Mit einem Doppelpack erledigt Mario Balotelli (l.) Deutschland im EM-Halbfinale fast im Alleingang
Mit einem Doppelpack erledigt Mario Balotelli (l.) Deutschland im EM-Halbfinale fast im Alleingang

Albtraum Italien

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München - Während die meisten Bundesliga-Spieler im Urlaub weilen, verrichten die Clubmanager Schwerstarbeit. Sie müssen die Mannschaftskader für die kommende Saison zusammenbauen. Einige spektakuläre Transfers gelingen bereits. Doch das Hauptinteresse der Fans gilt der Europameisterschaft, die in Polen und der Ukraine ausgetragen wird. Die deutsche Nationalmannschaft und ihr Trainer Joachim Löw machen vier Spiele alles richtig. Dann kommt Italien.

Leistungssteigerung gegen die Niederlande

Portugal, Dänemark und die Niederlande. Die Vorrundengegner bei dieser EM hatten es in sich. Von "Hammergruppe" war die Rede. Ohne Zweifel war diese Gruppe B ebenso wie die Gruppe C (Spanien, Italien, Kroatien und Irland) weitaus stärker besetzt als die beiden Gruppen der Gastgeber.



Die deutsche Mannschaft startete ordentlich ins Turnier. Dem 1:0-Auftaktsieg gegen Portugal fehlte der Glanz. Aber wie heißt es immer so schön: Es zählten die drei Punkte. Der Bundestrainer ging bei der Aufstellung keine großen Experimente ein und setzte auf Routine und einen Bayern-Block. Sieben Stars aus München standen in der Startformation, nur einer - Mats Hummels - vom Doublegewinner Borussia Dortmund.

Der Erfolg gegen die starken Portugiesen, die in der Schlussphase mehrfach dem Ausgleich nahe waren, gab Löw Recht. Für Missstimmung und Empörung sorgte lediglich die harsche Kritik vom TV-Experten Mehmet Scholl ausgerechnet an Mario Gomez, dem Schützen des Goldenen Tores. Fehlende Beweglichkeit attestierte ihm Scholl, und: "Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wund gelegen hat, dass man ihn wenden muss."

Gegen die mit einer Niederlage gegen Dänemark ins Turnier gestartete Niederlande gelang Deutschland eine Leistungssteigerung. Dem glänzend aufgelegten Bastian Schweinsteiger gelangen zwei Traumpässe auf Mario Gomez, der beide Tore beim 2:1-Erfolg erzielte und auf seine Weise die Diskussionen um seine Person zum Verstummen brachte.

Bender erlöst eine ganze Nation



Trotz der beiden Siege drohte Deutschland noch immer der K.-o., der dann eintreten würde, wenn man selbst gegen Dänemark und Holland gegen Portugal verlieren sollte. Die Partie gegen die Skandinavier geriet zur Zitterpartie. Nachdem Lukas Podolski in seinem 100. Länderspiel die Führung herausgeschossen hatte, musste nach dem Ausgleich der Dänen bis zur 80. Minute gezittert werden, ehe Lars Bender nach einem 80-Meter-Sprint das erlösende Siegtor gelang.

Deutschland stand damit ebenso im Viertelfinale wie Portugal, das die Niederlande dank eines Doppelpacks von Superstar Cristiano Ronaldo ebenfalls mit 2:1 bezwang. Die Niederländer waren ohne Punktgewinn blamabel ausgeschieden, Bondscoach Bert van Marwijk trat wenig später zurück.

Auf Deutschland wartete im Viertelfinale Griechenland, das überraschend Russland ausgeschaltet hatte. Das sorgte für eine gehörige Portion Optimismus. Trotzdem war die Stimmung im deutschen Lager eher durchwachsen, da Löw nur auf einen Stamm weniger Spieler setzte und zahlreiche Kicker noch keine Minute gespielt hatten: darunter Marco Reus, Mario Götze, Benedikt Höwedes und andere. Toni Kroos war ebenfalls unzufrieden, Bastian Schweinsteiger trotz der Gala gegen Holland offensichtlich nicht hundertprozentig fit.

Lehrgeld gezahlt



Gegen die Griechen rotierte Löw erstmals. Miroslav Klose stürmte statt Mario Gomez, Andre Schürrle ersetzte Lukas Podolski und Marco Reus spielte statt Thomas Müller. Die Rechnung ging auf, Deutschland siegte nach Toren von Philipp Lahm, Sami Khedira, Miroslav Klose und Marco Reus überzeugend mit 4:2 und stand im Halbfinale.

Dort wartete Angstgegner Italien auf die deutsche Elf. Löw stellte abermals um, diesmal ohne Erfolg. Sein Schachzug Kroos gegen Italiens Spielmacher Andrea Pirlo zu stellen, entpuppte sich ebenso als Fehlgriff, wie die Herausnahmen von Klose und vor allem Reus, die durch Gomez und Podolski ersetzt wurden. Deutschland beraubte sich nach allgemeiner Expertenansicht seiner eigenen Stärken, orientierte sich zu sehr an den Tifosi und musste bei der verdienten 1:2-Niederlage (Tore: Mesut Özil und zwei Mal Mario Balotelli) bitteres Lehrgeld zahlen. Statt im Traumfinale gegen Welt- und Europameister Spanien um den EM-Titel zu kämpfen, ging es vorzeitig nach Hause und in den Urlaub.

Die Ferien waren Ende Juni für viele andere Bundesliga-Profis schon vorbei. Die Vorbereitung auf die neue Saison begann. Und viele neue Gesichter tauchten bei den Vereinen auf. Der Deutsche Meister Borussia Dortmund verpflichtete u.a. den Stuttgarter Angreifer Julian Schieber, Eintracht Frankfurt angelte sich den Fürther Aufstiegshelden Olivier Occean. Borussia Mönchengladbach begrüßte als Neuzugang mit Alvaro Dominguez einen spanischen Nationalverteidiger vom Europa-League-Gewinner Atletico Madrid. Der 1. FC Nürnberg sicherte sich die Dienste des Ex-Wolfsburger Sebastian Polter.

Dost heuert in Wolfsburg an



Apropos Wolfsburg: Der VfL in Person seines Trainer-Managers Felix Magath schlug wieder kräftig auf dem Transfermarkt zu. Der holländische Torschützenkönig Bas Dost heuerte bei den "Wölfen" an, der Hannoveraner Verteidiger Emanuel Pogatetz und auch der ehemalige Bayern-Stürmer Ivica Olic. Dermaßen prominent im Angriff besetzt, ließ Magath seinen Goalgetter Mario Mandzukic (zuletzt zwölf Tore) zum FC Bayern ziehen.

Auf größere Einkaufstour musste sich auch Aufsteiger Fortuna Düsseldorf begeben, der alleine seine besten drei Torschützen (Beister, Rösler, Bröker) verlor. Die Rheinländer holten u.a. Leverkusens Keeper Fabian Giefer und den Freiburger Stürmer Stefan Reisinger.

Fußball gespielt wurde in Deutschland auch noch. Im Finale der A-Junioren sicherte sich der FC Schalke 04 mit einem 2:1 gegen Bayern München die Meisterschaft. Bei den B-Junioren setzte sich Hertha BSC gegen den VfB Stuttgart mit 2:0 durch.


Das Spiel des Monats Juni: Deutschland - Griechenland 4:2 (1:0)



Deutschland ging als klarer Favorit ins Spiel in Danzig, tat sich aber lange Zeit schwer. Kapitän Philipp Lahm blieb es in der 38. Minute vorbehalten, seine neuformierte Mannschaft nach einer schönen Einzelaktion per Weitschuss zur Pausenführung zu schießen.

Nach dem Seitenwechsel kassierte die deutsche Elf den unnötigen Ausgleich durch Georgios Samaras (55.), korrigierte dies allerdings umgehend. Innerhalb von 14 Minuten trafen Sami Khedira, Miroslav Klose und Marco Reus zur 4:1-Führung. Den Schlusspunkt setzte Dimitrios Salpingidis, der kurz vor Schluss per Handelfmeter verkürzte.

Deutschland hatte 4:2 gewonnen, Marco Reus sein vielversprechendes Turnierdebüt gegeben. Auch Mario Götze kam noch zu einem Kurzeinsatz. Nicht ganz so glücklich war Lukas Podolski, der beim ersten Endrundenspiel der deutschen Mannschaft in seinem Geburtsland Polen keine Minute spielen durfte.

Tobias Gonscherowski


Das Jahr 2012 im Überblick