwei, drei dieser Transferperioden, wenn man eine Mannschaft aufbauen will. Bei Granit haben wir gewusst und mehrfach auch gesagt, dass er noch ein sehr junger Spieler ist, dem man Zeit geben muss, sich an Bundesliga zu gewöhnen. Nicht jeder hat ihm diese Zeit aber zugestanden, als er Fehler gemacht. Umso bemerkenswerter ist, wie er sich aus dieser Situation heraus gekämpft hat. Aus meiner Sicht ist er einer der Spieler der Hinrunde. Ein Spieler, der mit unglaublicher Präsenz und großer Pass-Sicherheit einen sehr mannhaften Fußball zeigt. Und ich fühle mich ein Stück weit bestätigt, dass junge Spieler, auch wenn sie in ihrer vorherigen Liga bereits auf Top-Niveau gespielt haben, in Deutschland dennoch Zeit brauchen, um in der Bundesliga anzukommen.

bundesliga.de: Die berechtigte Festtagsstimmung bei Borussia könnte allerdings getrübt werden durch eine mögliche Entscheidung von Marc-Andre ter Stegen, seinen Vertrag nicht zu verlängern; wie schätzen Sie die Chancen ein, dass ter Stegen Borussia über 2015 erhalten bleibt?

Eberl: Zunächst möchte ich Folgendes sagen: Sollte Marc uns verlassen wollen, dann ist das ein Vorgang, wie er nun einmal immer wieder vorkommt im Profi-Fußball. Marc wäre dann ein weiterer Spieler, den Borussia an einen der Top-Clubs der Welt abgeben würde. Das ist aber nichts Außergewöhnliches. Es gibt in Deutschland nur einen Club, der dieser Gesetzmäßigkeit nicht unterliegt. Das ist Bayern München. Selbst Borussia Dortmund, in der jüngeren Vergangenheit zweimal deutscher Meister und zuletzt sogar im Champions League-Finale, muss akzeptieren, dass man Spieler wie Kagawa, Götze und wohl Lewandowski nicht halten kann. Deshalb bin ich weit davon entfernt, von einem ‚worst case’-Szenario zu sprechen. Wir würden unseren Weg auch ohne Marc unbeirrt weitergehen.

bundesliga.de: Haben Sie bereits eine alternative Lösung ins Auge gefasst?

Eberl: Natürlich wäre es uns viel lieber, wenn eine Mannschaft, die im Begriff ist sich immer besser zu entwickeln, zusammenbleiben würde. Darauf hoffen wir auch in diesem Fall. Aber wie bei allen Fällen, die die Kontinuität des Kaders betreffen, müssen wir selbstverständlich Alternativen im Kopf haben.

bundesliga.de: Könnte es in der Winterpause auch zu anderen Veränderungen im Kader kommen, etwa bei Luuk de Jong oder bei Peniel Mlapa?

Eberl: Wir haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass wir innerhalb einer Saison eine relativ stabile Kaderpolitik verfolgen. Unser Kader ist qualitativ hochwertig, aber nicht allzu groß. Und die Verletztenmisere in der Hinrunde hat gezeigt, wie schnell Engpässe entstehen können, sich damit aber auch Chancen für die Spieler bieten, die zuvor hinten dran waren. Bestes Beispiel dafür ist Julian Korb. In der Offensive hatten wir diese Sorgen zum Glück bisher nicht. Eine Garantie gibt es aber nicht, umso mehr brauchen wir Alternativen. Ich verstehe selbstverständlich, dass Luuk und Peniel andere Erwartungen an diese Saison hatten und haben, das ist völlig legitim. Sollten für die beiden wie auch für den Verein interessante Angebote kommen, beschäftigen wir uns damit und denken über Alternativen nach. Im Vordergrund muss aber immer das Wohl von Borussia Mönchengladbach stehen. Und wir werden die starke Hinrunde nur mit einem ausgeglichenen Kader bestätigen können.

bundesliga.de: Könnte einer dieser Alternativen Kevin de Bruyne vom FC Chelsea sein?

Eberl: Es ist durchaus legitim, dass wir mit vielen Namen in Verbindung gebracht werden. Und Kevin de Bruyne ist ein Weltklassespieler, der bei Chelsea momentan kaum zum Einsatz kommt, für die WM-Teilnahme aber Spielpraxis braucht. Mehr gibt es dazu aktuell nicht zu sagen.

bundesliga.de: Mehr zu sagen gibt es aber vielleicht zu Ihren Plänen, den Vertrag mit Trainer Lucien Favre vorzeitig zu verlängern; wie schätzen Sie die Chancen ein?

Eberl: Mich hat grundsätzlich überrascht, dass die Aussage, dass mit dem wichtigsten Mitarbeiter im sportlichen Bereich, der fantastische Arbeit macht, verlängert werden soll, so hohe Wellen schlägt. Dabei ist das doch alles andere als eine Überraschung, und nur das Gegenteil wäre eine große Schlagzeile wert. Lucien Favre und ich treiben in der Winterpause gemeinsam die Planung für den Sommer voran und sprechen dabei selbstverständlich auch über seinen 2015 auslaufenden Vertrag. Die Entscheidung kann aber durchaus eine Angelegenheit von Monaten statt nur von Tagen oder Wochen sein.

bundesliga.de: Inwieweit gehen Ihre Überlegungen bereits in Richtung einer möglichen Dreifachbelastung in der kommenden Saison?

Eberl: Dreifachbelastung? Schön wäre das ja! Aber damit befasse ich mich heute noch nicht. Ich denke, dass wir es auch in der in der Vorsaison gut hin bekommen haben, nachdem wir uns völlig überraschend für Europa qualifiziert hatten. Wir haben damals ganz bewusst keine verrückten Dinge gemacht. Und das werden wir auch in Zukunft nicht tun. Ganz unabhängig davon, ob auf uns eine Doppel- oder eine Dreifachbelastung zukommt.

bundesliga.de: Lassen Sie uns noch darüber sprechen, ob und wieweit sich der Fußballsport in den zehn Jahren seit Ende Ihrer aktiven Karriere verändert hat; käme der Spieler Max Eberl heute noch zurecht?

Eberl: Ich muss eingestehen, dass der Fußball noch athletischer und noch intensiver geworden ist, dass die Spielschnelligkeit noch mehr zugenommen hat und dass technische und taktische Anforderungen noch einmal gestiegen sind. Ein Spieler wie ich, der schon damals technisch ein Stück weit Probleme hatte, würde heute wohl noch größere bekommen. Da muss man ganz ehrlich sein. Ich würde es mir zwar zutrauen. Ob es aber zum Stammspieler reichen würde, das weiß ich nicht.

bundesliga.de: Lucien Favre ist ein Trainer, der die technischen und taktischen Anforderungen bis ins kleinste Detail analysiert; wundern Sie sich bisweilen noch über die Akribie Ihres Trainers?

Eberl: Nein, mittlerweile nicht mehr. Ich erlebe ihn seit drei Jahren, bin während des Spiels auf der Bank ebenso hautnah dabei wie bei seinen Spielvorbereitungen. Aber es fasziniert mich nach wie vor, wie akribisch er Spiele analysiert und die Spieler darauf einstellt, welche Situationen auf dem Platz auf sie zukommen können. Diese Akribie merkt man der Mannschaft an. Sie wird kaum einmal von irgendetwas überrascht und zeigt eine enorm widerstandsfähige Struktur im Spiel. Der Trainer legt Wert auf kleinste Details, die mir während meiner aktiven Karriere so nie nahe gebracht worden sind.

bundesliga.de: Vielleicht sollte man nach diesen drei Jahren nicht von Freundschaft sprechen, aber eine sehr große, gegenseitige Wertschätzung darf man wohl voraussetzen?

Eberl: Genauso so sehe ich es. Ich halte es für völlig normal, dass Menschen sich erst einmal beschnuppern müssen, wenn sie erstmals aufeinander treffen. Die Bundesliga ist zudem ein Umfeld, das geprägt wird von sehr viel Stress, sehr viel Druck und großer Ergebnisorientiertheit. Da ist es schwierig, enge Beziehungen aufzubauen. Aber es ist definitiv so, dass unsere Beziehung vom allerersten Tag an von großem gegenseitigen Respekt geprägt ist. Und längst haben wir auch eine Basis gefunden, die es erlaubt, nicht mehr nur über Berufliches zu sprechen.

Das Gespräch führte Andreas Kötter