Gemeinsam mit Hellmut Krug, DFL-Projektleiter Video-Assistent, dem früheren Bundesliga- und FIFA-Schiedsrichter Florian Meyer sowie DFB-Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich (stehend von rechts) testen die Schiedsrichter Marco Fritz (sitzend links) und Sascha Stegemann (stehend ganz rechts) anhand von Bundesliga-Spielen die neue Technik. - © © DFL DEUTSCHE FUSSBALL LIGA
Gemeinsam mit Hellmut Krug, DFL-Projektleiter Video-Assistent, dem früheren Bundesliga- und FIFA-Schiedsrichter Florian Meyer sowie DFB-Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich (stehend von rechts) testen die Schiedsrichter Marco Fritz (sitzend links) und Sascha Stegemann (stehend ganz rechts) anhand von Bundesliga-Spielen die neue Technik. - © © DFL DEUTSCHE FUSSBALL LIGA

Bundesliga plant ab 2017/18 mit Video-Assistent

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Köln - Mit dem Ende der Winterpause hat nicht nur die Saisonfortsetzung begonnen, wieder angelaufen sind auch die Tests für die geplante Einführung des Video-Assistenten in der Bundesliga zur kommenden Saison – noch hinter den Kulissen. Ab der Spielzeit 2017/18 soll der Video-Assistent aber bei allen Begegnungen der Bundesliga, in der Relegation und beim Supercup im Einsatz sein. Diese Planung bekräftigten am Montag im Rahmen eines Pressegesprächs in Frankfurt am Main Vertreter von DFL und DFB, die das Projekt Video-Assistent gemeinsam vorantreiben.

Genauigkeit geht vor Schnelligkeit

Schon seit dem Beginn der laufenden Spielzeit wird im Cologne Broadcasting Center (CBC) geprobt und vorbereitet, was bei allen Bundesliga-Spielen ab August 2017 eingeführt werden soll: Die Live-Pilotphase, in der das mögliche Eingreifen des Video-Assistenten unmittelbare Auswirkungen auf Entscheidungen des Schiedsrichters auf dem Spielfeld haben kann.

Bis dahin aber heißt es: Offline üben, üben, üben und Erfahrungen sammeln mit einer Materie, die bei oberflächlicher Betrachtung als einfach zu beherrschen eingeordnet werden könnte, aber komplex in sehr hohem Maße ist. Deshalb gehen die DFL Deutsche Fußball Liga und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) dieses gemeinsame Großprojekt mit der klaren Devise an: Genauigkeit geht vor Schnelligkeit! Mensch und Maschine, Video-Assistenten wie Technik, müssen einwandfrei funktionieren, das Zusammenspiel perfekt sitzen. Dass der Fußball-Weltverband (FIFA) gemeinsam mit dem für das Regelwerk federführend zuständigen International Football Association Board (IFAB) Video-Assistenten schon bei Länderspielen in Italien gegen Frankreich und gegen Weltmeister Deutschland sowie bei der FIFA Klub-WM in Japan einsetzte, widerspricht dem nicht.

Die Tests in Köln werden mit hoher Intensität und großem Aufwand durchgeführt. Alle 23 Schiedsrichter, die derzeit in der Bundesliga im Einsatz sind, haben inzwischen an Bundesliga-Spieltagen mindestens zweimal im "Trainingslager" CBC teilgenommen. Im Review-Center wurden hier von den beiden ausgewählten Bewerbern als Technikdienstleiter, dem schon von der Torlinientechnologie bekannten Hawk-Eye und Evertz, nebeneinander vier Boxen eingerichtet. Somit kann ein Quartett von Schiedsrichtern parallel je ein Bundesliga-Spiel verfolgen, wertvolle Eindrücke gewinnen und inklusive Sprechfunkverbindung simulieren, wann ein Eingriff auf das Spielgeschehen richtig wäre und wann nicht.

Der Charakter des Fußballs soll nicht leiden

Die Planungen von DFL und DFB sehen den Einsatz der deutschen Spitzenreferees auch als Video-Assistenten vor. Eventuell sollen auch Topschiedsrichter, die ihre aktive Laufbahn aufgrund der bei 47 Jahren liegenden Altersgrenze kürzlich beenden mussten, für diese Aufgabe in Frage kommen. Die jetzigen Kandidaten arbeiten im CBC Seite an Seite mit jeweils einem Operator des Dienstleisters, dem die ungemein wichtige Aufgabe zukommt, aus dem Angebot der verschiedenen TV-Kameras im Stadion das ideale Bild für die Auflösung einer kribbligen Situation zu finden – und das in möglichst kurzer Zeit, also in wenigen Sekunden. Schließlich soll der Charakter des Fußballspiels nicht leiden, sondern sich so weiterentwickeln wie es Marco van Basten beschreibt. "Der Fußball bleibt gleich", sagt der frühere niederländische Weltklassestürmer und heutige FIFA-Direktor für Technische Entwicklung. "Aber wir arbeiten dafür, dass er durch den Video-Assistenten noch ehrlicher wird. Alles, was wir wollen, ist, dass das Resultat am Ende eines Spiels tatsächlich auf die reguläre Weise zustande gekommen ist."

Zu einem Allheilmittel wird der Video-Assistent freilich nicht. Genutzt werden darf der technische Fortschritt zur Korrektur ausschließlich für klare Angelegenheiten, wenn also keinerlei Zweifel bestehen. Und das auch nur in vier Situationen: 1. Bei Regelwidrigkeiten (Foul, Handspiel und Abseits) bei einer Torentscheidung; 2. Bei Strafraumsituationen, in denen vom Schiedsrichter unberechtigterweise auf Strafstoß entschieden wurde beziehungsweise nicht; 3. Bei Vergehen, die zu einer Roten Karte führen sollen oder sollten; 4. Im Falle der Verwechslung eines Spielers bei Gelber oder Roter Karte. Das alles zudem unter der Gesamtüberschrift, dass der Video-Assistent kein Oberschiedsrichter ist und der Unparteiische auf dem Rasen unverändert die abschließende Entscheidung trifft.

Unterricht und Erfahrungsaustausch

Die Übungseinheiten in Köln werden begleitet von Unterrichtsabschnitten samt Erfahrungsaustausch zwischen Hellmut Krug, Schiedsrichter-Manager der DFL, als Leiter und den Schiedsrichtern über die bislang gewonnenen Eindrücke. Als ehemaliger FIFA-Referee kann Krug die neue Aufgabe sehr gut einordnen. "Für unsere Schiedsrichter erfordert die Rolle als Video-Assistent eine Umstellung", sagt er, "weil sie auch ein Gefühl für die Wiederholung von Spielszenen bekommen müssen. Im Gegensatz dazu entscheiden sie als Schiedsrichter auf dem Platz ja allein aufgrund ihrer Wahrnehmung in der realen Situation."

Schon bald wird es eine weitere Stufe der Schulungsmaßnahmen geben. In mehreren Abschnitten sind im Frühjahr sogenannte Pre-Live-Test vorgesehen. Über einige Tage sollen dabei in einer Folge mehrerer hintereinander stattfindender Spiele, etwa mit Beteiligung von Juniorenmannschaften aus Bundesliga-Clubs, für die anwesenden Schiedsrichter der nächste Schritt in Richtung Ziel unternommen werden: Dabei steht der Video-Assistent dann in Verbindung mit dem Schiedsrichter auf dem Platz – quasi schon Generalproben. Diese sind in einer gewissen Anzahl vom IFAB vorgegeben, damit die Online-Pilotphase beginnen kann. Ergänzend muss rechtzeitig vor dem Saisonstart in jedem der 18 Bundesliga-Stadien ein Probelauf erfolgt sein.

Bundesliga will Vorreiter sein

"Insgesamt stellt das Projekt Video-Assistent eine enorme Herausforderung dar, logistisch wie unter vielen anderen Gesichtspunkten", sagt Ansgar Schwenken, DFL- und DFB-Präsidiumsmitglied. "Der deutsche Profifußball möchte sich aber auch bei diesem Thema offen für technische Fortschritte und Innovationen zeigen, die für den Fußball Verbesserungen bringen können." Weitere Teilnehmer an der Testphase sind in Europa Belgien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Portugal und die Tschechische Republik; dazu Australien, Brasilien, Katar und die USA sowie Russland, hier von FIFA-Seite in Richtung der dort anstehenden WM 2018 betrieben. Durch die aufwendige Vorbereitung und mit der Umsetzung des Pilotprojekts zum Start in die kommende Saison am 18. August will die Bundesliga aber Vorreiter sein.

Durch die neue Technik kann der Schiedsrichter nur in diesen Bereichen Entscheidungshilfe bekommen.

    Torentscheidung
    (Regelwidrigkeiten)

    Elfmeter
    (Strafraumsituationen)

    Rote Karte
    (nicht oder falsch geahndete Vergehen)

    Spielerverwechslung
    (bei Roter oder Gelb-Roter Karte)