Arnold Schütz (l.) und Gerhard Zebrowski setzen sich im Luftduell durch
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1964/65: "Fischken" führt "Fischköppe" zum Titel

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Völlig überraschend entschied Werder Bremen die zweite Bundesliga-Saison 1964/65 für sich. Prunkstück des Teams war die Defensive. Der Titel wurde ausgiebig gefeiert. Die erste Meisterschaft ist für die Fans von Werder Bremen bis heute die schönste geblieben. 200.000 Anhänger, weit mehr als beim Gewinn des Europapokals der Pokalsieger 1992, feierten ihre Helden und Trainer Willi "Fischken" Multhaup bei ihrem Triumphzug durch die Straßen der Hansestadt.

Die Begeisterung bei den "Fischköppen" war schier grenzenlos, obwohl der Titelgewinn am Tage der großen Feierlichkeiten schon neun Tage alt war. Mit einer Mannschaft der weitgehend Namenlosen hatten sich die Norddeutschen bereits am vorletzten Spieltag die "Schüssel" gesichert.

Höttges als Schlüsselspieler

Die Taktik des 62 Jahre alten Coaches fußte auf disziplinierter Abwehrarbeit und einem System, in dem nahezu jeder Akteur austauschbar war. In 30 Spielen kassierten die Hanseaten nur 29 Gegentore, und da seinerzeit das Torverhältnis statt der Tordifferenz zur Anwendung kam, war dies eine clevere Marschroute.

Multhaup trocken: "Siege werden in der Abwehr errungen." Einen wichtigen Anteil daran hatte der spätere Welt- und Europameister Horst-Dieter Höttges. Inkognito und mit einer Sonnenbrille getarnt, flog der Verteidiger mit den Bremern vor Saisonbeginn zu einem Turnier in die USA. Zum frühestmöglichen Termin wurde an einem Swimming-Pool in Hollywood der Vertrag unterschrieben, die Bundesliga-Konkurrenz hatte das Nachsehen.

Meisterfeier fast geschenkt

"Es war ein rauschendes Fest", erinnert sich Höttges heute, der für eine Ablösesumme von 80.000 Mark von Borussia Mönchengladbach an die Weser gewechselt war. Sein monatliches Grundgehalt betrug seinerzeit 1.200 Mark.

Zum Vergleich allerdings: Eintrittskarten für die offizielle Meisterehrung in der Bremer Stadthalle wurden für 1 (!) Mark verkauft. Bei diesem krönenden Abschluss der Jubelarien hatte der neue Deutsche Meister anstrengende Tage und vor allem Nächte hinter sich.

Der Meisterschaft folgte exzessives Feiern

Einem 3:2-Auswärtssieg im letzten Punktspiel beim 1. FC Nürnberg folgte ein legendäres Freundschaftsspiel in Lichtenfels gegen den Oberligisten FC Schweinfurt 05 (1:1). Die erste Auswechslung erfolgte alkoholbedingt schon nach einer Minute, Klaus Matischak und Max Lorenz traten glatzköpfig an. Genau dies hatten sie im Falle des Titelgewinns versprochen, umgesetzt wurde die Radikalrasur von einem Dorfpolizisten auf dem Marktplatz von Lichtenfels.

Auf der Rückfahrt nach Bremen gab es schon in Hannover keine alkoholischen Getränke mehr im Speisewagen, in komatösem Zustand erreichten die übermüdeten Helden ihre Heimat.

Erste Hilfe zwischen Bier und Korn leistete aufopferungsvoll ein junger Mediziner, erst kurz zuvor als offizieller Mannschaftsarzt in den Werder-Tross aufgenommen. Es war niemand anders als Dr. Franz Böhmert, von 1970 bis 1999 Präsident des Traditionsvereins, seither Vorsitzender des Aufsichtsrates.


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1963/64