Ende gut, alles gut: Nach einer packenden Partie gewinnen die Hausherren mit 5:4
Ende gut, alles gut: Nach einer packenden Partie gewinnen die Hausherren mit 5:4

Ein Sieg gegen den Druck

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Gelsenkirchen - Das Spektakel gegen Hannover mit insgesamt neun Toren hatte auch bei Jens Keller Spuren hinterlassen. Für ausgelassene Jubelsprünge reichte die Kraft beim Cheftrainer nach dem Abpfiff nicht mehr, aber auch die geballte Faust verkündete die Botschaft des : Schalke siegt sich aus der Krise - und Keller stoppt seine Kritiker.

Coach Keller hat das "absolute Vertrauen"

Es hat sicher schon angenehmere Wochen für einen neuen Trainer gegeben. Im Dezember musste Jens Keller kurzfristig noch nach dem letzten Spieltag der Hinrunde die Nachfolge von Huub Stevens antreten - und kassierte prompt die Pokalniederlage gegen Mainz. Der ausgerufene Neuanfang im Trainingslager in Katar wurde von der 0:5-Niederlage im Test gegen den FC Bayern überschattet. Was folgte, waren viele öffentliche Zweifel, auch am neuen Coach.



Er selbst habe die massive Kritik "zwar wahrgenommen, aber ich habe sie nie an mich heran gelassen", gab Keller jetzt nach dem erfolgreichen Auftakt in die Rückrunde zu Protokoll. Und auch Benedikt Höwedes betonte, es habe in der Mannschaft keinerlei Diskussionen über die angeblich schlechte Vorbereitung oder gar den Trainer gegeben: "Er hat unser absolutes Vertrauen!"

Diskutiert wurde nur außerhalb des Teams, glaubt man den Spielern. "Wir haben stattdessen sehr intensiv gearbeitet in der Vorbereitung und haben sehr viele taktische Dinge einstudiert. Wir haben versucht, uns gegenseitig das nötige Selbstbewusstsein zu geben. Der Trainer hat auch immer positive Dinge angesprochen und so versucht, uns zu stärken", erzählte Lewis Holtby.

Im Ergebnis sei die Mannschaft vor dem Auftakt gegen Hannover "richtig heiß gewesen und wollte diesen Sieg unbedingt holen". Eine Tatsache, die man in den ersten 45 Minuten der Partie allerdings noch gut verbergen konnte, als das Spiel auf beiden Seiten eher müde dahin plätscherte. "Da haben wir den Mut nach vorne vermissen lassen", kritisierte Jens Keller. Doch in der zweiten Halbzeit, als allein acht Tore für ein echtes Spektakel standen, da bewiesen die Schalker tatsächlich Beharrlichkeit und Moral.

Höwedes lobt den Charakter der Mannschaft



Nach Rückschlägen wie dem zwischenzeitlichen Ausgleich der Gäste ließen die Spieler den Kopf nicht hängen, sondern stürmten weiter. "Wir haben immer weitergespielt und uns nicht beirren lassen. Wir waren gallig und haben gefightet. Das spricht absolut für den Charakter dieser Mannschaft und für ihren Willen", lobte Kapitän Benedikt Höwedes.

Für die "Knappen" war es der erste Erfolg seit dem 10. November 2012, der erste dreifache Punktgewinn nach zuletzt sechs sieglosen Bundesligaspielen in Serie. Angesichts dieser Fakten mochte dann auch Keller "einen wahnsinnigen Druck" nicht verhehlen und zeigte sich entsprechend zufrieden: "Die Mannschaft hat schon viel umgesetzt von dem, was wir uns in der Vorbereitung erarbeitet haben."

Dass es in der Defensive allerdings noch erheblichen Steigerungsbedarf gibt, ist auch Keller nicht verborgen geblieben sein. Allein vier Gegentreffer sprechen für sich. "Da bin ich auf der Bank mehrere Tode gestorben", gestand der Coach. Teilweise herrschten chaotische Zustände in der Schalker Abwehrreihe. Dass sich sogar der erfahrene Christian Fuchs bei zwei Gegentoren düpieren ließ, registrierte auch der Trainer: "Auf der linken Seite hatten wir defensiv einige Probleme." Auch das angekündigte Pressing, das Keller seiner Mannschaft verordnen will, war gegen Hannover maximal in Ansätzen zu erkennen.

Holtby und die Hintermannschaft als Fragezeichen



Nicht nur einmal meldete während der 90 Minuten auch Timo Hildebrand noch auf dem Platz erheblichen Redebedarf an. "Die ersten zwei Gegentore haben wir einfach so hergeschenkt. Das zeigt, dass wir uns alles hart erarbeiten müssen und bei uns nichts von alleine geht." Als in der 70. Minute Pinto einmal mehr ungehindert flanken durfte und Diouf nur knapp vorbeischoss, gestikulierte der Torhüter erregt und nahm sich gleich die halbe Mannschaft zur Brust. Nach dem Abpfiff betrieben Hildebrand, Höwedes und Keller noch auf dem Platz eine Fehleranalyse.

Die wackelige Defensivabteilung der Schalker stellt das eine Fragezeichen auf dem Weg zurück auf einen Champions-League-Platz dar, die Zukunft von Lewis Holtby das andere. Gegen 96 lieferte der 22-Jährige einen Gala-Auftritt ab, krönte mit zwei Vorlagen und einem Tor seine sowohl kämpferisch als auch spielerisch überzeugende Vorstellung. Mit guter Übersicht und feinen Pässen, Dynamik und Ideen war Holtby das Herzstück der Schalker Offensive.

Es stellt sich die Frage, ob der Verein sich einen Abgang des Mittelfeldspielers nach Tottenham schon jetzt rein spielerisch überhaupt leisten kann. Jens Keller jedenfalls hat dazu eine klare Meinung: "Ich hätte ihn schon ganz gerne weiter in der Mannschaft."

Aus Gelsenkirchen berichtet Dietmar Nolte