Giovane Elber (l.) gab am 8. August 2006 sein Abschiedsspiel
Giovane Elber (l.) gab am 8. August 2006 sein Abschiedsspiel

"Da kommt viel Arbeit auf Ralf Rangnick zu"

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Giovane Elber ist ein Kenner der Bundesliga. 260 Partien hat er in Deutschlands höchster Spielklasse absolviert, dabei 133 Tore erzielt. Nach wie vor ist er mit diesem Wert der beste ausländische Torschütze aller Zeiten in der Bundesliga.

Seit September 2007 ist er als Spielerscout für den FC Bayern München tätig und sichtet in Absprache mit Chefscout Wolfgang Dremmler den südamerikanischen Markt.

Im Interview mit bundesliga.de zieht Elber sein Hinrunden-Fazit, spricht über den Stellenwert der Bundesliga und nennt seine Tops und Flops der ersten 17 Spieltage.

bundesliga.de: Welchen Stellenwert hat die Bundesliga im Vergleich zu den europäischen Topligen?

Giovane Elber: Auf jeden Fall einen sehr guten! In meiner ersten Bundesliga-Saison haben sich in Brasilien und in Südamerika allgemein nur ganz wenige Leute für den deutschen Fußball interessiert. Nach der WM 2006 in Deutschland ist jetzt die Hölle los. In Brasilien kann man jetzt Schalke-, Bremen-, Bayern-, Stuttgart- und Leverkusen-Trikots kaufen. Das ist schön zu sehen, dass die Leute in Südamerika jetzt auch die Bundesliga verfolgen.

bundesliga.de: Was macht die Faszination der Bundesliga aus?

Elber: Die vollen Stadien! Es macht immer mehr Spaß, wenn man vor ausverkauftem Haus spielt. Hier ist immer was los. In anderen Ligen sind die Zuschauerzahlen geringer, das ist für die Spieler dann nicht so interessant. Aber in der Bundesliga ist fast jedes Spiel ausverkauft.

bundesliga.de: Viele Brasilianer wechseln bei ihrer ersten Station in Europa nach Deutschland. Welchen Ruf genießt die Bundesliga bei Spielern aus ihrem Heimatland?

Elber: Der Ruf hat sich verändert. Früher war es so, dass die Brasilianer zunächst nach Spanien, Italien, Portugal oder England geschaut haben, und dann erst nach Deutschland. Heutzutage wollen sie in die Bundesliga, weil sie wissen, dass hier sehr guter Fußball gespielt wird, dass man sein Geld pünktlich überwiesen bekommt und die besten Voraussetzungen hat, um sich mit den größten Spielern Europas zu messen. Die Bundesliga ist nicht mehr unbekannt!

bundesliga.de: Was war für Sie die größte Überraschung der Hinrunde?

Elber: Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schießt, ist Hoffenheim. Was diese Mannschaft bislang gespielt hat, ist ein Traum. Sie bietet alles, was man als Zuschauer sehen will: schönen, offensiv ausgerichteten Fußball, schnelle Kombinationen. Der Aufsteiger hat die Bundesliga in der Hinrunde sehr interessant gemacht. Man kann sich nur wünschen, dass Hoffenheim im nächsten Jahr mit schönem Fußball oben bleibt und dass andere versuchen, auch dorthin zu kommen, wo Hoffenheim jetzt steht.

bundesliga.de: Kannten Sie eigentlich Vedad Ibisevic vor der Saison?

Elber: Nein, ich habe vorher noch nichts von ihm gehört, aber mittlerweile kennt ihn ganz Europa und Südamerika. Er hat gute Spiele abgeliefert, verhält sich vor dem Tor ganz cool und abgeklärt, erzielt schöne Treffer. Deswegen steht Hoffenheim auch da oben, denn mit Ibisevic, aber auch mit Demba Ba und Chinedu Obasi haben sie sehr gute Spieler in der Offensive, die vorher niemand kannte und die jetzt Topspieler in der Bundesliga sind. Andererseits muss man aber auch sagen, dass gerade mal die Hälfte der Saison vorbei ist. Ich habe schon viele Spieler gesehen, die in der Hinrunde traumhaften Fußball gezeigt haben und von denen in der Rückrunde dann nichts mehr zu sehen war. Da kommt auch auf Trainer Ralf Rangnick viel Arbeit zu, um zu verhindern, dass seine Spieler durchdrehen.

bundesliga.de: Ibisevic hat jetzt schon 18 Tore nach 17 Spielen auf seinem Konto. Kann er Gerd Müllers Rekord von 40 Treffern aus der Saison 1971/72 brechen?

Elber: Ich glaube, dieser Rekord ist nur sehr schwer zu brechen. Ibisevic hat zwar eine Traumquote, aber in der Rückrunde wird es nicht so leicht für ihn werden.

bundesliga.de: Wer waren für Sie die anderen Topspieler bislang?

Elber: Franck Ribery vom FC Bayern, Mario Gomez vom VfB, Grafite vom VfL Wolfsburg, Ivica Olic und Mladen Petric vom HSV, das waren für mich die ganz großen Spieler.

bundesliga.de: Welche Trends haben Sie in punkto Taktik erkannt?

Elber: Auffällig ist die offensive Spielweise. Natürlich wollen die Trainer immer, dass hinten die Null steht, aber sie haben nicht vergessen, dass man auch ein Tor machen muss, um das Spiel zu gewinnen. Das macht jede Bundesliga-Begegnung so interessant, weil man weiß, es werden immer Tore fallen und es wird nie langweilig werden.

bundesliga.de: Was hat Sie am meisten enttäuscht?

Elber: Werder Bremen. Ich habe sie beim 5:2-Sieg bei Bayern München live gesehen, und da haben sie Fußball von einem anderen Stern gespielt. Aber dann fragt man sich, wie dieselbe Mannschaft von heute auf morgen vergisst, was sie eigentlich kann. In den folgenden Spielen war sie meilenweit von der Leistung gegen den FCB entfernt. Das war schon ziemlich merkwürdig.

bundesliga.de: Wie lautet Ihr Tipp: Wer wird Meister?

Elber: Bayern München, wie immer. Ich glaube nicht, dass Hoffenheim es schafft, bis zum Schluss Erster zu bleiben. Vielleicht kommt noch Hamburg nach oben, Bayern und der HSV sind die beiden Clubs, die ich auf der Rechnung habe.

Das Gespräch führte Denis Huber