Torhüter Heinz Rohloff (v.) hütete die "Schießbude" der Bundesliga-Geschichte
Torhüter Heinz Rohloff (v.) hütete die "Schießbude" der Bundesliga-Geschichte

1965/66: "Tas" sorgt für Saison der Trostlosigkeit

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Dass die Berlin-Hilfe aus der Bundesrepublik nicht immer nur positive Effekte für die Beschenkten hatte, musste in der Bundesliga-Saison 1965/66 Traditionsclub Tasmania 1900 am eigenen Leib erleben.

Zunächst feierten am 14. August noch 80.000 Zuschauer im Olympiastadion den 2:0-Auftaktsieg gegen den Karlsruher SC, doch von Woche zu Woche nahm das Schicksal seinen Lauf, und "Tas" krönte sich in einer Rekordsaison der Trostlosigkeit unfreiwillig zum schlechtesten Bundesligisten aller Zeiten. 8:60 Punkte und 15:108 Tore lautete die Bilanz nach einer Spielzeit voller Kuriositäten.

Im Urlaub überrascht

"Schönen Dank, lieber DFB, aber nicht für diese Saison", hätte man nach Ansicht von "Tas"-Kapitän Hans-Günther Becker den Herren des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) unter Präsident Dr. Hermann Gösmann telegrafieren sollen.

Doch stattdessen sendeten Radio Luxemburg und der Deutschlandfunk vor Saisonstart in ganz Europa die berühmten Reiserufe an die im Urlaub befindlichen Spieler: "Tasmanen-Spieler bitte sofort in Berlin melden!" So wurde Helmut Fiebach von der österreichischen Gendarmerie auf einem Campingplatz gefunden.

Bundesliga-Ausflug wird zur Bruchlandung

Ganz im Gegensatz zur dänischen Nationalmannschaft, die, vom Strand aus zusammengerufen, 1992 in Schweden sogar Europameister wurde, geriet der Ausflug von Tasmania in die Höhen des nationalen Fußballs zur Bruchlandung.

Nach dem Zwangsabstieg von Hertha BSC wegen Zahlung von Handgeldern in unerlaubter Höhe und trotz des Scheiterns des Berliner Regionalliga-Meister Tennis Borussia Berlin in der Aufstiegsrunde an Bayern München, sollte auf Biegen und Brechen ein Berliner Club in die höchste Spielklasse gehievt werden.

"Das wird ein Himmelfahrtskommando"

Der "Deal" war simpel, im Gegenzug zur Berlin-Hilfe durften die sportlichen Absteiger Karlsruher SC und FC Schalke 04 drinbleiben und die Liga wurde auf 18 Clubs aufgestockt. Nachdem der Spandauer SV das Abenteuer Bundesliga nicht wagen wollte, wurde Tasmania als Regionalliga-Dritter der Berlin-Staffel plötzlich nach oben "durchgereicht".

"Mir war klar, das wird ein Himmelfahrtskommando, aber die Euphorie war einfach zu groß", beschrieb "Atze" Becker die Stimmung im Neuköllner Kiez, dem heute noch einwohnerstärksten Stadtbezirk der Millionenmetropole.

Nationalspieler Szymaniak kam aus Italien

Es gelang, Nationalspieler und Italien-Legionär Horst Szymaniak vom italienischen Erstligisten US Varese an die Spree zu locken. Doch auch "Schimmi" konnte den Trend in Richtung "Schießbude" der Liga nicht aufhalten. "Mich reizte die Stadt Berlin, und ich dachte, wir hätten doch mit 'Tas' überhaupt nichts zu verlieren. Aber die Trainer haben zu viele Fehler gemacht", erinnerte sich Szymaniak.

Das Interesse flaute extrem ab, und gegen Borussia Mönchengladbach sorgten 827 Zahlende für den nächsten Minusrekord. Der Club geriet daraufhin in wirtschaftliche Schieflage und konnte nur mit Hilfe eines 150.000 Mark-Darlehens des DFB den Spielbetrieb aufrechterhalten.

Finanzieller Absturz nach Abstieg

Dank der Transfers von "Schimmi" für 91.000 Mark an den FC Biel und Ingo Usbeck an den 1. FC Nürnberg nach Saisonende gelang es, die finanzielle Last erträglich zu gestalten. Doch nach drei gescheiterten Versuchen, sportlich in die Bundesliga zurückzukehren, wurde 1973 wegen eines Schuldenstandes von 800.000 Mark Konkurs angemeldet.

Der Folgeverein, Tasmania Gropiusstadt 1973, fing von ganz unten neu an und spielt in der Saison 2008/09 in der Landesliga Berlin I.