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Dieter Nüssing scoutet beim "Club" die Stars von morgen (© imago)
Dieter Nüssing scoutet beim "Club" die Stars von morgen (© imago)

2018 im Blick

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Nürnberg - Als das Interview beendet ist, liegt das Trainingsgelände des 1. FC Nürnberg längst im Dunkeln, in eineinhalb Stunden wird das Heimspiel gegen Mainz 05 angepfiffen, an dessen Ende die Abstiegssorgen der Franken nicht kleiner geworden sind.

Das Trüffelschwein beim "Club"

Doch bevor Dieter Nüssing (64) seinen Platz auf der Haupttribüne einnimmt, um das vorletzte Heimspiel des Jahres 2014 zu beobachten, kümmert er sich um 2018: Der Jungspund, der frierend vor der Geschäftsstelle wartet und gleich einen Ausbildungsvertrag beim "Club" unterschreiben wird, könnte dann im Alter sein, in dem er den Profis helfen kann. "Wir müssen schauen, dass wir pro Jahr einen Spieler aus der eigenen Jugend durchbringen“, sagt der Mann mit dem weißen Wuschelkopf. "Entweder durch Ausbildung oder Sichtung."

Für letztere zeichnet sich auch Nüssing verantwortlich, der im Team von Chefscout Christian Möckel arbeitet und mitverantwortlich dafür ist, dass der "Club" als eine der ersten Adressen für hoffnungsvolle Talente gilt, die Spielpraxis in der Bundesliga sammeln wollen: Timothy Chandler, Marvin Plattenhardt, Niklas Stark, Mike Frantz - die Liste der Stammspieler, die entweder bei unterklassigen Vereinen entdeckt oder selbst ausgebildet wurden, ist auch in dieser Spielzeit lang. Und nicht erst seit gestern gilt Nüssing als eines der Trüffelschweine beim "Club".

Gerne erzählt er, wie er Philipp Wollscheid entdeckt hat, einen von unzähligen Spielern, die beim "Club" geschliffen wurden, ehe sie bei ambitionierteren Vereinen den nächsten Schritt machen konnten: "Ich habe mir damals das Saar-Derby zwischen Borussia Neunkirchen und dem 1. FC Saarbrücken eigentlich angeschaut, um Mike Frantz ein letztes Mal zu sehen, bevor wir ihn holen“, berichtet Nüssing.

Doch dann fiel ihm der lange Schlacks in der Saarbrücker Innenverteidigung auf, der eigentlich nur einsprang, weil den FCS Verletzungssorgen plagten: "Der hat gespielt als ob er 500 Spiele hat“. Kurz darauf spielte der heutige Leverkusener beim Club. Es war einer der vielen kleinen Triumphe im Berufsleben eines Mannes, der zu bescheiden ist, um sich selbst zu loben und bei Fragen nach seinem Anteil an den vielen guten Transfers der Vergangenheit unruhig auf dem Stuhl herumrutscht. Lieber redet er über seine Verbundenheit zum Club - die steht bei einem Mann, der seit über 40 Jahren mit kurzen Unterbrechungen für den FCN arbeitet - als Spieler, Scout oder Nachwuchs-Coach - ja auch außer Zweifel.

"Vereinsleben endet nicht mit dem Karriereende"

1967 kam Offensivmann Nüssing von der heimischen Mosel zum "Club" und wurde schnell zum Publikumsliebling. "Mein Spiel war eben das Rennen und Kämpfen, und als Kapitän muss man die Kollegen halt auch immer wieder anfeuern“, sagt er. "So etwas gefällt den Zuschauern natürlich.“ Dass Nüssing die meiste Zeit seiner Fußballkarriere beim damaligen Zweitligisten verbrachte, war ebenfalls nicht imageschädigend. Erst als er  27 war und immer noch kein Bundesligaspiel auf dem Buckel hatte, kam das Angebot von Hertha. Dass er es annehmen sollte, fanden beide Seiten: "Hier beim 'Club' brauchten sie mal wieder Geld.“

Nüssing, der nur fünf Minuten entfernt vom Stadion wohnt, genießt noch heute die Verwurzelung im Verein, die Spiele in der Traditionsmannschaft, in der er mit Dieter Frey, Jörg Dittwar oder Rainer Zietsch kickt, die Weihnachtsfeiern mit den ehemaligen Mitspielern. "Das Vereinsleben endet ja nicht mit dem Karriereende“, sagt Nüssing, der es klaglos hinnimmt, dass die Fluktuation in der Branche heutzutage groß ist.

Früher war alles besser? Im Gegensatz zu manchem Altersgenossen wäre ihm dieses Lamento zu platt. Es wäre auch unehrlich, die jungen Spieler zu kritisieren, findet er: "Wenn man mir damals solche Gehälter gezahlt hätte wie denen heute, wäre ich wahrscheinlich auch gegangen.“ Dass sie "den Draht zu den Jungen“ nie verloren haben, behaupten viele Ex-Profis. Wer es Dieter Nüssing nicht glauben würde, sähe sich beim Gang durch die Geschäftsstelle eines Besseren belehrt. Zu überzeugend ist die Freude, mit der die U-13-Spieler "Hallo, Herr Nüssing“ rufen. 

Christoph Ruf