Axel Kruse ging in den neunziger Jahren für Hertha BSC, Eintracht Frankfurt und den VfB Stuttgart auf Torejagd
Axel Kruse ging in den neunziger Jahren für Hertha BSC, Eintracht Frankfurt und den VfB Stuttgart auf Torejagd

"Die Eintracht wird nicht einbrechen"

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München - Während Eintracht Frankfurt neben den Bayern die Mannschaft der Stunde ist, hat sich auch der VfB Stuttgart mit sieben Punkten aus den letzten drei Spielen wieder gefangen. Am Sonntag treffen die beiden Traditionsvereine in Stuttgart aufeinander. Axel Kruse ist für beide Clubs in den 90er-Jahren erfolgreich auf Torejagd gegangen. Im Gespräch mit bunbundesliga.de hat der TV-Experte seine Ex-Vereine unter die Lupe genommen.

bundesliga.de: Herr Kruse, Eintracht Frankfurt mischt derzeit die Bundesliga auf und hat den besten Auftakt eines Aufsteigers nach acht Spieltagen hingelegt. Wie überraschend kommt das für Sie?

Axel Kruse: Das Überraschende bei der Eintracht ist für mich vor allem die Art und Weise, wie sie spielt. Das ist großartig. Sie spielen einen sehr attraktiven und aktiven Fußball, sie attackieren früh und spielen ein tolles Kurzpassspiel. Viele Aufsteiger agieren lieber defensiv und ziehen sich weit zurück. Aber nicht die Frankfurter.

bundesliga.de: Das ist umso überraschender, weil die Eintracht viele neue Spieler geholt hat, die jetzt eine homogene Mannschaft bilden. Was macht die Truppe so stark?

Kruse: Die Eintracht hat bei den Neuverpflichtungen nicht auf den "Wow-Effekt" gesetzt und bekannte Spieler geholt, sondern bewusst mehr Wert darauf gelegt, dass die Neuen in das "System Veh" passen. Es steckt eine Idee dahinter. Ein gutes Beispiel dafür ist Takashi Inui, ein technisch sehr starker Spieler. Natürlich gehört aber auch ein bisschen Glück dazu, dass die vielen neuen Spieler so schnell so gut harmonieren.

bundesliga.de: Was ist der Eintracht zuzutrauen?

Kruse: Frankfurt wird sicherlich auch noch Spiele verlieren, vielleicht mal spektakulär mit 2:4. Aber ich erwarte keinen großen Einbruch der Eintracht. Sie haben eine gute Mannschaft und spielen ein gutes System.

bundesliga.de: Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass die Hessen für Sie ein Kandidat für die internationalen Plätze sind?

Kruse: So weit würde ich nicht gehen, dafür müsste wirklich alles weiter optimal laufen. Schon in den ersten acht Spiele waren einige Partien dabei, die auch anders hätten ausgehen können. Wenn ich da an die Spiele gegen Hannover (3:1) oder Leverkusen (2:1) denke, die hätten auch unentschieden enden können. Die Eintracht wird sicherlich auch noch schwierige Situationen überstehen müssen. Aber ich glaube, dass sie am Ende der Saison zwischen Platz 6 und 10 landen wird.

bundesliga.de: Im Gegensatz zur Eintracht ist der Saisonstart des VfB Stuttgart durchwachsen gewesen. Die Mannschaft hat noch kein Heimspiel gewonnen.

Kruse: Ich war beim letzten Heimspiel gegen Leverkusen im Stadion. Das Problem in Stuttgart ist ein bisschen, dass die Zuschauer mit einer riesigen Erwartungshaltung ins Stadion gehen und die Stimmung schnell kippt, wenn es nicht von Anfang an gut läuft. Dann kommen Pfiffe, die für die Spieler nicht förderlich sind.

bundesliga.de: Immerhin hat der VfB aus den letzten drei Spielen sieben Punkte geholt. Wie bewerten Sie die Entwicklung der Schwaben?

Kruse: In Hamburg hat die Mannschaft, die sehr unter Erfolgsdruck war, überragend gespielt und den HSV über 90 Minuten komplett beherrscht. Sie haben ähnlich wie Frankfurt offensiv gespielt und attackiert. Ich mag diese Spielweise. Auch wenn die Schwaben erst neun Punkte auf dem Konto haben, hat der VfB eine gute Mannschaft, die auch zwischen Platz 6 und 10 anzusiedeln ist. Die 6. Platz im vergangenen Jahr war schon das Optimum.

bundesliga.de: Wo liegen die Probleme des VfB? Ist die Mannschaft zu sehr von den Toren von Vedad Ibisevic und Martin Harnik abhängig?

Kruse: Nein, das glaube ich nicht. Für den VfB ist es am Anfang der Saison unglücklich gelaufen. Gegen Wolfsburg verschießen sie in der 89. Minute einen Elfmeter und verlieren dann in der 91. Minute das Auftaktspiel. In München spielen sie dann eine halbe Stunde stark und bekommen dann sechs Gegentore. Da war das Selbstvertrauen weg. Aber sie haben sich gefangen und sind in Hamburg mit der Drucksituation sehr gut umgegangen. Es wäre nur gut, wenn nicht nur Vedad Ibisevic und Martin Harnik treffen, sondern auch andere.

bundesliga.de: VfB-Trainer Bruno Labbadia stand nach seiner Medienschelte in der Kritik. Zurecht?

Kruse: Nein. Bruno Labbadia hat sich meiner Meinung nach völlig zurecht gewehrt. Wenn im Stuttgarter Umfeld und in den Medien Sachen verbreitet werden, die nicht nur falsch, sondern bewusst unwahr dargestellt werden und dadurch die Leute aufgewiegelt werden, muss sich der Trainer wehren. Das konnte ich gut verstehen.

bundesliga.de: Was für ein Spiel erwarten Sie am Sonntag?

Kruse: Das wird ein Spiel zweier Mannschaften, die sich eigentlich gegenseitig liegen. Sie spielen offensiv und nicht abwartend und suchen schnell den Weg nach vorne. Das könnte ein 3:3 werden. Oder sie neutralisieren sich und es endet 0:0. Da ist viel möglich. Ich denke, dass es ein tolles Spiel wird. Viel hängt davon ab, wer das erste Tor schießt und wie dann die Stimmung im Stadion ist.

bundesliga.de: Wem drücken Sie mehr die Daumen? Wer gewinnt?

Kruse: Ich drücke beiden Vereinen die Daumen, das mache ich bei allen meinen Ex-Vereinen. In der jetzigen Situation könnte die Eintracht aber eine Niederlage eher verschmerzen, der VfB braucht die Punkte dringender. Ich tippe auf ein 3:1 für Stuttgart.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski