Steffen Freund ist von Borussia Dortmund überzeugt. Für ihn ist Jürgen Klopp "das Fundament" des Vereins
Steffen Freund ist von Borussia Dortmund überzeugt. Für ihn ist Jürgen Klopp "das Fundament" des Vereins

"Der BVB verteidigt seinen Titel"

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München - Borussia Dortmund eilt von Sieg, die Konkurrenz beißt sich an der Form des seit 18 Spielen ungeschlagenen Deutschen Meisters die Zähne aus.

Steffen Freund, ehemaliger Spieler des BVB, sieht für den FC Bayern kaum noch Chancen, in den Meisterschaftskampf einzugreifen. "Ich gehe davon aus, dass der BVB seinen Titel verteidigt. Es spricht alles dafür. Sieben Punkte Vorsprung, tolle Form, schwächelnde Konkurrenz. Behält die Mannschaft die Demut, ihren ganzen Hunger, wird sie ihren Vorsprung verteidigen", erklärte der Europameister von 1996 im Gespräch mit bundesliga.de.

bundesliga.de: Herr Freund, Borussia Dortmund ist seit 18 Spielen ungeschlagen und feierte den achten "Dreier" in Serie. Was macht den BVB so stark?

Steffen Freund: Der Erfolg Borussia Dortmunds basiert für mich auf mehreren Ebenen. Zum einen herrscht absolute Ruhe im Umfeld. Zum anderen sind die Aufgaben innerhalb des Vereins klar verteilt, beziehungsweise gut strukturiert. Der für mich wichtigste Baustein ist allerdings Coach Jürgen Klopp.

bundesliga.de: Sie lassen die Mannschaft außen vor?

Freund: Natürlich ist die Mannschaft ebenfalls enorm wichtig. Mit welchem Teamgeist und Siegeswillen sie zurzeit agiert, ist beeindruckend. Trotzdem: Klopp ist das Fundament. Er motiviert seine Spieler, treibt sie jede Woche zu außergewöhnlichen Leistungen. In der Öffentlichkeit geben sie sich ruhig und lassen sich nicht verrückt machen. Jeder erfüllt mit Demut seine Aufgabe.

bundesliga.de: Wie hat es der BVB geschafft, im so schwierigen Jahr nach der Meisterschaft nicht einzubrechen?

Freund: Der Verein hat sich clever verhalten, keine unrealistischen Ziele formuliert. Dortmund hat trotz der Meisterschaft den eingeschlagenen Weg fortgesetzt. Letztendlich ist es ja so: In dem Moment, wo du die Schale in der Hand hast, beginnt die neue Spielzeit. Der Start in die Saison war dennoch schwierig. Als Gejagter durch Deutschland zu reisen, ist noch etwas ganz anderes. Dass Dortmund wieder in den Rhythmus des letzten Jahres gekommen ist, zeugt von der ganzen Klasse der Truppe.

bundesliga.de: Neben der Personalpolitik und Infrastruktur des Vereins beeindruckt die Bundesliga vor allem die Taktik. Sie sind selbst Trainer. Gerät man beim BVB nicht ins Schwärmen?

Freund: Das Pressing und das Umschaltspiel der Borussia hat höchstes Niveau. Nach einem Ballverlust gelingt es der Mannschaft, an einem Strang zu ziehen. Jeder kennt seine Aufgabe, jeder weiß, was er zu tun hat. Der eine Teil der Spieler orientiert sich an den vorgegebenen Positionen, der andere Teil setzt den Gegner sofort wieder unter Druck. Es ist unheimlich schwer, sich dagegen zu wehren, geschweige denn überhaupt Chancen herauszuspielen.

bundesliga.de: Derartige taktische Vorgaben erfordern hohe Laufbereitschaft. Ein Grund, warum Klopp vornehmlich auf junge Spieler setzt?

Freund: Für mich gibt es keine jungen und alten Spieler, sondern nur Spieler, die den Anforderungen gerecht werden oder nicht. Ein Sebastian Kehl spielt eine tolle Saison und ist voll in das System integriert. Auf der anderen Seite gelingt es einem Talent wie Moritz Leitner, dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Natürlich regeneriert ein 19-Jähriger schneller, aber ein 32-Jähriger hat oftmals mehr Erfahrungen, wenn es darum geht, Situationen richtig einzuschätzen. Kondition brauchen natürlich beide Spieler.

bundesliga.de: Pro Spiel läuft der BVB beispielsweise sieben Kilometer mehr als der FC Bayern und führt mit dem Mainzern die meisten Zweikämpfe der Liga. Unterstreicht das die Sonderstellung?

Freund: Es ist ein wesentlicher Faktor, aber sicherlich nicht alles. Dafür haben andere Mannschaften mehr Ballbesitz als Dortmund. Und selbst das reicht oft nicht für einen Sieg. Was zählt, ist das Gesamtpaket.

bundesliga.de: Das müssen Sie erklären.

Freund: Der große Unterschied gegenüber den Bayern ist die Flexibilität. Beim BVB werden ständig die Positionen getauscht. Geht Shinji Kagawa nach rechts, rückt Jakub Blaszczykowski nach innen und so weiter. Die gesamte Offensivreihe ist ständig in Bewegung, so dass die gegnerischen Verteidiger oft kaum Zugriff haben. Beim FC Bayern hingegen wirkt das Spiel des Öfteren zu statisch. Und: Schauen Sie sich Mats Hummels an. Er ist für mich zurzeit der beste Verteidiger der Liga. Er eröffnet das Spiel bravourös und gewinnt dazu die Zweikämpfe. Die Außenverteidiger schieben ständig mit und erzeugen Überzahlsituationen. Es passt einfach alles.

bundesliga.de: Ebenfalls auffällig: Der BVB kompensiert scheinbar jeden Ausfall.

Freund: Klopp hat es geschafft, dass seine Spieler ihm vertrauen. Die Spieler von der Bank wissen, was sie zu tun haben. Er erreicht sie, gibt ihnen das Gefühl, wichtig zu sein. Das ist eine große, menschliche Leistung.

bundesliga.de: Kann man den BVB überhaupt schlagen?

Freund: Man muss genau das tun, was Dortmund auch macht. Hohe Laufbereitschaft, gutes Arbeiten gegen den Ball - im gesamten Verbund. Ich muss auch dazu in der Lage sein, mich aus einer Drucksituation mit vier, fünf guten Pässen zu befreien. Einfach wird es aber nicht. Der BVB ist im Moment einfach die beste deutsche Mannschaft.

bundesliga.de: Zurzeit oder auch nach 34. Spieltagen?

Freund: Bis vor kurzem hätte ich jetzt immer den FC Bayern als Antwort gegeben - jetzt gehe ich davon aus, dass der BVB seinen Titel verteidigt. Es spricht alles dafür. Sieben Punkte Vorsprung, tolle Form, schwächelnde Konkurrenz. Behält die Mannschaft die Demut, ihren ganzen Hunger, wird sie ihren Vorsprung verteidigen.

Das Gespräch führte Sebastian Schramm