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Der Hamburger SV feierte gegen Bremen den vierten Heimsieg in Folge
Der Hamburger SV feierte gegen Bremen den vierten Heimsieg in Folge

Demut statt Euphorie

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Hamburg - Als Thorsten Kinhöfer das mit dem finalen Pfiff beendete, brach der Orkan in der Imtech Arena los. Ein Sieg über den großen Rivalen aus dem rund 100 Kilometer entfernten kleineren Stadtstaat ist an der Elbe schon seit Jahrzehnten etwas ganz Besonderes.

Fink als einfallsreicher Motivator

Immer noch für Alpträume sorgen Erinnerungen an das Frühjahr 2009. Innerhalb von 18 Tagen trafen die Bremer vier Mal auf die "Rothosen" und schossen den großen Nachbarn aus den Halbfinals in DFB- und UEFA-Pokal sowie aus dem Meisterschaftsrennen. Eine Papierkugel schrieb damals Fußball-Geschichte.



"Es ist kein normales Spiel. Ganz und gar nicht. Und das ist bei uns jedem bewusst", sprach Rafael van der Vaart Fans und Verein aus der Seele. Und außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Thorsten Fink schlüpfte in die Rolle als Motivator - auch in eigener Sache, denn seit 13 Jahren wartete der Ex-Münchner auf seinen Sieg gegen die Bremer. Vor dem Spiel zeigte er den Spielern ein Video mit Höhepunkten aus HSV-Sicht gegen den Nordrivalen.

Dafür musste der 45-Jährige tief ins Archiv steigen, denn von den letzten zehn Pflichtspielen konnte der HSV nur eines für sich entscheiden und einmal einen Punkt von der Weser mit nach Hause bringen.

Die verbale Motivation überließ der Trainer dem brasilianischen Schriftsteller Paulo Coelho. Aus dessen Werk "Sei wie ein Fluß, der still die Nacht durchströmt", einem Wegweiser für Menschen, die ihre Träume verwirklichen wollen. "Jede Gelegenheit, sich selbst zu verändern, ist eine Gelegenheit, die Welt zu verändern", so die Kernaussage des Buches. "Manchmal ist es besser, Passagen vorzulesen - weil ich sie mit eigenen Worten gar nicht so präzise ausdrücken könnte", begründete Fink diese von Erfolg gekrönte Maßnahme.

"Gehören ins Mittelfeld der Liga"



"Das war ein wichtiger und wegweisender Sieg in einem wichtigen Spiel. Es hat viel Spaß gemacht", sagte Dennis Aogo gegenüber bundesliga.de, und tritt gleichzeitig auf die Euphoriebremse. "Die Leidenschaft gegen Nürnberg in der zweiten Halbzeit und heute über 70 Minuten müssen wir immer bringen - auch über 90 Minuten", sieht der Nationalspieler "natürlich noch Luft nach oben".

Der 3:2-Erfolg im Derby war auch Balsam für die Seelen der Fans, die sich außerdem über den vierten Heimsieg in Folge freuen durften. So oft hatten ihre Helden in der gesamtem Vorsaison im heimischen Volkspark nicht gewonnen. Euphorie aber herrscht aber nicht in der Stadt des Bundesliga-Dinos. Zwar ist der HSV nach langer Zeit mal wieder das Hoch im Norden, aber im Gegensatz zu den Konkurrenten aus Hannover, Wolfsburg und Bremen ist das greifbar nahe Ziel Europapokal ein Tabu-Thema. Zu häufig kam es in der Vorrunde zu Rückschlägen, wenn sich die Hamburger nach Siegen über Meister Dortmund und Champions-League-Starter Schalke wieder auf Kurs Europa wähnten.

"Wir können zwar jeden Gegner schlagen, das hat der Sieg gegen Dortmund gezeigt. Aber offenbar auch gegen jeden Gegner verlieren. Derzeit gehören wir dahin, wo wir im Moment auch stehen - ins Mittelfeld der Liga", hat der Coach seiner Mannschaft mit Erfolg gebetsmühlenartig eingetrichter und gefordert: "Wir müssen demütig sein." Spieler und auch Fans haben's offensichtlich verinnerlicht.

"Damit beschäftigen wir uns nicht", stellte Marcell Jansen folgerichtig klar, als bundesliga.de ihn auf das Setzen neuer Ziele Richtung Europa fragte. "Wir sind froh, dass der schwache Start in die Saison vergessen ist und haben gelernt, von Spiel zu Spiel zu denken." Mit drei Niederlagen waren die Hamburger in die Saison gestartet. Alles schien darauf hinzudeuten, dass das Abstiegsgespenst eine weitere Saison in der Hansestadt herumgeistern wolle. Seither ist der Traditionsverein in der Tabelle von Rang 18 auf 9 geklettert und liegt nur noch einen Punkt hinter Schalke 04 auf Europapokal-Rang 6.

Gegen Frankfurt den nächsten Schritt machen



Am kommenden Samstag will es der Spielplan, dass der HSV ein zweites Heimspiel in Folge hat. Zu Gast im Norden: Überraschungs-Aufsteiger und Champions-League-Aspirant Eintracht Frankfurt. "Da werden wir alles versuchen, einen weiteren Schritt nach oben zu machen", so van der Vaart.

Man darf gespannt sein, wie Fink sein Team motivieren wird. Erneut aus einem Buch vorlesen will der Coach nicht. "Es ging vor allem darum, die Bedeutung des Derbys zu verdeutlichen. Gegen Frankfurt wird es solche Aktionen nicht geben. Wenn man zu viel macht, nutzt es sich ab", so Fink, dem klar ist, "eine Mannschaft kann auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn sie nicht ständig gepusht werden muss. Trainer, die immer nur pushen, überleben nicht lange."

Und überleben an der Elbe will der Champions-League-Sieger von 2001 noch eine ganze Weile, denn "ich sehe in diesem Verein sehr viel Potenzial. Den HSV nur kurz nach oben zu bringen und dann weiterzuziehen war nie mein Ziel. Ich bin gekommen, um zu bleiben." Seine erfolgreiche Arbeit beschrieb Fink nach dem Derby in drastischen Farben: "In der letzten Saison wären wir hier nach dem 0:1 untergegangen. Insofen sind wir einen großen Schritt weitergekommen."

Und je mehr Fortschritte die Mannschaft macht, desto eher wird das Thema Europa zumindest bei Fans und Medien wieder auf die Tagesordnung kommt. Vielleicht ja schon nach dem Spiel gegen Frankfurt.

Aus Hamburg berichtet Jürgen Blöhs