Ömer Toprak (h., gegen Moritz Leitner) und Bayer Leverkusen können auch dreckig gewinnen - in Stuttgart war die Defensive der Garant für den Sieg
Ömer Toprak (h., gegen Moritz Leitner) und Bayer Leverkusen können auch dreckig gewinnen - in Stuttgart war die Defensive der Garant für den Sieg

Bayer zufrieden mit "dreckigem" Sieg

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Stuttgart - Schnell und heimlich war Bayer 04 Leverkusen am Samstagabend weg: Das Trainerteam um Sami Hyypiä und die Spieler verließen - mit Ausnahme von Ömer Toprak, der mehr als zwei Stunden für seine Dopingprobe benötigte - durch den Seiteneingang die Mercedes-Benz Arena und dann mit dem Bus Stuttgart-Bad Cannstatt.

Völler ist zufrieden

Die Partie beim VfB Stuttgart war sicherlich kein Offensiv-Spektakel von Bayer 04, es gab kein Feuerwerk der Torchancen und ganz sicher war es auch keine Aufführung von aneinandergereihten Kabinettstückchen, bei denen sich die 40.800 Zuschauer verblüfft die Augen rieben - doch Hyypiäs Mannschaft zeigte beim eine ganz neue Qualität: Bayer gewann ohne Glanz und Gloria, sondern holte sich völlig untypisch einen "dreckigen" Sieg. Ganz im Stile einer Topmannschaft.



"Da war ein bisschen Glück dabei, das muss man so sagen", gab Sportdirektor Rudi Völler, der sich als einziger Bayer-Verantwortlicher am Samstagabend den Fragen der Journalisten stellte, siegesgewiss zu. "Stuttgart war in der zweiten Halbzeit energischer, aggressiver, besser - aber wir haben das 1:0 verteidigt und den Sieg über die Zeit gerettet." Nach diesem Satz nickte er mehrmals, um zu verdeutlichen, dass er mit diesem hart erkämpften Erfolg nicht das geringste Problem hat. Warum denn auch?

Bayer hat an den ersten beiden Spieltagen der neuen Bundesliga-Saison bereits eine beachtliche Bandbreite präsentiert: Dem von Technik, Schnelligkeit und Spielwitz geprägten Auftritt in der BayArena gegen den SC Freiburg (3:1) folgte nun diese gemeinschaftliche Verteidigungskunst im Schwabenland. Und nach zwei Spieltagen grüßt der Vorjahresdritte punkt- und torgleich mit Triple-Sieger Bayern München von der Tabellenspitze (Borussia Dortmund und Hertha BSC Berlin können Sonntag noch vorbeiziehen).

Zerknirschter Schwaab würde es "wieder tun"



Die Stuttgarter hatten sich durch eine überraschende wie schlaue Systemumstellung (von 4-2-3-1 auf 3-4-2-1) sehr gut auf das Leverkusener Angriffstrio Heung-Min Son/Stefan Kießling/Sidney Sam eingestellt und alle drei größtenteils aus der Partie genommen. Für Überraschungsmomente bei Hyypiäs Mannschaft mussten Mittelfeldchef Lars Bender oder Linksverteidiger Sebastian Boenisch sorgen.

Und der 26-Jährige, der im Sommer 2012 beinahe zum VfB gewechselt wäre, war es dann auch, der in der 42. Minute nach einem Son-Pass in die Tiefe den Ball flach vors Stuttgarter Tor brachte - und dort bugsierte der Ex-Leverkusener Daniel Schwaab vor den Mitspielern Cristian Molinaro und Sven Ulreich sowie Bayer-Torjäger Kießling den Ball ins eigene Netz. "Das war natürlich sehr bitter und sauärgerlich, keine Frage", sagte Eigentor-Schütze Schwaab, "beim nächsten Mal würde ich aber wieder so reingehen."

"Eismann" Spahic und das Bayer-Bollwerk



Der VfB Stuttgart stellte seine Taktik zur zweiten Halbzeit um, Trainer Bruno Labbadia brachte Moritz Leitner und Cacau für Konstantin Rausch und Arthur Boka und der Ball lief im Grunde nur in Richtung Bayer-Keeper Bernd Leno. Christian Gentner wischte mit einem Fernschuss mal die Latte (81.), der ebenfalls eingewechselte 17-jährige Timo Werner forderte Leno kurz vorm Abpfiff zu einer Parade heraus - mehr kam aber nicht wirklich vom VfB.

Der Leverkusener Defensivverbund stand die gesamten 96 Minuten lang nahezu fehlerfrei. Die Außenverteidiger Giulio Donati und Boenisch hauten sich in jeden Luft- und Bodenzweikampf rein, die defensivdenkenden Mittelfeldmänner Stefan Reinartz und Lars Bender (in Halbzeit zwei kam Simon Rolfes) räumten vor den Augen von Bundestrainer Joachim Löw vieles ab. Toprak spielte eine leichtfüßige, konzentrierte und gute Partie und Emir Spahic setzte sogar noch einen drauf.

Der bosnische Innenverteidiger, der am Sonntag 33 Jahre alt wird, leistete sich nicht einen Fehler, stand immer richtig und gewann 78 Prozent seiner Zweikämpfe (beste Bayer-Quote). "Man sieht, dass Emir jede Menge Erfahrung hat und warum wir ihn geholt haben", lobt Rudi Völler den kopfballstarken Neuzugang, der zuletzt vom FC Sevilla an den russischen Club Anschi Machatschkala verliehen war. Völler weiter: "Er wird nie hektisch, ich habe den Eindruck, auf dem Feld gefriert er zu Eis."

Völler: "Es ist noch reichlich Luft nach oben"



Auch der einstige Weltklasse-Abwehrspieler Sami Hyypiä war an diesem sommerlichen Samstag ganz auf Defensive eingestellt: In der 71. Minute brachte Leverkusens Trainer Jens Hegeler für Son, in der 83. Minute Philipp Wollscheid für den diesmal glücklosen Torschützenkönig Stefan Kießling. Zwei richtige Entscheidungen des Finnen: Die insgesamt 36 (!) Flanken und zehn Ecken des VfB fanden nicht ein Mal einen Abnehmer.

Giulio Donati vermeldete so am Abend während der Fahrt mit dem Bus nach Leverkusen entspannt "einen schönen Sieg in einem schwierigen Spiel" über Twitter, sein Sportdirektor jedoch hält den Ball flach: "Unsere ersten beiden Spiele waren gut, doch es ist noch reichlich Luft nach oben. Wir werden jetzt nicht die Bodenhaftung verlieren", mahnt Rudi Völler.

Denn auch die nächste Aufgabe wird keine leichte sein: Am kommenden Samstag kommt Borussia Mönchengladbach in die BayArena. Die "Fohlen" haben sich durch das 3:0 gegen Hannover 96 neues Selbstvertrauen erspielt.

Aus Stuttgart berichtet Henrik Lerch