Die Hoffenheimer Fans spannten Transparente, um ihre Solidarität mit Boris Vukcevic zu demonstrieren
Die Hoffenheimer Fans spannten Transparente, um ihre Solidarität mit Boris Vukcevic zu demonstrieren

"Gemeinsam für Boris"

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Sinsheim - An diesem Tag war das Ergebnis nicht wichtig, zwischen 1899 Hoffenheim und dem FC Augsburg nur von statistischem Interesse. Auch die Rote Karte des eingewechselten Sejad Salihovic in der 88. Minute nach einem bösen Foul an dem Augsburger Tobias Werner hatte nur nachrangigen Meldungswert.

Schreckensmeldung am Freitagnachmittag

Die Ankündigung einer Hoffenheimer Pressekonferenz vor dem Spiel gegen den FC Augsburg für Samstag 12 Uhr kam nachts um 0:25 Uhr. Dass dreieinhalb Stunden vor einer Bundesligapartie Journalisten zum Gespräch geladen werden, ist ungewöhnlich. Doch die Umstände zwangen den Club dazu.



Der Hoffenheimer Profi Boris Vukcevic wollte am Freitagnachmittag zum Abschlusstraining fahren. Gegen 14:15 Uhr erreichte den Verein ein Anruf der Polizei. Vukcevic kam 20 Minuten zuvor auf der B 45 zwischen Bammental und Mauer von der Fahrbahn ab und "fuhr nahezu frontal" (Polizeibericht) in einen 40 Tonnen schweren, mit Kies beladenen LKW. Die Unfallursache ist noch nicht geklärt. Die Rettungskräfte bargen Vukcevic aus dem Wrack und ein Hubschrauber brachte den Schwerverletzten in eine Heidelberger Klinik. Nach einer Not-Operation liegt der U-21-Nationalspieler seit Freitag im künstlichen Koma.

Auch nach Beendigung der Partie am Samstag war der Zustand des 22-Jährigen kritisch, eine Prognose nicht möglich. Die Fans im Stadion zeigten vor dem Spiel Banner mit Aufschriften wie: "Halte durch, Boris" oder "Gemeinsam für Boris". Die Augsburger machten sich mit T-Shirts warm, auf denen stand: "Gute Besserung, Boris." Die Hoffenheimer Profis standen nach dem Spiel alle mit einem Vukcevic-Trikot mit der Nummer 7 vor ihrer Fankurve.

"Wir sind für Boris da"



"Das war kein normales Spiel", sagte TSG-Trainer Markus Babbel. Und Kapitän Marvin Compper meinte: "Es war wichtig, dass nicht jeder seiner eigenen Wege geht. Wir wollten zeigen, dass wir für Boris da sind. Wir haben etwas ausgeübt, was Boris und uns verbindet, und was wir am meisten lieben. Wir sollten optimistisch bleiben."

Die Entscheidung trotz der schweren Verletzung des Mannschaftskollegen war am Freitagabend gefallen. Als Trainer Markus Babbel am Freitagmittag von dem Unglück erfährt, teilt er dies der Mannschaft mit. Das nachfolgende Abschlusstraining wird von dem tragischen Ereignis überschattet. Danach sei die Mannschaft ins Hotel Winzerhof nach Wiesloch Rauenberg gefahren, gegen 19 Uhr speisten die Spieler zu Abend. Anschließend diskutierten Mannschaft, Trainer, Manager und der Team-Psychologe Jan Mayer darüber, ob sie am nächsten Tag gegen Augsburg spielen sollen oder nicht.

Vukcevics Eltern geben den Ausschlag



Manager Müller hatte zuvor mit Vertretern der Deutschen Fußball Liga (DFL) gesprochen und darum gebeten, auch der FC Augsburg war informiert. "Wir hatten die Möglichkeit, das Spiel abzusagen", erklärte Müller. Entscheidend für den Beschluss trotzdem zu spielen, war das Okay der Eltern von Vukcevic, mit denen der Verein über dessen Berater in Kontakt stand.

"Die Eltern sagten, spielt für Boris", erzählte Müller. Man sei dann einstimmig übereingekommen, zu versuchen, "positive Energie" auf Boris zu übertragen. Vukcevic sei ein Kämpfer, er werde kämpfen, also tun wir das auch für ihn, sei die Meinung der Spieler gewesen, sagte Müller. "Bei der Mannschaft ist im Lauf der Diskussion die Einstellung entstanden, in deren Mittelpunkt die Hoffnung steht", erklärte Müller.

Vor dem Spiel lief das Rahmenprogramm gedämpft ab, die Musik spielte leiser als sonst üblich und die Fahnen wurden nicht geschwenkt. Die Anteilnahme anderer Bundesligavereine sei überwältigend gewesen, teilte TSG-Sprecher Holger Tromp mit.

Große Anteilnahme



Und auch via Twitter und Facebook teilten ehemalige Mitspieler, Bundesligakollegen und U-21-Nationalmannschaftskollegen ihr Mitgefühl mit. Die Bayern-Profis Luiz Gustavo, David Alaba und Jerome Boateng, sowie BVB-Star Marco Reus oder der Schalker Lewis Holtby. Auch FIFA-Präsident Joseph Blatter twitterte: "Meine Gedanken sind bei Boris Vukcevic und seiner Familie. Ich hoffe, dass es ihm bald wieder gut geht."

Babbel gab der Mannschaft erst einmal bis Dienstag trainingsfrei. "Die Spieler sollen bei ihren Familien sein und die Köpfe so gut es geht frei kriegen. Selbstverständlich haben sie jederzeit die Gelegenheit, ins Trainingszentrum zu fahren, wo immer ein verantwortlicher Ansprechpartner zur Verfügung steht", sagte Müller. Intern habe man sich unterdessen beraten, wie man mit der Situation umgehen wolle, erklärte der Manager in einer Pressemitteilung am Sonntag: "Wir wissen, dass Boris in der Klinik in den besten Händen ist und können derzeit nur hoffen, dass sich sein Zustand weiter stabilisiert."

Aus Sinsheim berichtet Tobias Schächter