Sportdirektoren unter sich: Max Eberl (r.) im Gespräch mit Matthias Sammer von Bayern München
Sportdirektoren unter sich: Max Eberl (r.) im Gespräch mit Matthias Sammer von Bayern München

"Die Kurve geht bei uns nach oben"

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Nach zuletzt zwei Siegen in Folge hat Borussia Mönchengladbach Platz 4 in der Tabelle verteidigt und seine internationalen Ambitionen untermauert. Vor dem Heimspiel gegen den noch sieglosen 1. FC Nürnberg sprach bundesliga.de mit Sportdirektor Max Eberl über den aktuellen Höhenflug und die Entwicklung der Borussia in den letzten Jahren.

bundesliga.de: Herr Eberl, wenn Sie sich im Moment die Tabelle anschauen, haben Sie vermutlich ein großes Lächeln auf dem Gesicht?

Max Eberl: Stand heute, zwei Tage vor dem 12. Bundesliga-Spieltag, ja. Wenn man auf Platz 4 steht, muss man auch ein Lächeln auf dem Gesicht haben. Aber wir wissen auch, dass dies nur eine schöne Momentaufnahme ist. Wir haben vor der Saison gesagt, dass wir versuchen wollen, zum dritten Mal hintereinander einen einstelligen Tabellenplatz zu schaffen, wie auch immer der am Saisonende ausschauen mag. Um diese Plätze wollen wir kämpfen. Momentan befinden wir uns auf dem richtigen Weg. Wir haben derzeit die bestmögliche Platzierung auf dieser Zielvorgabe erreicht. Aber es sind noch einige Spiele zu spielen, und einige Konkurrenten liegen hinter uns, die genau das Gleiche oder noch mehr wollen.

bundesliga.de: Borussia hat die Heimspiele bislang überragend absolviert und alle gewonnen. Und immerhin stehen derzeit auch schon vier Punkte Vorsprung auf Platz 7 zu Buche. Das ist schon ein kleines Polster.

Eberl: Es ist wie gesagt nur eine Momentaufnahme. In der Bundesliga darf man sich nicht zu lange mit solchen schönen Dingen aufhalten, weil die anderen Vereine diese schönen Ergebnisse auch haben wollen. Wir haben sehr starke Konkurrenz. In der Bundesliga geht es an jedem Wochenende unglaublich eng zu.

bundesliga.de: Was sind die Gründe für den Erfolg? Ist es der Tatsache geschuldet, dass die Borussia in diesem Jahr bei den Sommertransfers mit der Verpflichtung von Max Kruse, Christoph Kramer und Raffael drei Volltreffer landen konnte?

Eberl: Da spielen mehrere Komponenten rein. So wie man einen Misserfolg nicht an einem Grund festmachen kann, so gibt es im Erfolgsfall auch nicht nur eine Ursache. Nach dem fantastischen Jahr 2012 mit dem Champions-League-Platz 4 und den einhergehenden Abgängen, die wir zu verkraften hatten, war uns klar, dass wir bestimmt zwei, drei Jahre brauchen werden, um wieder stabil zu werden. Im letzten Sommer haben wir Transfers junger Spieler wie Granit Xhaka, Alvaro Dominguez, Peniel Mlapa und Luuk de Jong aus internationalen 'Topligen' getätigt. Wir haben gewusst, dass dies Spieler sind, die Potenzial haben, aber auch ihre Zeit benötigen werden, in Deutschland anzukommen. In diesem Jahr war das etwas anders. Mit Raffael und Max Kruse haben wir zwei Spieler geholt, bei denen man davon ausgehen konnte, dass sie sehr schnell Fuß fassen würden, weil sie die Bundesliga kennen. Wir wussten vor zwei Jahren, dass wir diese Zeit benötigen würden, um wieder eine Mannschaft auf den Weg zu bringen, um uns in der Tabelle weiter nach oben zu arbeiten. Das ist uns alles in allem sehr ordentlich gelungen. Aber es gehören wie gesagt nicht nur die Transfers dazu. Das Gesamtpaket mit guten talentierten Spielern und guten Charakteren als Führungsspielern harmoniert momentan sehr gut.

bundesliga.de: Die Fohlen stehen nun auf Platz 4. Ist damit das Ende der Fahnenstange erreicht oder dürfen die Fans auch von mehr träumen?

Eberl: Generell dürfen und sollen die Fans immer träumen. Das ist ja unser Ansporn. Man muss nur aufpassen, dass man nicht zu tief träumt, weil man dann relativ erschrocken wieder aufwachen kann. Wir müssen jetzt versuchen, die Heimspiele weiter erfolgreich zu gestalten. Wir müssen auswärts weiter Punkte holen. Wir denken noch nicht an das große Ganze am Saisonende. Wir wollen jetzt erst einmal den November gut gestalten.

bundesliga.de: Müssen Sie sich manchmal kneifen, wenn Sie sich die Entwicklung der Mannschaft unter Lucien Favre in den letzten bald drei Jahren anschauen?

Eberl: Es ist schon sehr imposant, wie wir uns aufgestellt haben und aus einer sehr schwierigen Situation herausgekommen sind. Diese Situation hatte damals ihre Gründe. Wir waren in den letzten Jahren sehr stabil. Die Kurve geht bei uns ganz klar nach oben. Wir hatten eine Situation, die sehr bedrohlich war. Da haben wir im Team eine gute und richtige Entscheidung getroffen, nämlich Lucien Favre zu holen. Auf die Idee kamen ja auch nicht viele. Ich weiß noch, dass es damals kritische Stimmen gab: 'Jetzt holen sie den Lucien Favre und planen schon den Aufbau aus der 2. Bundesliga.' Wir wussten aber, dass er ein unglaublich akribischer, fantastischer Trainer ist, der vor allem mit jungen Spielern arbeiten kann. Die hatten wir damals. Ich erinnere gerne an Marco Reus, Roman Neustädter, Harvard Nordtveit oder Marc-Andre ter Stegen. Wir mussten einen Trainer finden, der die Wahrscheinlichkeit steigen lässt, die Klasse zu halten, der aber auch weiter mit uns den Weg geht, junge Spieler zu entwickeln. Das hat er eindrucksvoll getan.

bundesliga.de: Lucien Favre hat nach dem 4. Platz im Jahr drauf gesagt, dass er Angst davor habe, ein neues Haus zu bauen und dann wieder die zweite Etage abreißen muss, weil es wieder zu einem personellen Aderlass kommt wie vor eineinhalb Jahren. Können Sie ihm diese Angst nehmen?

Eberl: Diese Garantie hat er nur bei Bayern München. Das weiß er auch. Damals war es für uns alle keine schöne Situation, dass wir nach einer fantastischen Saison mit Reus, Dante und Neustädter drei wirkliche Eckpfeiler verloren habe. Wir wissen ja, wo und wie sie heute spielen. Das ist im Fußball manchmal so. Lucien war sicher etwas enttäuscht, weil wir auf dem Weg waren, uns wirklich ganz nach oben festzubeißen. Wir mussten dann damit leben, dass Spieler den Verein verlassen. Das wird immer wieder so sein. Jeder Trainer, der nicht bei Bayern München arbeitet, weiß, dass diese Gefahr besteht. Deshalb müssen wir mit intelligenten Transfers versuchen, dies irgendwie zu kompensieren. Das haben wir getan, und das ist der Weg, den wir gehen wollen.

bundesliga.de: Bereiten Ihnen momentan die anstehenden Vertragsgespräche mit Ihren Routiniers wie Juan Arango oder Filip Daems oder Youngstern wie Marc-Andre ter Stegen großes Kopfzerbrechen? Wie geht es weiter?

Eberl: Man zerbricht sich viel den Kopf bei Vertragsverlängerungen oder neuen Transfers. Wir haben einige Aufgaben zu erledigen und werden uns in aller Ruhe die Gedanken machen. Wir haben mit Spielern wie Martin Stranzl, Roel Brouwers, Filip Daems und Juan Arango Spieler, die dafür stehen, dass wir Erfolge gefeiert haben. Da wird es ganz offene Gespräche geben. Wir werden uns mit ihnen zusammensetzen. Man wird dann sehen, was dabei am Ende herauskommt. Wir haben immer wieder gute Lösungen gefunden, wenn etwas nicht funktioniert. Dann gibt es einen anderen Weg. Wir werden nicht in Depressionen verfallen, sondern stellen uns den Aufgaben, die sich alljährlich stellen.

bundesliga.de: Wie sehen Sie momentan Luuk de Jong? Ist er so etwas wie der tragische Held, der jetzt seinen Platz in einer Mannschaft verloren hat, in der es läuft?

Eberl: Im ersten Jahr ist er wie viele andere Spieler auch zu schlecht weggekommen. Man hat nach dem fantastischen Jahr und Platz 4 davon geträumt, dass alles so weitergeht. Wir haben dann in einer soliden Saison Platz 8 erreicht. Ich habe immer gesagt, dass dieser völlig unerwartete 4. Platz nicht dazu führen darf, dass wir uns gedanklich in den falschen Tabellenregionen bewegen. Mir war wichtig, dass wir die Punkte geholt haben, auch wenn der tolle Fußball des Jahres zuvor nicht mehr so zu sehen war. Solche Jahre entscheiden viel mehr über die Entwicklung eines Vereines als ein einzelnes fantastisches Jahr. Das sieht man aktuell an Vereinen wie Frankfurt und Freiburg. Die haben aus unterschiedlichen Gründen gerade richtig zu kämpfen. Deswegen war uns klar, dass wir die letzte Saison stabil gestalten mussten. Dazu haben Spieler wie ein Luuk de Jong ihren Beitrag geleistet. Er kam bei 30 Einsätzen auf elf Torbeteiligungen. Der Wert ist für die erste Saison nicht so verkehrt. Nur die Wahrnehmung war eine ganz andere. Wir haben bewusst gesagt, dass wir um Luuk de Jong herum Schnelligkeit und Kreativität finden müssen. Das ist uns mit Kruse und Raffael sehr gut gelungen. Obendrein harmonieren die beiden auch sehr gut zusammen. Luuk sitzt derzeit auf der Bank und ist berechtigterweise unzufrieden. Wir wissen trotzdem, dass wir einen super Spieler im Kader haben. Wir werden Luuk benötigen, um weiter erfolgreich zu sein. In den Sphären, in denen wir uns momentan bewegen, brauchen wir Qualität im Kader, um weiter dort zu bleiben.

bundesliga.de: Jetzt empfängt die Borussia am Samstag den 1. FC Nürnberg, einen Gegner, der noch kein Spiel gewonnen hat und auf Platz 17 steht. Die Borussia hat aber die letzten drei Spiele gegen den "Club" alle verloren. Wie schwer wird die Aufgabe?

Eberl: Wenn ich Ihnen sage, dass Nürnberg in fünf der sechs Auswärtsspiele dieser Saison Unentschieden geholt und nur bei Bayern München verloren hat, dann weiß jeder, wie kompliziert diese Aufgabe werden wird, ganz unabhängig davon, wie die direkten Vergleiche der letzten Jahre ausgegangen sind. Auch diese Saison zeigt, wie schwer der 1. FC Nürnberg auswärts zu bespielen ist. Aber klar ist auch, dass wir natürlich dieses Heimspiel gewinnen wollen.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski