Thomas Hitzlsperger (31) ist derzeit in Liverpool für den FC Everton aktiv
Thomas Hitzlsperger (31) ist derzeit in Liverpool für den FC Everton aktiv

"Es ist ein gutes Zeichen, dass uns die Engländer beneiden"

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München - Für das Endspiel mag sich keine englische Mannschaft qualifiziert haben, die englische Hauptstadt London spielt dennoch eine Hauptrolle am Samstagabend: Borussia Dortmund und Bayern München machen den Champions-League-Sieger im Wembley-Stadion aus, dem "Wohnzimmer" des Erzrivalen.

Der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger weiß um die Brisanz des deutschen Finales auf englischem Boden. Sieben Jahre hat er insgesamt in England gespielt, derzeit steht er in der Premier League beim FC Everton unter Vertrag. "Hier beobachten alle genau, was in der Bundesliga passiert", berichtet "Hitz the Hammer". Im Interview mit bundesliga.de spricht der 31 Jahre alte London-Kenner über den Mythos Wembley, Neid auf deutsche Nachwuchstalente und die gestiegene Wertschätzung der Bundesliga im Mutterland des Fußballs.

bundesliga.de: Herr Hitzlsperger, ausgerechnet zwei Teams aus dem ungeliebten Deutschland kämpfen im Wembley um Europas Krone. Wie nehmen die Engländer das Endspiel wahr?

Thomas Hitzlsperger: Bewunderung wäre zu hoch gegriffen, aber sie zeigen doch Achtung vor der Leistung der deutschen Teams. Ich werde hier häufig darauf angesprochen. Es ist die Bestätigung für viele, die denken, dass der deutsche Fußball den englischen bald überholen wird. Viele fragen, warum die Deutschen so viele gute junge Spieler herausbringen, während das in England nicht gelingt. Es ist ein gutes Zeichen, dass uns die Engländer beneiden.

bundesliga.de: Werden die englischen Fans das Spiel anschauen oder ignorieren? Wie tickt der englische Fußballfan in dieser Hinsicht?

Hitzlsperger: Die Fans hier interessieren sich nicht nur aus Patriotismus für Fußball, sondern auch wegen des Spiels an sich. Sie schauen: Wer ist Weltspitze, was können wir von denen lernen? Der englische Fußball ist ja nicht schlecht, Chelsea hat letztes Jahr die Champions League gewonnen und dieses Jahr die Europa League. Trotzdem kann man einiges verbessern - und die Deutschen machen es im Moment vor.

bundesliga.de: Im Viertelfinale stand kein einziger Club aus der Premier League. Glauben Sie, dass diese Saison eine Wachablösung stattgefunden hat?

Hitzlsperger: Es könnte der Anfang sein. Um wirklich von einer Wachablösung zu sprechen, ist es aber zu früh. Es ist das erste Mal seit zwölf Jahren, dass ein deutsches Team die Champions League gewinnt, englische Teams waren in den vergangenen Jahren sehr häufig erfolgreich. Die Kunst ist es, oben zu bleiben und die Leistung zu bestätigen.

bundesliga.de: Werden Sie von Teamkollegen und Trainern auf den Aufschwung des deutschen Fußballs angesprochen?

Hitzlsperger: Ich werde häufiger gefragt, wie in der Bundesliga trainiert wird, was dort anders gemacht wird. Eine Frage ist beispielsweise: Warum sind Dortmunder und Bayern so fit, warum können die 90 Minuten lang rennen? Hier beobachten alle genau, was in der Bundesliga passiert.

bundesliga.de: Sie waren beim ersten Sieg im neuen Wembley-Stadion dabei, als Sie mit der deutschen Nationalmannschaft England geschlagen haben. Inwiefern herrscht dort eine besondere Atmosphäre?

Hitzlsperger: Man spürt den Mythos Wembley. Das habe ich damals erleben dürfen und es war etwas ganz Besonderes. Es ist noch immer ein Riesen-Name im Weltfußball. Dass zwei deutsche Teams das Endspiel auf englischem Boden austragen, gibt dem Ganzen noch eine besondere Note.

bundesliga.de: Dass die "Krauts" in Englands "Wohnzimmer Wembley" spielen, ärgert die Leute also?

Hitzlsperger: Manche sind vielleicht ein wenig verbittert. Häufiger spüre ich aber, dass sie Respekt vor der Leistung zeigen und sich fragen: Was können wir abschauen?

bundesliga.de: Was könnte es denn zu sehen geben aus Ihrer Sicht? Mit was für einem Spiel rechnen Sie?

Hitzlsperger: Ich hoffe auf ein sehr offensiv geführtes Spiel mit vielen Toren. Die Bayern sind Favorit, stehen aber auch stärker unter Druck, weil sie in der Bundesliga super gespielt haben und das Triple so nahe ist.

bundesliga.de: Wie und wo werden Sie das Spiel verfolgen?

Hitzlsperger: Vergangenes Jahr war ich in der Allianz Arena, dieses Mal schaue ich mit Freunden in Deutschland entspannt vor dem Fernseher.

bundesliga.de: Ihr Vertrag bei Everton läuft noch bis zum Sommer. Wissen Sie schon, wie und wo es für Sie weitergeht?

Hitzlsperger: Das kann ich noch nicht sagen. Mit diesem Jahr war ich zufrieden, weil ich von Verletzungen weitestgehend verschont geblieben bin und einige Einsätze bekommen habe. In den Jahren vorher hatte ich viel Verletzungspech. Ich werde mich fithalten und abwarten, was nach dem Weggang von David Moyes passiert.

Das Gespräch führte Andreas Messmer