Pavel Pogrebnyak (l.) und Alexander Hleb sind nach der Führung von Sevilla konsterniert. Später durften sie den Ausgleich bejubeln
Pavel Pogrebnyak (l.) und Alexander Hleb sind nach der Führung von Sevilla konsterniert. Später durften sie den Ausgleich bejubeln

Auf schmalem Grat zwischen Angst und Courage

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Stuttgarts Chef-Trainer Markus Babbel gilt als eher ruhiger Vertreter seiner Zunft. Sachliche Analysen und besonnene Ansprachen - dafür ist der ehemalige Weltklasseverteidiger bekannt.

In der Halbzeitpause der Champions-Leauge-Partie beim FC Sevilla lernten seine Spieler eine neue Seite an ihm kennen. "Ich musste ein wenig lauter werden", räumte der 37-Jährige nach dem 1:1 beim spanischen Spitzenclub ein.

Die erste Hälfte war eine Katastrophe

In den ersten 45 Minuten hatte sein Team noch eine ähnlich nervöse und lethargische Vorstellung abgeliefert wie in den vergangenen Wochen. "Die erste Hälfte war eine Katastrophe und für mich unerklärlich, wir waren viel zu ängstlich und behäbig, was überhaupt nicht nachvollziehbar war", sagte der Coach.

Seine deutliche Ansprache zeigte Wirkung. Mit einem fulminanten Schuss in den rechten Torwinkel (79.) sicherte der Serbe Zdravko Kuzmanovic dem VfB in den Schlussminuten einen Punkt. Bereits in der 14. Minute hatte Sevillas überragender Kapitän Jesus Navas nach überlegtem Zuspiel von Luis Fabiano den Führungstreffer für die Andalusier erzielt.

Mit drei Punkten aus drei Spielen hat der VfB bei zwei ausstehenden Partien gegen Urziceni und Glasgow weiterhin die Chance auf den Achtelfinaleinzug. "Jetzt haben wir es wieder selbst in der Hand", freute sich Babbel. "Aber dazu benötigen wir eine Leistung wie in der zweiten Halbzeit."

Wechsel bringen frischen Wind

Besonders erfreulich für den Trainer war, dass er mit seinen Einwechslungen goldrichtig lag. Nach der Pause brachten die Youngster Sebastian Rudy und Stefano Celozzi frischen Wind über die rechte Seite, nachdem Roberto Hilbert und Khalid Boulahrouz hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren. In der 65. Minute kam mit Julian Schieber für Thomas Hitzlsperger ein weiterer Nachwuchsmann für einen Routinier.

In der ersten Hälfte hatten die Spanier, bei denen die Stammkräfte Andres Palop, Alvaro Negredo und Renato anfangs nur auf der Bank saßen, noch ein deutliches Chancenplus verzeichnet. In Hälfte zwei dann verkehrte Welt: Der VfB fand gegen den 3. der Primera Division besser ins Spiel und war in der Schlussphase sogar näher am Sieg als die spielstarken Gastgeber, die nach dem Seitenwechsel merklich Tempo aus der Partie nahmen. Angetrieben von den forsch aufspielenden Nachwuchsmännern übernahm der VfB das Ruder. "Es ist ein schmaler Grat zwischen Angst und Courage", beschrieb Stuttgarts Sportvorstand Horst Heldt den Auftritt treffend.

"Das war zu wenig"

Die große Chance zum Sieg hatte wenige Minuten vor Schluss der eingewechselte Schieber nach einer Flanke von Arthur Boka. Der junge Stürmer verpasste aus wenigen Metern. "Das war natürlich schade", sagte Schieber. "Wir hatten durchaus noch Chancen, das Spiel für uns zu entscheiden, obwohl wir Außenseiter waren."

Einer trauerte dem verpassten "Dreier" besonders nach. "Das war zu wenig", sagte Torhüter Jens Lehmann nach der Partie. Der Torhüter hatte sein Team mit starken Paraden in der ersten Hälfte in der Partie gehalten und das Spiel in der Schlussphase mit schnellen Abwürfen immer wieder schnell gemacht.

"Nach dem 1:1 hatte ich das Gefühl, dass einige denken: Das reicht ja, wir sind mit einem blauen Auge davongekommen", so der Keeper. "Eigentlich hatten wir aber noch die Chance auf einen Sieg. In solchen Situationen fehlt es ein bisschen an Erfahrung."

"Wirbel wird es weiterhin geben"

Weitere Erfahrungen in der "Königsklasse" darf der VfB bereits am 24. November bei den Glasgow Rangers sammeln. Bis dahin gilt es, den Aufwärtstrend in der Bundesliga zu bestätigen. Denn obwohl der VfB nach wettbewerbsübergreifend acht sieglosen Spielen weiter auf den erhofften Sieg wartet, ist die Kritik am Team und insbesondere an Trainer Babbel vorerst verstummt. Die Beteiligten wissen allerdings, dass die Ruhe trügt.

"Den Wirbel im Umfeld wird es weiterhin geben, weil wir in der Bundesliga noch unten drin stehen", sagte Julian Schieber gegenüber bundesliga.de. "Das wird sicher erst weniger werden, wenn wir die kommenden Spiele erfolgreich gestalten." Die nächste Chance dazu hat der VfB am 12. Spieltag bei Borussia Mönchengladbach.

Aus Sevilla berichtet Andreas Messmer