Kevin-Prince Boateng (r.) traf gegen Wolfsburg zum sechsten Mal in dieser Saison
Kevin-Prince Boateng (r.) traf gegen Wolfsburg zum sechsten Mal in dieser Saison

Die königsblaue Aufholjagd geht weiter

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Gelsenkirchen - Der FC Schalke 04 neun Punkte vor Borussia Dortmund und zugleich Bayern-Jäger Nummer eins? Gibt es nicht? Doch, legt man allein die letzten neun Spieltage dieser Saison zugrunde. Der 2:1-Sieg über Wolfsburg hat dabei untermauert, dass die Schalker Aufholjagd vor allem dank Kevin-Prince Boateng weiter auf vollen Touren läuft - auch wenn noch nicht alles perfekt ist.

Höwedes: "Die Mannschaft ist extrem gallig"

Seit Anfang November schreibt Schalke in der Bundesliga an einer kleinen Erfolgsgeschichte, die angesichts des kläglichen Pokal-Aus und diverser Diskussionen zunächst gar nicht so recht auffallen wollte. Doch zwei Siege und sechs Punkte nach der Winterpause haben aufhorchen lassen. Und das vollkommen zu Recht, wie ein Blick auf die Zahlen beweist. Nur eine Niederlage hat die Mannschaft in den letzten neun Spielen kassiert und dabei 20 Punkte geholt. Das ist der zweitbeste Wert hinter den Bayern und eben auch neun Zähler besser als der ungeliebte Erzrivale aus Dortmund im gleichen Zeitraum. Verdienter Lohn für die letzten Siege beim HSV und gegen Wolfsburg ist Platz 4 in der aktuellen Tabelle.

Der "Auftakt nach Maß" nach der Winterpause, den Sportvorstand Horst Heldt zufrieden konstatieren kann, hat für Benedikt Höwedes seinen Ursprung im Trainingslager. "Die Mannschaft ist 2014 extrem gallig. Man sieht, dass jeder für den anderen da ist und bis zum Umfallen kämpft. Das haben wir in der Winterpause eingefordert." Für Kevin-Prince Boateng war der hart erkämpfte Erfolg über Wolfsburg und damit gegen einen unmittelbaren Konkurrenten im Kampf um die Champions League genau dafür der beste Beleg: "Wir wollten diesen Sieg unbedingt, und genau das haben wir dann am Ende auch gezeigt. Dieser Wille hat sich im Trainingslager schon abgezeichnet. Wir sind als Mannschaft enger zusammen gewachsen."

Willen und Kampfgeist als Erfolgsgeheimnis - auf diese Formel brachte auch Horst Heldt das neue Schalke-Gefühl: "Wolfsburg hat uns alles abverlangt. Beide Teams haben um jeden Meter gefightet. Ich bin stolz auf die Mannschaft, weil sie wieder einmal gezeigt hat, dass sie unbedingt gewinnen wollte." Auch Jens Keller hob besonders hervor, dass "mein Team gegen einen starken Gegner sehr gut dagegen gehalten und letztlich bestanden hat. Die Mannschaft zeigt im Moment ein ganz anderes Gesicht als zu Saisonbeginn."

Zweite Hälfte offenbart Schalker Schwachstellen

Keller weiß aber auch zu gut, dass längst noch nicht alles perfekt ist. Denn dagegen halten und bis zum Ende kämpfen musste Schalke gegen den VfL vor allem deshalb, weil man sich trotz 1:0-Führung und Platzverweis für den Gegner in der zweiten Halbzeit selbst in Schwierigkeiten gebracht hatte. "Die zehn Wolfsburger waren in dieser Phase besser als elf Schalker. Wir waren viel zu passiv, statt das Spiel mehr zu verlagern und Wolfsburg laufen zu lassen", ärgerte sich Klaas-Jan Huntelaar. "Wir brechen plötzlich ein und hören auf, Fußball zu spielen."

Ein Problem, dass für die Schalker nicht neu ist, wie Benedikt Höwedes zugeben muss. "Wir waren in dieser Phase nicht präsent genug, weil wir innerlich wieder einen Gang runtergeschaltet haben." Was aber neu ist: Der FC Schalke 04 des Jahres 2014 bekommt trotzdem noch die Kurve und schaltet auch wieder einen Gang höher, wenn es nötig wird. "Wir haben uns aus der schwächeren Phase wieder herausgekämpft. Wir haben nicht einfach den Kopf hängen lassen, nachdem Wolfsburg der Ausgleich gelungen ist", freute sich Huntelaar.  Kevin-Prince Boateng verteilte sogar ein ausdrückliches Lob: "Ich muss der Mannschaft ein Kompliment machen. Wir haben den Schalter wieder sehr schnell umgelegt."

Poser Boateng lässt Leistung sprechen

Boateng selbst hat nicht unerheblichen Anteil daran, dass ein neuer Geist auf Schalke Einzug zu halten scheint. Seit sein Knie mitspielt, wirkt der 26-Jährige noch präsenter und ist der Mann, der in einem engen Spiel auf Augenhöhe wie gegen Wolfsburg den Unterschied machen kann. Er ist und bleibt ein Poser wie nach seinem Siegtreffer, den er mit emporgerecktem Kinn und weit ausgebreiteten Armen vor der Tribüne zelebrierte. Aber er lässt eben auch Leistung sprechen. Gegen Wolfsburg war Boateng Stabilisator und Antreiber, ordnende Hand und nervenstarker Vollstrecker in Personalunion und wurde vier Minuten vor dem Ende mit Sonderapplaus verabschiedet.

Am kommenden Sonntag wartet auf den "Prinzen" und seine Schalker schon die nächste Bewährungsprobe, wenn sich mit Hannover 96 eines der Überraschungsteams der Rückrunde in der heimischen Arena vorstellt. "Wir dürfen uns jetzt nicht ausruhen", hat Horst Heldt die Mannschaft schon ermahnt, "es ist nach wie vor eng in der Tabelle." Doch auch der Sportvorstand weiß, dass es in dieser Saison schon deutlich schlechtere Perspektiven gegeben hat - für den aktuellen Bayernjäger Nummer eins.

Aus Gelsenkirchen berichtet Dietmar Nolte