OFC-Präsident Horst-Gregorio Canellas Aussagen führten zum Bundesliga-Skandal
OFC-Präsident Horst-Gregorio Canellas Aussagen führten zum Bundesliga-Skandal

1970/71: Knallbonbon am kalten Büffet - der Bundesliga-Skandal

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An einem strahlend schönen Sommermorgen zogen rabenschwarze Wolken über das deutsche Oberhaus. Auf der Party zu seinem 50. Geburtstag ließ der damalige Präsident Horst Gregerio Canellas vom Absteiger Kickers Offenbach am kalten Büffet ein Knallbonbon der besonderen Art hochgehen und enthüllte am Tag nach dem Ende der Saison 1970/71 den Bundesliga-Skandal.

Ein Tonband mit aufgezeichneten Telefonaten von Spielern, Trainern und Funktionären verschiedener Vereine als Beweis für die Manipulation von mehreren Partien der abgelaufenen Spielzeit erschütterte den deutschen Fußball in seinen Grundfesten.

Gefahr für Chefermittler

Die Mitschnitte entsetzten die Öffentlichkeit, im Zuge der Ermittlungen sowohl durch die Gremien des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) als auch durch ordentliche Gerichte erschien die Liga zunehmend als ein Sumpf der Korruption.

Der damalige DFB-Chefankläger Hans Kindermann erhielt während seiner fast zweijährigen Aufklärungsarbeit ("Wenn wir das Vertrauen nicht wieder zurückgewinnen, ist der Fußball tot") ernstzunehmende Morddrohungen.

Kindermann: "Unglaubliche Dinge"

Denn zu vertuschen gab es genug: Das auf traurige Weise legendäre "Geldspiel" am 17. April 1971 zwischen Schalke 04 und Arminia Bielefeld, in dem die abstiegsbedrohten Gäste ihren 1:0-Sieg zuvor mit 40.000 Mark oder 2300 Mark pro Schalker Spieler erkauft hatten, war nur die Spitze des Eisbergs.

Kindermann deckte nämlich "unglaubliche Dinge" auf. In Berlin zum Beispiel stand eine Viertelmillion Mark Schmiergeld am Spielfeldrand. Insgesamt floss im Abstiegskampf über eine halbe Million Mark Bestechungsgeld.

Fans reagierten abweisend

Nach monatelanger Detektivarbeit stand fest, dass außer Schalke sowie Bielefeld und Offenbach auch Hertha BSC Berlin, der MSV Duisburg, VfB Stuttgart, 1. FC Köln, Rot-Weiß Oberhausen und Eintracht Braunschweig in die Verschiebung von Spielen verwickelt waren.

Viele Kommentatoren sahen den Berufsfußball in Deutschland schon am Ende. Die Fans verloren den Glauben an ihr liebstes Kind und wandten sich mit Grausen ab: In der anschließenden Saison fehlten der Eliteklasse über 800.000 Zuschauer.

DFB kehrt mit eisernem Besen

Der DFB kehrte denn auch mit eisernem Besen: Zum Teil in Mammutprozessen verhängte der Verband gegen 52 Profis, die Trainer Egon Piechaczek (Bielefeld) und Günther Brocker (Oberhausen) Sperren und Geldstrafen, Offenbach und Bielefeld bekamen die Lizenz entzogen.

Erst als spitzfindige Anwälte den DFB wegen seiner Urteile vor zivile Gerichte zerrten, wich der Verband von seiner harten Linie ab, begnadigte zahlreiche Sünder oder erteilte ihnen zumindest die Freigabe für das Ausland und zog letztlich einen Schlussstrich.

Dennoch fiel Kindermanns Fazit rückblickend positiv aus: "Bestechungsversuche sind eine Phase in der Entwicklung des bezahlten Fußballs. Damals bedeuteten sie zweifellos eine große Gefahr für den jungen Professionalismus. Das Überwinden des Skandales macht es unwahrscheinlich, dass es neue Manipulationen geben wird."