Verloren und verletzt: Mats Hummels hat gleich aus zwei Gründen nach dem Derby schlechte Laune
Verloren und verletzt: Mats Hummels hat gleich aus zwei Gründen nach dem Derby schlechte Laune

Derby-Pleite als Stimmungskiller: "Absoluter Mist"

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Gelsenkirchen - Vielleicht hätten sich die Dortmunder vor dem Derby doch noch einmal an Sepp Herberger erinnern sollen. Denn ein Spiel dauert immer noch 90 Minuten - der BVB aber verschlief bei der nicht zum ersten Mal eine ganze Halbzeit.

Klopp bemängelt Defensivfehler

Wie schon beim Pokal-Aus in München war die erste Spielhälfte an der Borussia komplett vorüber gelaufen. Zweikampfführung, Laufarbeit, Passspiel, Taktik - in allen Bereichen blieb der Deutsche Meister unter seinen Möglichkeiten und legte damit unfreiwillig den Grundstein zum Schalker Sieg.



"Wir haben im Umschalten auf Defensive einige taktische Fehler gemacht. Wir haben Flanken zugelassen, die wir nicht hätten zulassen dürfen", kritisierte Jürgen Klopp und sprach damit nur einen Teil der Wahrheit an.

Denn auch in Sachen Leidenschaft, Elan und Einsatz hatten die Gastgeber der Borussia eine Halbzeit lang eine Lehrstunde erteilt. "Wir machen unsere Gegner in den letzten Spielen zu häufig zu stark. Dieses Mal haben wir das von der ersten bis zur 45. Minute durchgezogen und sind erst zur zweiten Halbzeit aufgewacht", schimpfte Marcel Schmelzer. "Das darf einfach nicht passieren - vor allem nicht in so einem wichtigen Spiel. Das war absoluter Mist!"

Der Linksverteidiger war einer der Wenigen, die sich nach dem Spiel überhaupt den kritischen Fragen stellten. Der Großteil der Spieler hielt es lieber so wie zuvor eine Halbzeit lang auf dem Platz und tauchte im wahrsten Sinne des Wortes sang- und klanglos ab. Zerreißen wollten sie sich, um jeden Zentimeter kämpfen, beißen und kratzen - so hatten sie es vor dem Prestigeduell angekündigt. Umso größer waren 90 Minuten später auch bei den Anhängern Frust, Enttäuschung und Ratlosigkeit.

Mangelnde Chancenverwertung als Schlüssel



Darüber konnte auch eine engagierte und spielerisch bessere zweite Halbzeit nicht hinweg täuschen. Defensiv stand der BVB ohne den ausgewechselten Mats Hummels sicherer und wirkte aufmerksamer. Der Innenverteidiger hatte sich nach überstandener Grippe vermeintlich fit zurückgemeldet - ein Fehler. Sich selbst und der Mannschaft gegenüber hätte Hummels ehrlicher sein sollen. Dass er sich zu allem Überfluss bei seinem Einsatz einen Teilriss des Außenbandes zugezogen hat und jetzt wochenlang ausfällt, rundete den gebrauchten Tag ab.

Mit Hummels hatte der BVB die Gegentreffer Nummer 29 und 30 kassiert. Das sind fast doppelt so viele Tore wie zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison. Auch die 20 Torschüsse, die die Dortmunder den Schalkern gestatteten, passen in dieses Bild.

Selbst kam der BVB in der Partie noch auf 16 Torschüsse, weil die gesamte Elf in Durchgang zwei offensiv konsequenter zu Werke ging. Teilweise sehr ansehnlichen Kombinationen fehlte bisweilen nur der Abschluss, sonst hätte diese Partie noch kippen können. "Wenn wir zielstrebig waren, waren wir auch gefährlich", analysierte Jürgen Klopp, "wir haben nur unsere Chancen nicht verwertet."

Doppelbelastung keine Ausrede



Unter dem Strich steht somit eine weitere Enttäuschung über einen über zu weite Strecken zu passiven Auftritt. Es ehrt die Dortmunder nur, dass sie in der Belastung durch die Champions League keine Ausrede suchten. "Wir sind diesen Rhythmus gewohnt, da brauchen wir jetzt nicht über die fehlende Frische zu reden", stellte Nuri Sahin mit klaren Worten fest.

Vielleicht aber spielt der Faktor Europapokal in anderer Hinsicht eine Rolle, wenn es um eine Erklärung für die erheblichen Leistungsschwankungen geht. Denn auf Europas Bühne trumpft der BVB regelmäßig auf und zaubert sich mit gewohntem Offensivspektakel und taktisch durchdachter Defensivarbeit durch die Champions League. In der Bundesliga aber schwächelt die Mannschaft immer wieder.

Das legt die Vermutung nahe, dass sich die Spieler bei jetzt schon 20 Punkten Rückstand auf die Bayern komplett auf die internationalen Festtage fokussieren - eine Frage der Einstellung also. "Wir haben auf Schalke wieder verloren, weil wir nicht mit hundertprozentiger Leidenschaft und Konzentration rangegangen sind", monierte auch Schmelzer. Platz 2 in der Tabelle kann diese Probleme nur vordergründig kaschieren.

Freiburg als Charaktertest



Gegen Freiburg muss der BVB am nächsten Samstag Charakter zeigen und beweisen, dass er auch in der Liga konstante Leistungen zeigen will und kann. Ein Sieg wäre gleichwohl nur ein erster, kleiner Schritt zur Wiedergutmachung. Denn die famose Stimmung nach dem Sieg gegen Donetsk ist dank Derbypleite erst einmal dahin. Zwei Niederlagen in einer Spielzeit gegen den Erzrivalen, das wirkt nach.

Und zumindest das ist auch den Spielern bewusst. "Diese Niederlage tut sehr weh, weil wir wissen, was sie für unsere Fans bedeutet", gestand Sahin ein. Oder um es mit den Worten eines treuen BVB-Fans an diesem komplett verregneten, nass-kalten und grauen Tag zu sagen: "Das Beste an diesem Nachmittag war das Wetter!"

Aus Gelsenkirchen berichtet Dietmar Nolte