Daniel van Buyten (r.) ist mit sechs Toren neben Gladbachs Roel Brouwers der torgefährlichste Abwehrspieler der Liga
Daniel van Buyten (r.) ist mit sechs Toren neben Gladbachs Roel Brouwers der torgefährlichste Abwehrspieler der Liga

Bayern-Beton auf dem Prüfstand

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Knapp zwei Jahre ist es nun schon her, dass der FC Bayern München zuletzt die Deutsche Meisterschaft feiern durfte. Damals legte die Rekordabwehr, die in 34 Saisonspielen nur 21 Gegentore zuließ, den Grundstein für den Titelgewinn.

"Für den FC Bayern ist der Meistertitel das größte Ziel", formuliert Trainer Louis van Gaal den Selbstanspruch des Rekordmeisters. Doch dieses Ziel ist in Gefahr.

Dritte Saisonniederlage in Frankfurt

Nachdem 2009 das Überraschungsteam aus Wolfsburg den Bayern die Schale wegschnappte, müssen sich die Münchener auch in der aktuellen Spielzeit heftiger Konkurrenz erwehren. Schalke 04 und Bayer Leverkusen liegen mit einem beziehungsweise drei Punkten in Lauerstellung und warten auf Strauchler des Spitzenreiters (Mit dem Tabellenrechner den Saison-Endspurt durchspielen!).

Zuletzt gab es einen in Frankfurt, als die Bayern innerhalb von 104 Sekunden einen 1:0-Vorsprung verspielten und als 1:2-Verlierer die Commerzbank Arena verließen.

Ausschlaggebend für die dritte Saisonniederlage: die Abstimmungs- und Personalprobleme in der Bayern-Defensive, vor allem nachdem Abwehrchef Daniel van Buyten verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste und damit neben dem ohnehin verletzten Martin Demichelis (mehrere Gesichtsfrakturen nach einem Zusammenprall im Länderspiel Deutschland gegen Argentinien) beide etatmäßigen Innenverteidiger nicht zur Verfügung standen.

Schweinsteiger: "Müssen dreckiger spielen"

Doch schon zuvor ließ das Starensemble von der Säbener Straße jede Menge Einschussmöglichkeiten der Eintracht zu - 13 Torschüsse und 36 Flanken der Hessen weist die aus. "Wir müssen kompakter stehen und dem Gegner nicht so viele Torchancen geben", kritisierte Bastian Schweinsteiger nach der Partie und forderte: "Wir müssen auch einfach mal ein bisschen dreckiger spielen, um solche Spiele zu gewinnen."

In der Offensive verfügt der FCB mit Arjen Robben und Franck Ribery über zwei absolute Weltstars, die Stürmer Miroslav Klose, Mario Gomez und Ivica Olic gehören zum Besten, was die Bundesliga in den letzten Jahren zu bieten hatte. So gab es erst drei Saisonspiele, in denen die Münchener ohne eigenen Torerfolg blieben.

Hitzfeld hat Bedenken

Doch andererseits stand beim Rekordmeister erst sieben Mal die Null. Zum Vergleich: Schalke blieb zwölf Mal ohne Gegentor, Leverkusen elf Mal. National reicht das zwar derzeit für Platz 1, auf europäischem Parkett liegt die Messlatte allerdings höher. "In der Defensive ist man nicht mehr stabil. Man wird international nur mithalten können, wenn da Stabilität ist. Da habe ich Bedenken, vor allem nach dem Spiel in Florenz (2:3, Anmerk. d. Red.)", analysiert "Sky"-Experte Ottmar Hitzfeld, der 2008 als FCB-Trainer die Meisterschaft einfuhr.

Also hat der FC Bayern ein Abwehrproblem? Auf den ersten Blick nicht. Mit bislang 24 Gegentoren weist das Team von van Gaal den zweitbesten Wert auf, nur Schalke 04 ließ noch weniger Gegentreffer zu (22). Der Rekordmeister ist das einzige Team der Bundesliga, das in keiner Partie mehr als zwei Gegentore zuließ. Außerdem wehrten die Bayern-Torhüter Jörg Butt und Michael Rensing insgesamt knapp 78 Prozent der Schüsse auf ihren Kasten ab - Ligahöchstwert!

Die Zweikampfquote hat nachgelassen

Doch wenn man die aktuellen Werte mit denen der Rekordabwehr aus der Saison 2007/08 vergleicht, ergeben sich durchaus auffällige Differenzen. Im Meisterjahr ließen die Bayern insgesamt nur 104 Schüsse auf das Tor von Oliver Kahn und Rensing zu, aktuell sind es nach 27. Spieltagen bereits 111. Auch in der Lufthoheit ergeben sich Unterschiede: Unter Hitzfeld trafen Bayerns Gegner nur ein einziges Mal per Kopf, in der laufenden Saison gab es schon fünf Gegentore mit diesem Körperteil.

Große Abweichungen ergeben sich auch beim Blick auf die Zweikampfstatistik. Bis auf Christian Lell (53,8 Prozent) lagen 2007/08 alle defensiven Akteure des FCB über dem Ligaschnitt von 58,7 Prozent. Der im Sommer 2009 zu Inter Mailand gewechselte Lucio war mit einer Quote von fast 70 Prozent gewonnener Zweikämpfe der beste Bayern-Verteidiger. Demichelis folgte mit 67,7 Prozent hinter dem Brasilianer. Der Argentinier war damit 2007/08 um zwölf Prozent besser als aktuell.

Rechtsverteidiger Philipp Lahm liegt aktuell mit 59,2 Prozent zwar knapp über dem Liga-Durchschnitt (59 Prozent), war in der Meistersaison, in der er auf der linken Abwehrseite agierte, im Duell "Mann gegen Mann" ebenfalls um sechs Prozent besser (66,1 Prozent). Einzig van Buyten hatte bei seinen 19 Einsätzen in etwa dieselbe Quote (61,9 Prozent) wie aktuell (62,3 Prozent).

"Wenn nur einer ausfällt, wird man Probleme bekommen"

Vor den "Wochen der Wahrheit" mit den direkten Duellen gegen die Verfolger aus Schalke und Leverkusen sowie den beiden Champions-League-Auftritten im Viertelfinale gegen den englischen Meister Manchester United darf sich der FCB also nicht nur auf seine überragende Angriffsabteilung verlassen. "Entscheidend wird gegen Manchester nicht die Offensive sein, sondern dass man in der Defensive kompakt steht", erklärt Hitzfeld.

Dass die Münchener in den wichtigen Partien doch zu Null spielen können, haben sie im Pokal-Halbfinale bei 1:0-Sieg auf Schalke bewiesen. Auch Hitzfeld glaubt an die generelle Qualität der Bayern-Defensive: "Wenn Demichelis wieder spielt, mit van Buyten in der Innenverteidigung, Badstuber links und Lahm rechts hat man eine sehr starke Abwehr. Gleichzeitig warnt der Experte allerdings: "Wenn nur einer ausfällt, wird man Probleme bekommen."

Denis Huber