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Jürgen L. Born entdeckte kurz vor seinem Amstantritt als Vorsitzender der Geschäftsführung des SV Werder Bremen 1999 den jungen Claudio Pizarro in Peru
Jürgen L. Born entdeckte kurz vor seinem Amstantritt als Vorsitzender der Geschäftsführung des SV Werder Bremen 1999 den jungen Claudio Pizarro in Peru

"Durch ein Loch im Zaun gezwängt"

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Köln - Jürgen L. Born war neun Jahre lang der Vorsitzende der Geschäftsführung des SV Werder Bremen. Unter seiner Leitung wurde der Club Deutscher Meister und zwei Mal Pokalsieger. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Verpflichtung des jungen Claudio Pizarro, die sich als Glücksgriff für die Bremer entpuppte.

Bei bundesliga.de spricht der ehemalige Top-Funktionär über den peruanischen Ausnahmestürmer, die kuriosen Umstände seiner Verpflichtung und Werders Entwicklung zum Spitzenclub.

bundesliga.de: Guten Tag Herr Born! Sie gelten als Entdecker von Claudio Pizarro, der gerade wieder seine große Klasse unter Beweis stellt. Wie kam seine Verpflichtung 1999 zustande?

Jürgen L. Born: Mein Arbeitsbeginn bei Werder war offiziell der 1. Juli 1999. Die Saison startete aber erst später und ich hatte noch etwas Zeit. So konnte ich noch einen Auftrag der Deutschen Entwicklungsgesellschaft annehmen. Ich sollte eine peruanische Bank überprüfen. Als ich also so in meinem Hotelzimmer in Lima saß, erinnerte ich mich an ein Länderspiel, das ich Monate zuvor gesehen hatte. Da war Claudio mir nachhaltig aufgefallen.

bundesliga.de: Es hatte mit Pizarro also gar nichts zu tun, dass Sie damals in Peru waren?

Born: Das war ein beruflicher Auftrag, aber ich entschloss mich, Claudio beim Training in Lima unter die Lupe zu nehmen. Ich bin dann zum Trainingsgelände gefahren, aber Alianza Lima trainierte unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Glücklicherweise befand sich ein Loch im Zaun, durch das ich mich durchzwängen konnte. Ich verfolgte das Geschehen versteckt hinter einer Säule. Lange brauchte ich aber nicht zu gucken, denn dieser geschmeidige Bewegungsablauf, die Schnelligkeit und die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor waren sofort erkennbar. Ich war mir sicher: Das ist einer für Werder.

bundesliga.de: Wie ging es dann weiter?

Born: Nachdem ich wieder zurück in Bremen war, berichtete ich Klaus Allofs direkt von meinen Beobachtungen. Wir sind dann zusammen nochmal nach Lima geflogen und haben uns durch dasselbe Loch im Zaun Zutritt zum Training verschafft. Auch Klaus war sofort von Claudios Fähigkeiten begeistert. Das Problem war nur, dass "Pizza" bereits einen Vorvertrag bei Betis Sevilla unterschrieben hatte. Wir haben Claudio dann gemeinsam mit seinem Vater und Carlos Delgado, der später sein Berater wurde, ins Hotel eingeladen. Wir wollten ihn unbedingt nach Bremen holen, aber der Transfer hing bis zuletzt am seidenen Faden. Wir mussten ständig Sorge haben, dass Betis uns noch dazwischenfunkt. Wir waren unserer Sache erst sicher, als Claudio zur Unterschrift nach Bremen kam.

bundesliga.de: Uli Hoeneß nannte Pizarro damals "Santa Cruz für Arme". Hat sie das geärgert?

Born: Nicht geärgert, aber vergessen habe ich es nicht. Durch meine Beziehungen zu meinem Lieblingsland Paraguay kannte ich auch Santa Cruz ziemlich gut. Wir hätten ihn auch gerne gerne verpflichtet, aber nachdem er eine überragende U-18-WM gespielt hatte, war er für uns nicht mehr zu bezahlen. Allerdings war ich mir auch damals schon sicher: Claudio ist der bessere.

bundesliga.de: Wie wichtig war Claudio Pizarro in der sportlichen Entwicklung des Vereins, der nach dem Abschied von Otto Rehhagel 1995 ja sportlich schwierige Zeiten durchgemacht hat?

Born: Claudio war ein ganz wichtiger Baustein. Zunächst einmal hat er unsere sportliche Qualität enorm erhöht. Darüber hinaus blühten auch andere Spieler an seiner Seite auf. Ailton war ja schon länger in Bremen und war schon als Fehleinkauf verschrien, aber an der Seite von Pizarro schoss er auf einmal Tore am Fließband. Die zwei waren Torpanik verbreitende Gesellen.

bundesliga.de: Wie schwer hat es Werder dann getroffen, als Pizarro nach zwei Jahren zu den Bayern ging?

Born: Sportlich und menschlich war Claudios Abgang ein Riesenverlust. Er ist nicht nur ein großartiger Fußballer, sondern auch ein toller Mensch, der jeder Mannschaft gut tut. Auf der anderen Seite sorgten die Millionen aus München für größeren finanziellen Spielraum, der es uns ermöglichte, eine schlagkräftige Truppe aufzubauen. Ohne den Verkauf von Pizarro wäre Werders Entwicklung von der grauen Maus zur Spitzenmannschaft kaum möglich gewesen.

bundesliga.de: Sie kennen Pizarro sehr gut persönlich. Wie würden Sie ihn außerhalb des Platzes beschreiben?

Born: Er ist ein sehr sympathischer Mensch, der immer optimistisch denkt. Wäre er kein Fußballer geworden, so hätte ihm trotzdem die Welt offen gestanden, denn er ist ein sehr intelligenter Junge. Als Autoverkäufer würde er selbst jemandem ohne Führerschein ein Auto verkaufen. Beeindruckend ist auch, wie schnell er damals Deutsch gelernt hat.

bundesliga.de: Pizarro ist einer der Garanten des Bremer Höhenfluges. Sein Verbleib bei Werder ist ungewiss. Wie groß sind aus Ihrer Sicht die Chancen, dass er in Bremen bleibt?

Born: Das hängt sicherlich auch von Werders sportlicher Entwicklung ab. Claudio ist ein begeisterter Fußballer, der möglichst auch international spielen möchte. Sollte das Bremen in dieser Saison gelingen, stehen die Chancen gut, dass er auch im nächsten Jahr im Weser-Stadion seine Tore schießt.

Das Gespräch führte Florian Reinecke