"Ein Verdienst der Leistungszentren"

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Hamburg/München - Ewald Lienen kennt sich aus in der Bundesliga. Der Außenstürmer, der für Borussia Mönchengladbach, Arminia Bielefeld und den MSV Duisburg in 333 Spielen 49 Tore erzielte, gab seine Erfahrung nach seiner aktiven Karriere auf zahlreichen Trainerstationen im In- und Ausland weiter.

"Es ist einfach schön mit anzuschauen, wie Dortmund und Mainz, aber auch Leverkusen und Frankfurt mit ihren jungen Mannschaften aufspielen", analysiert Lienen den bisherigen Verlauf der Bundesliga im bundesliga.de-Interview. Der 56-Jährige spricht zudem über die Überraschungsmannschaften, die strauchelnden Favoriten und den Klassiker zwischen seinem Ex-Club Gladbach und dem FC Bayern.

bundesliga.de: Herr Lienen, die Saison 2010/11 ist zehn Spieltage alt. Wie gefällt Ihnen die Bundesliga bislang?

Ewald Lienen: Die Entwicklung der Bundesliga ist sehr positiv. Da reicht ein Blick auf die Tabelle. Denn dort stehen nicht immer die gleichen Vereine auf den ersten Plätzen, wie es in so vielen anderen europäischen Top-Ligen der Fall ist. Das macht die Bundesliga so interessant.

bundesliga.de: Die Tabellenkonstellation an der Spitze ist aber doch ein Stück weit überraschend. Sehen Sie das auch so?

Lienen: Es ist einfach schön mit anzuschauen, wie Dortmund und Mainz, aber auch Leverkusen und Frankfurt mit ihren jungen Mannschaften aufspielen. Insgesamt ist in Deutschland zu erkennen, dass immer mehr Talente nach vorne drängen. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst der Leistungszentren, die in der Hinsicht hervorragende Arbeit leisten. Die Maßnahmen, die von den Clubs und der DFL ergriffen worden sind, greifen und jetzt werden die Früchte geerntet.

bundesliga.de: Gibt es noch andere Faktoren, die diesen Erfolg ausmachen?

Lienen: Ja, in Mainz zahlt sich die Kontinuität im Umfeld aus. Präsident Harald Strutz und Manager Christian Heidel arbeiten schon seit mehr als 20 Jahren zusammen. Das macht sich bezahlt.

bundesliga.de: Sind Dortmund, Mainz und Co. vielleicht nur so stark, weil Favoriten wie der FC Bayern schwächeln?

Lienen: Die Leistung der Bayern muss nicht diskutiert werden. Robben, Ribery, Klose, van Bommel - die Bayern müssen seit Saisonbeginn auf viele Top-Stars verzichten. Andere Mannschaften bekommen Probleme, wenn nur ein Stammspieler ausfällt.

bundesliga.de: So wie bei Stuttgart und Bremen?

Lienen: Bei Stuttgart ist es Sami Khedira gewesen, dessen Abgang nicht so einfach zu kompensieren ist. In Bremen hat der Abgang von Mesut Özil ein großes Loch gerissen. Man sieht ja, wie Real mit Özil aufspielt. Wenn dann noch mit Claudio Pizarro der wichtigste Spieler verletzt ausfällt, dann ist die Situation natürlich nicht sehr leicht.

bundesliga.de: Und was sagen Sie zum Saisonverlauf von Schalke 04?

Lienen: Auf Schalke wurde der ergebnisorientierte Fußball der Vorsaison kritisiert. Dem wollte Trainer Felix Magath Rechnung tragen. Er hat seine Defensive komplett neu gestaltet und verfolgt ein weit offensiveres taktisches Konzept als noch in der Vorsaison. Diese Umstrukturierungen gehen nicht so einfach vonstatten. Ein Christoph Metzelder hat in Madrid über Jahre nur wenig Einsatzzeit bekommen. Nun braucht er seine Zeit, um wieder sein Top-Niveau zu erreichen.

bundesliga.de: Bei Ihrem Ex-Club Borussia Mönchengladbach sieht es derzeit auch nicht so rosig aus.

Lienen: Meinen Ex-Club Borussia Mönchengladbach sehe ich aber auf einem guten Weg. Die Signale, die dort ausgesendet werden, lassen auf eine positive Zukunft blicken. Leider stimmen die Ergebnisse derzeit nicht. Und das, obwohl die Borussia in der Offensive super besetzt ist. Ausfälle wie die von Roel Brouwers und Dante machen sich dann natürlich auch bemerkbar. Aber viele der Niederlagen hätten auch genauso gut zugunsten der Gladbacher ausgehen können. Sie müssen diese Durststrecke jetzt einfach überstehen.

bundesliga.de: Und ausgerechnet jetzt ist der FC Bayern zu Gast. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Klassiker - und wie geht das Spiel aus?

Lienen: Zu meiner Zeit haben wir gegen die Münchener eigentlich fast immer gut ausgesehen. Nur einmal gab es eine herbe Pleite vor heimischem Publikum. Normalerweise sind die Kräfteverhältnisse in dieser Saison klar verteilt - aber bei diesem Spiel ist alles möglich.

Das Gespräch führte Michael Reis