Das geht ja gut los: Frankreichs Olivier Giroud (r.) netzt ein (21.), Nationaltorwart Tim Wiese ist in seinem "Wohnzimmer" Weser-Stadion geschlagen
Das geht ja gut los: Frankreichs Olivier Giroud (r.) netzt ein (21.), Nationaltorwart Tim Wiese ist in seinem "Wohnzimmer" Weser-Stadion geschlagen

Fehlstart ins EM-Jahr

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Bremen - 100 Tage vor Beginn der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine hat die deutsche Nationalmannschaft beim einzigen Härtetest vor der Nominierung des Kaders auf ganzer Linie enttäuscht. In Bremen verlor die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw gegen Frankreich mit 1:2 (0:1) und konnte dabei nicht an die glänzenden Leistungen aus der EM-Qualifikation oder bei den Prestigeerfolgen gegen Brasilien und die Niederlande anknüpfen.

Nach einer ordentlichen ersten halben Stunde enttäuschte der WM-Dritte vor allem in der zweiten Halbzeit und musste erstmals seit langem wieder ein Pfeifkonzert über sich ergehen lassen.

Wieses Negativserie geht weiter

Durch die Niederlage verpasste die ersatzgeschwächte DFB-Auswahl, die seit 1987 gegen Frankreich ohne Sieg ist, auch ein passendes Abschiedsgeschenk für den am Freitag scheidenden Präsidenten Theo Zwanziger. Eine frustrierende Serie setzte zudem Torhüter Tim Wiese fort: Die etatmäßige Nummer zwei, die in ihrem Heimstadion eine 90-minütige Bewährungsprobe erhielt, wartet auch nach dem sechsten Länderspiel auf den ersten Sieg.

Die Treffer für die zum 19. Mal in Folge ungeschlagenen Franzosen, die bei der EURO auf England, Schweden und Gastgeber Ukraine treffen, erzielten Torjäger Olivier Giroud (21.) und der eingewechselte Florent Malouda (69.), für die DFB-Auswahl verkürzte der eingewechselte Cacau erst in der Nachspielzeit (90.+1).

"Balance hat nicht gestimmt" - Löw ärgert sich

"Über so ein Spiel kann man noch viel sprechen", sagte Thomas Müller: "Es war ein bisschen undiszipliniert. In der zweiten Halbzeit hatten wir eine bisschen eine zweigeteilte Mannschaft. Wir haben die Verteidigung schön alleine gelassen." Mats Hummels erklärte: "Die Balance hat nicht immer ganz gestimmt. Nach dem 0:1 und 0:2 haben wir viele Räume offen gelassen. Die Franzosen haben nach dem 0:1 die Räume gut zugemacht, wir haben das weniger gut gemacht. Wenn alle da sind, haben wir eine überragende Mannschaft zusammen. Heute war das vielleicht noch nicht so eingespielt."

Auch Löw war nicht zufrieden: "Wenn man ein Spiel verliert, ärgert man sich. Ich ärgere mich aber auch ein bisschen darüber, wie wir es verloren haben. Im Laufe des Spiels war uns Frankreich spielerisch überlegen. Im zweiten Durchgang haben wir nicht mehr zu unserem Spiel gefunden. Deshalb war es verdient, dass Frankreich gewonnen hat."

Schürrle und Ribery verletzt raus

Verletzungspech hatten derweil Andre Schürrle und der Franzose Franck Ribery von Rekordmeister Bayern München. Schürrle musste mit einer "Abscherung des Nasenknorpels vom Nasenknochen" kurz vor Pause vom Feld. "Ich habe leichten Druck auf der Nase", sagte Schürrle, der am Samstag für Bayer Leverkusen gegen die Bayern aber wohl mit einer Maske spielen kann. Ob Ribery dann dabei sein wird, ist offen: Er verletzte sich bereits in der 3. Minute bei einem Zusammenprall mit Marco Reus am Oberschenkel, wirkte anschließend sichtlich gehemmt und musste zur Halbzeit ausgewechselt werden.

Löw hatte erstmals den Gladbacher Jungstar Reus von Beginn an aufgeboten. Auf den Außenpositionen der Viererkette erhielten Jerome Boateng und Dennis Aogo eine Bewährungschance. Im Zentrum durfte sich neben dem gesetzten Holger Badstuber der Dortmunder Mats Hummels beweisen.

Frankreich mit Konter zur Führung

Die DFB-Abwehr, in der die verletzten Per Mertesacker und Kapitän Philipp Lahm fehlten, offenbarte mit zunehmender Spieldauer aber immer mehr Unsicherheiten, schmerzlich vermisst wurde zudem Bastian Schweinsteiger. Dreh- und Angelpunkt in der zumindest offensiv guten Anfangsphase war der Ex-Bremer Mesut Özil. Über den Spielmacher von Real Madrid lief fast jeder Angriff. Aber auch Reus und Schürrle, der Lukas Podolski vertrat, sorgten für Druck. Einziges Manko: Chancen konnte sich die DFB-Elf, die letztmals vor knapp 25 Jahren (12.8.1987/2:1 in Berlin) gegen Frankreich gewinnen konnte und nun die fünfte Niederlage bei einem Remis seitdem kassierte, erst einmal nicht erarbeiten.

Das Löw-Team, das erstmals in den neuen grünen Trikots auflief, hatte sogar Glück, nach 16 Minuten noch nicht in Rückstand geraten zu sein. Nach einem Eckball stand Yohan Cabaye völlig frei, seinen Kopfball aus kurzer Distanz wehrte der von den Fans bei seinem Heimspiel gefeierte Wiese mit einem sehenswerten Reflex jedoch ab.

Überhaupt kamen die Gäste nach einem zurückhaltenden Beginn immer besser ins Spiel - und sogar zur Führung. Aogo ließ sich von Samir Nasri überlaufen, der passte auf den freistehenden Giroud. Wiese war machtlos. Deutschland wirkte anschließend geschockt. In dieser Phase fehlte die Leichtigkeit. Die Franzosen hatten deshalb kaum Mühe, die deutschen Angriffsbemühungen abzuwehren.

Zu wenig Durchschlagskraft

Nach gut einer halben Stunde drehte das DFB-Team aber wieder auf. Zunächst klärte Torwart Hugo Lloris gegen Reus. Dann parierte er dreimal in Klassemanier gegen Kapitän Miroslav Klose (zwei Mal 29. /42.), Badstuber traf mit einem Kopfball nur den Außenpfosten (33.).

Dies entpuppte sich jedoch als Strohfeuer. Nach der Pause verlor die DFB-Elf mehr und mehr den Faden. Löws personelle Wechsel - der Schalker Benedikt Höwedes kam an seinem Geburtstag als Rechtsverteidiger zum Einsatz, Boateng rückte in die Mitte, Mario Gomez ersetzte im Sturm Klose und übernahm auch die Kapitänsbinde - zahlten sich nicht aus. Harmlose Schüsse von Reus und Özil stellten für Lloris kein Problem dar.

Nach etwas mehr als einer Stunde hatte Matthieu Valbuena die Vorentscheidung auf dem Fuß, verzog aber freistehend (63.). Ausgerechnet wenige Sekunden nach der ersten deutschen Großchance von Thomas Müller, dessen Schuss an Gomez und auch knapp am Tor vorbeiflog, nutzte Malouda dann erneut große Lücken in der deutschen Hintermannschaft zum 0:2. Cacaus sechstes Länderspieltor nach Vorarbeit von Müller war wenige Sekunden vor Schluss nur noch Ergebniskosmetik.